52. Gespräche

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»Weil er ein süßer Junge ist. Und mein Freund«

Mal wieder hätte ich Tim knuddeln können für diese paar süßen Worte. Stattdessen tastete ich bloß nach seiner Hand, die immer noch auf meinem Oberschenkel lag und strich sanft darüber.

»Ihr seid zusammen?« Max klang ungläubig.

»Krass.«, fügte er dann noch hinzu. »Ich dachte, Stegi hätte eine Freundin?«

Woher wusste Max das? Ja, wir hatten ein, zwei Mal im Ts oder Skype gesprochen und auch Mal miteinander gezockt, aber ich war mir ziemlich sicher, ihm nicht davon erzählt zu haben. Anscheinend warteten alle auf meine Reaktion, obwohl Tim genauso gut selbst hätte antworten können. Er kannte die Geschichte, wir hatten mehr als ein Mal darüber gesprochen.

»Ja, schöne Freundin. Eine, die sich nicht einmal meldet, wenn man blind im Krankenhaus liegt«, murrte ich.

»Man muss dazu sagen, dass sie zu dem Zeitpunkt nicht mehr zusammen waren.«, ergänzte Tim.

»Ja und? Ich weiß nicht, aber das gehört sich doch trotzdem. Ich hätte sie schon besucht, wenn ihr das passiert wäre. Ich hätte auch jeden anderen in dieser Situation besucht, auch wenn es nur ein Klassenkamerad wäre oder so.«

Ich war leicht angepisst. Tatsächlich fand ich es schon etwas mies, dass nicht einer meiner Schulfreunde mich besucht hatte. Ja, ich war nie der beliebte Typ gewesen, dazu war ich viel zu unscheinbar und die meisten meiner Freund waren wohl auch mehr gute Bekannte gewesen. Deswegen hatte ich es auch ziemlich unbegreiflich gefunden, als Alicia mich angesprochen hatte und wir uns kurz darauf getroffen hatten. Ja, ich hatte mich ziemlich bald in die Vorstellung verliebt, dass mich jemand bemerken würde, mich jemand sehen würde, auch wenn ich unsichtbar war. Und dieses Gefühl hatte ich wohl mit Liebe verwechselt und als wir zusammen gekommen waren, hatte ich auf Wolke 7 geschwebt. Tatsächlich hatte unsere Beziehung gerade einmal knappe drei Monate gehalten, bis sie Schluss gemacht hatte. Ich sei zu anhänglich, zu still und zu zurückhaltend. Aber Freunde, Freunde wollten wir doch bleiben, oder? Natürlich hatte ich zugestimmt, auch wenn ich in diesem Moment am Boden war. Seitdem hatten wir nicht einmal miteinander gesprochen und uns bloß wenn wir uns in der Schule begegneten ab und zu kurz zugewunken. Ich hatte einige Zeit lang ziemlich gelitten, mich immer wieder gefragt, warum sie dann überhaupt mit mir zusammen gewesen war, wenn ich ihr zu still und zurückhaltend war, mir oft gedacht, dass es wohl tatsächlich niemanden gäbe, der tatsächlich genau so nehmen würde, wie ich war. Ich hatte Liebeskummer. Allerdings hatte auch da schon Tim mir extrem geholfen, wir hatten jeden Abend auf Skype und Teamspeak verbracht und Tim hatte es tatsächlich geschafft gehabt, mich wieder aufzubauen. Er hatte mir tatsächlich sogar das Gefühl gegeben, dass es wirklich jemanden gab, der mich genau so mochte, wie ich war, mich nicht verändern wollte. Ihm war ich nicht zu leise, nicht zu schüchtern und nicht zu zurückhaltend und er hatte mir mit jeder Stunde, in der wir einfach nur redeten, das Gefühl gegeben, dass es okay war, wie ich war, dass ich mich nicht zu ändern brauchte. Ich war unglaublich froh, ihn als besten Freund zu haben, auch wenn mein Schlaf und bald auch meine Schulnoten ziemlich unter unseren nächtlichen Gesprächen gelitten hatten. Tim war schon immer für mich da gewesen, doch dass es einmal so weit kommen würde, dass ich ihn als meinen festen Freund bezeichnen würde, hätte ich auch nie gedacht.

»Ja, du. Du bist auch etwas anderes. Du bist viel... besser als alle anderen. Verglichen mit dem Rest der Welt bist du ein Engel.«

Kurz brauchte ich, um zuzuordnen, wovon Tim da eigentlich sprach, bis mir mein letzter Satz wieder in den Sinn kam. ich hätte meine Freunde besucht. Ja, hätte ich.

»Danke«, flüsterte ich gerührt von Tims süßer Aussage, wie er mich so beiläufig als Engel bezeichnet hatte. Sanft legte ich meine Lippen auf seine Schläfe, umschloss dabei mit meinen Händen sein Gesicht, um mich besser orientieren zu können. Für Max schien das Thema damit auch erledigt zu sein, mit einem einfachen »Okay. Cool« kommentierte er Tims Erklärung über mich und ich hörte erneutes Besteckklappern, das sich unter die restlichen Geräusche des Essens mischte und grob in seiner Richtung einzuordnen war.

Blindes Vertrauen ~ #StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt