Tim und ich saßen bestimmt eine halbe Stunde im Wartezimmer und ich war inzwischen echt froh, dass ich Tim gezwungen hatte, mitzukommen. So wurde mir nicht langweilig und es kam mir nicht wie sonst wie eine ewige Folter vor, bis ich endlich in das Zimmer gebeten wurde. Tim folgte mir zögerlich und reichte dem Trainer die Hand. Ich hörte ihn sich vorstellen und kurz wurde mir warm ums Herz, als Tim erklärte, er sei mein bester Freund. Er fragte, ob es i Ordnung sei, wenn er mit herein käme und der Trainer willigte sofort ein. Ich kannte ihn als eine fröhliche und aufgeweckte Person mit einer Stimme der mittleren Tonlage und dumpfen, schwerfälligen Schritten. Den Raum, in dem ich nun schon einige Male gewesen war, kannte ich kaum, da ich mir nicht die Mühe gemacht hatte, ihn abzulaufen, um mir ein Bild davon zu machen. Heute jedoch sollte sich dies ändern, so erklärte mir mein Blindentrainer eben und drückte mir den runden Kunststoffgriff eines langen Stockes in die Hand. Ich hatte bereits gewusst, dass mir heute zum ersten Mal der Umgang mit einem Blindenstock gezeigt werden sollte, doch in mir drin sträubte sich alles dagegen. Ich wollte nicht blind sein, nicht behindert. Ich wollte diesen Stock nicht brauchen. Dennoch ließ ich all die Erklärungen über mich ergehen, ließ mir zeigen, wie ich den Stock halten solle und mir die Bewegungen vormachen. Schließlich sollte ich das Vorgeführte in die Praxis umsetzen und musste feststellen, dass es erstaunlich schwierig war. Der Stock erschien mir viel zu lang und anstatt sanft gegen im Weg stehende Gegenstände zu stoßen und mich so darauf aufmerksam zu machen, verfing er sich darin und brachte mich somit aus dem Konzept. Am liebsten hätte ich diesen Stock weggeschleudert, ich konnte auch alleine Laufen und brauchte keine Hilfe. Der Trainer und irgendwann auch Tim sprachen mir jedoch jedes Mal, wenn ich so kurz vor dem Verzweifeln war, neuen Mut zu und versicherten mir, wenn ich mich erst ein Mal daran gewöhnt hätte, käme ich so viel leichter und schneller voran als durch meine Mit-Füßen-Und-Händen_Vortast-Technik. Und tatsächlich, mit jeder Minute, die ich übte, verhedderte der dumme Stock seltener in irgendwelchen Gegenständen. Innerlich triumphierte ich, doch meine Euphorie sollte nicht lange anhalten, denn nun begann der Trainer, meine Handhaltung und Führung zu verbessern und ununterbrochen daran rumzumeckern. Entweder ich klammerte mich zu stark an den Griff, ich bewegte den Stock zu schnell oder zu langsam oder bewegte mich im falschen Tempo dabei vorwärts. Und selbst wenn das alles endlich stimmte, fand er immer einen neuen Punkt, an dem er herummeckern und kritisieren konnte. Als nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich die heutige Stunde für beendet erklärt wurde, hätte ich den dummen Stock am liebsten in der Mitte zerbrochen. Tim schien meine Auffuhr zu spüren, denn er nahm mich vor Verlassen des Raumes kurz in den Arm und half mir somit, wieder zur Ruhe zu kommen.
Als wir schließlich aus dem Eingang der Augenklinik traten, in der meine Übungsstunden stattfanden, wollte ich mich auf den Weg zu den Parkplätzen machen, um dort von meiner Mutter gesehen und eingesammelt werden zu können, doch Tim hielt mich auf:
»Da kannst du lange warten«, verkündete er und ich dachte kurz, eine Spur Mitleid in seiner Stimme zu hören, »Deine Mutter kommt heute nicht, ich habe mit ihr ausgemacht, dass wir zu Fuß nach Hause gehen.«, redete er ungerührt weiter, während über mir gerade eine Welt zusammenbrach.
»Tim, ich... Ich kann das nicht«, stammelte ich entsetzt. Zwar waren es nur gute zehn Minuten Fußweg von hier zu unserer Wohnung, dennoch hatte meine Mutter mich stets hergebracht und abgeholt, da ich Angst hatte, mich vollkommen wehrlos wie ich war zu Fuß in der Stadt zu bewegen. Tims Stimme klang eine Spur wütend, als er zu einer Antwort ansetzte:
»Wer behauptet das? Red' nicht so einen Unsinn, Stegi. Natürlich kannst du das!«, empörte er sich, doch ich schüttelte nur schwach den Kopf.
»Bitte Tim. Ich habe Angst. Ich will nicht.«, flehte ich ihn an und spürte, wie mir Tränen in die Augen traten. Tim schien es auch zu sehen, denn er zog mich erneut in seine Arme und drückte meinen Kopf sanft gegen seine Brust.
»Stegi« Mein Name klang so unendlich weich aus seinen Lippen. Er hatte mich sanft wieder losgelassen und meine Hände lagen komplett in seinen. »Hab keine Angst. Du bist nicht alleine. Dir kann keiner etwas tun. Wir machen das zusammen, okay? Wie Varo. Wir beide kämpfen zusammen.«, sprach er beruhigend auf mich ein.
»In Varo sind wir gestorben«, schluchzte ich leise.
»Erst als wir in den Nether sind«, verbesserte er mich sanft, »Solange wir nicht in den Nether gehen, sind wir unbesiegbar«, versuchte er, mir Mut zuzusprechen und tatsächlich schaffte er es, mir etwas von meiner Panik zu nehmen. Schließlich schaffte er es, das ich zögerlich nickte und einwilligte, es zu versuchen. Ich hatte immer noch Angst und das Gefühl, hilflos und ausgeliefert zu sein, war auch noch nicht verschwunden, doch Tims Hand in der meinen schaffte es, mich etwas davon abzulenken. Langsam machten wir uns auf den Weg und Tim ließ mich die ganze Zeit über nicht los, wofür ich ihm unendlich dankbar war. Mir war es in diesem Moment egal, wie das aussah, wenn zwei Jungs Händchen haltend, der eine eng an den Größeren gedrängt, durch die Straßen liefen, mir war es nur wichtig, zu spüren, dass ich nicht alleine war. Wir kamen nur langsam voran und so dauerte es fast eine halbe Stunde, bis wir schließlich vor unserer Wohnung standen und Tim klingelte. Ich wäre dazu gar nicht fähig gewesen, da ich die Namensschilder neben den einzelnen Klingeln des Mehrfamilienhauses nicht lesen konnte und nicht wusste, welche unsere Klingel war. Erschöpft schleppte ich mich die Treppen hoch und wurde direkt von meiner Mutter in die Arme geschlossen, die mir immer wieder versicherte, wie stolz sie auf mich sei. Erst jetzt ließ Tim meine Hand los und sofort spürte ich, wie ich rot wurde. Als wir endlich in meinem Zimmer ankamen und alleine waren, meine Schwester würde über Nacht mit Freundinnen feiern sein, hob Tim mich unvermittelt hoch und ich quietschte kurz erschrocken auf. Vorsichtig wurde ich auf meiner Matratze abgesetzt und Tim ließ sich neben mir nieder. Als er zu sprechen ansetzte, erwartete ich fast weitere Lobpreisungen und Erklärungen, wie stolz er doch sei und mir wurde unangenehm um den Magen in Erwartung auf diesen grundlosen Stolz. Doch Tim ließ sich nur nach hinten fallen und lehnte sich halb gegen die Wand, bevor ein einziges Wort seine Lippen verließ und mich überraschte:
»Danke«
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Hayho zusammen!
Ihr lasst mich wirklich nicht zur Ruhe kommen!
Gestern kam das 2000-Aufrufe-auf-Fanfiktion.de-/Stegi-Geburtstags-Special und heute sehe ich, dass ich auf Fanfiktion.de die 50 Favoriteneinträge voll habe. Und da ich dafür ein weiteres Special versprochen habe, wird auch dieses bald kommen. Voraussichtlich könnt ihr Übermorgen damit rechnen, da es dieses Mal recht aufwendig werden wird. Ich habe bereits eine recht gute Idee, die ich in dieser Form auch noch nirgends gesehen habe, da ich noch nicht weiß, ob sie umsetzbar ist, verrate ich aber noch nichts. :) Habe mir aber uf jeden Fall schon Gedanken gemacht! Es wird auf jeden Fall mit den Favoriten zu tun haben.
Ansonsten wünsche ich euch allen frohe Ostern, genießt die freien Tage und habt eine schöne Zeit!
Liebe Grüße, minnicat3
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Blindes Vertrauen ~ #Stexpert
FanfictionWas ist, wenn dein Leben plötzlich über dir zusammenbricht und nichts mehr wie früher ist? Was ist, wenn du das Wichtigste in deinem Leben verlierst, das worauf all dein Handeln ausgerichtet ist, das was du immer als selbstverständlich erachtet has...