22. Verlegenheit

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Ich wachte von einer Bewegung der Matratze auf, auf der ich lag, spürte, wie sich Tim neben mir leise bewegte. Er unterdrückte ein Husten, schien wohl anzunehmen, dass ich noch schlief, ohne weiter darüber nachzudenken, dass ich die Augen nicht offen haben musste, auch wenn ich wach war. Jetzt lag er wieder bewegungslos neben mir und ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht. Er schaute mich an, beobachtete mich, weil er dachte, dass ich schlief. Mir wurde warm ums Herz bei diesem Gedanken und etwas in meiner Brust begann, zu kribbeln. Moment. Warum machte der Gedanke, dass mein bester Freund, der mich die ganze Nacht in den Armen gehalten hatte, mich beim schlafen beobachtete, glücklich? Der mich getröstet hatte heute Nacht, als wieder einmal meine Welt über mir zusammenbrach, der mich immer wieder ermutigte und mir gut zuredete, was ich alles könnte. Der immer für mich da war und seit Wochen kaum noch von meiner Seite wich. Der... okay. Stopp. Tim beobachtete mich, weil er sich Sorgen machte, nachdem ich mich heute Nacht so lächerlich verhalten hatte. Mehr nicht.

»Wenn du noch weiter so starrst, fallen dir die Augen aus dem «, ermahnte ich ihn ohne Vorwarnung, um mich abzulenken von meinen Gedanken, die sich im Kreis drehten. Tim zuckte erschrocken zusammen.

»Gott, Stegi. Erschreck mich doch nicht so.«, murmelte er und ich konnte hören, wie verlegen er war. Süß. Was? Okay, nein. Lustig. Lustig meinte ich, nicht süß. Lustig. Haha, er war verlegen, das war lustig, nicht süß, lustig, verstanden, Stegi? Hatte ›lustig‹ eigentlich etwas mit ›Lust‹ zu tun? Okay, immernoch falsche Denkrichtung. Es war lustig, ganz im traditionellen Sinne, ohne Hintergedanken. Lustig im Sinne von komisch. Okay. Mist, warum war es so still? War ich an der Reihe mit einer Antwort? Ich konnte nicht einmal sehen, ob er mich erwartungsvoll ansah oder so. Okay, ganz ruhig.

»Nicht rot werden«, mahnte ich ihn mit einem künstlichen Lachen. Tim stimmte mit ein, doch auch er klang dabei gezwungen und verkrampft. Was war bloß los mit uns auf einmal?

Um mich abzulenken ging ich zum Kleiderschrank und zog einen Hoodie, eine Hose und neue Boxer raus, dann verschwand ich im Bad, um mich umzuziehen. Waruh hatte ich eigentlich in meinen Klamotten geschlafen? Ich war doch sowieso aufgewacht, als Tim schlafen gegangen war, dann hätte ich mich auch ruhig umziehen können. Oder zumindest die unbequeme Hose aus. Tim hatte sich ausgezogen, fiel mir jetzt auf und mir wurde warm bei der Erinnerung, wie er mich an seine nackte Brust gedrückt hatte. Ich hoffte, dass diese merkwürdige Verlegenheit von eben bald von uns abfallen würde, ich hatte heute den ganzen Tag mit ihm, bevor er morgen nachmittag wieder nach Hause fahren musste und wollte jede Sekunde genießen. Ich versenkte die dreckige Wäsche in der Waschetruhe und ging zurück in mein Zimmer. Ich konnte tim hören, doch schaffte es nicht, zuzuordnen, was er tat.

»Tim? Was machst du?«, erkundigte ich mich. Er lachte auf.

»Gerade, mein lieber Stegobert, ziehe ich mich um«, erklärte er übertrieben sachlich und als ich mir unweigerlich vorstellte, wie Tim vor mir stand, keine drei Meter entfernt, und sich umzog, stieg mir augenblicklich wieder das Blut in die Wangen.

»Ooooch, nicht rot werden, Stegilein. Oder ist es dir unangenehm?«

Das traf es eigentlich ziemlich genau, dennoch wollte ich das nicht zugeben, also lachte ich nur auf:

»Warum sollte es? Ich guck dir schon nix weg.« Angesichts der Situation mussten wir beide lachen, dieses Mal war die Fröhlichkeit echt und nicht gespielt.

»Ich hab eine Idee, was wir heute machen.«, erklärte Tim irgendwann ohne Zusammenhang und ich zog eine neugierige Grimasse.

»Es gibt in diesem Kaff hier doch bestimmt ein Schwimmbad, oder?«

»Hallooo?«, empörte ich mich, »zum Einen ist Karlsruhe kein Kaff und natürlich gibt es ein Schwimmbad. Aber du willst doch wohl nicht ernsthaft schwimmen gehen?«

Blindes Vertrauen ~ #StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt