Mein Telefon klingelte nun zum dritten Mal in Folge, als ich endlich mein Handy ertastet und den Anruf entgegengenommen hatte.
»Hey, Tim«, begrüßte ich meinen besten Freund sofort, in dem Wissen, dass niemand sonst mich anrief.
»Stegi. Wie geht es dir? Alles klar?«, erkundigte er sich sofort. Ich bejahte und begann ohne Zögern, von meinem Tag zu erzählen. Ich war heute zum ersten Mal zu einer Fachklinik für Augenmedizin gefahren, um dort entsprechende Hilfe und Einweisung in meine Möglichkeiten zu erhalten. Zusätzlich hatte ich dort, auf empfehlen meiner Ärzte, einen Termin zur psychologischen Beratung. Von nun an sollte ich vorerst vier Mal die Woche dort erscheinen, um die Grundlagen der blinden Fortbewegung, Kommunikation und Sicherheit zu lernen. Außerdem hatte ich jeden Montag anschließend eine Stunde Besprechung beim Psychologen. Tim hörte mir aufmerksam und interessiert zu, während ich ihm von all dem erzählte, hörte sich meine Sorgen darüber an und ertrug meine schlechte Laune, dass ich von nun an so viel Zeit dafür aufbringen musste, mit einem Lächeln auf den Lippen. Irgendwann schaffte er es, meine Laune erheblich zu bessern und wir unterhielten uns über seine Woche, seine und meine Zukunftspläne, wobei die meinen eigentlich nicht vorhanden waren, und alles mögliche andere. Jede Minute, die wir telefonierten, war ich dankbarer dafür, dass er es schaffte, einen Teil der Last von meinen Schultern zu nehmen und mir das Gefühl der Geborgenheit zu geben, selbst wenn er nicht bei mir war. Immer wieder vergewisserte ich mich, wenn auch mit leicht schlechtem Gewissen, dass er in zwei Tagen wieder kommen würde, um mich zu besuchen und lachend vergsprach er mir immer wieder, dass er da sein würde. Mehrmals musste ich ihm versichern, dass ich gut auf mich aufpassen würde. Ich wusste, dass er sich keine Sorgen machte, weil ich blind war, dass er keine Angst hatte, dass mir deswegen etwas passieren könnte. Ich wusste, dass er wollte, dass ich auf mich aufpasste, weil ihm etwas an mir lag, unabhängig von jeder Behinderung und dieses Wissen machte mich glücklich und zauberte mir, ohne dass ich etwas davon mitbekam, ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Nach fast zwei Stunden Telefonat legte er irgendwann auf, mit dem Versprechen, mich am kommenden Abend wieder anzurufen.
Ich ließ mein Handy auf der Matratze liegen und folgte dem Geruch nach Abendessen, der in den letzten Minuten in mein zimmer gedrungen war, in die Küche. Dort standen meine Eltern und schienen zu kochen, während ich meine Schwester auf dem Esstisch mit Tellern und Besteck hantieren hörte. Ich wollte gerade einen Schritt weiter in die Küche machen, als die Hand meines Vaters mich zu fassen bekam und bestimmt zurückschob. Als er mir erklärte, ich solle lieber im Wohnzimmer warten, da die Küche zu gefährlich für mich sei, wusste ich zwar, dass er mir nur helfen wollte, und dennoch fiel in diesem Moment etwas in mir zusammen. Es war, als hätten seine Worte einen Schalter in mir umgelegt und eine riesige Kettenreaktion in Gang gesetzt. Mir wurde klar, wie hilflos und verletzlich ich war, und mir war mit einem Schlag bewusst, wie nutzlos ich eigentlich geworden war. Diese Erkenntnis traf mich wie eine Faust in den Magen und ich war kurz unfähig, mich zu bewegen, bevor ich mich wie automatisch umdrehte und aus dem Zimmer ging, aufs sofa setzte und in all der Zeit zu nicht mehr zu gebrauchen war, als meine Tränen zurückzuhalten. Nicht ein Mal das gelang mir, ich spürte schnell einen einzelnen salzigen Tropfen über meine Wange laufen und wischte ihn schnell weg, bevor jemand ihn sehen konnte. So stark wie lange nicht mehr wünschte ich mir Tim an meine Seite, an dessen Schulter ich stets hatte weinen und die Welt um mih herum vergessen können. Stattdessen begann ich, eine Mauer um mich zu bauen, eine Maske, die nichts mehr an mich ran ließ, denn selbst der kleinste Tropfen hätte gereicht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Während des Essens und des ganzen restlichen Abends sowie auch nachts, als meine Schwester leise, in dem Irrglauben, ich würde schon schlafen, das Zimmer betrat, behielt ich diese Maske auf und schirmte mich von dem Rest der Welt ab. Ich versuchte, mich auf der Matratze nicht zu bewegen, hatte einfach keine Lust, mit meiner Schwester zu sprechen. Ich hörte sie sich reinschleichen und alles tun, um mich nicht zu wecken. Als ich merkte, dass sie sogar das Licht ausgelassen hatte, war es, als würde etwas um meine Lunge sich enger ziehen und mir jeglichen Sauerstoff aus dem Körper zu pressen. Meine Blindheit war noch längst nicht zum Alltag geworden, weder für meine Familie, noch für mich, und diese Aktion meiner Schwester, mehr aus Gewohnheit als aus logischem Denken heraus, führte mir das erneut schmerzhaft vor Augen.
Und so kam es, dass ich mich schließlich doch stumm in den Schlaf weinte und den Abend herbeisehnte, an dem Tim mich wieder besuchen würde. Ich vermisste seine starken Arme, die mich an ihn zogen und mir ein Gefühl der Geborgenheit gaben und seine tiefen Worte, die mich beruhigten und mir Halt gaben.
Ich vermisste ihn.
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Hayho zusammen!
Ich wollte Danke sagen für inzwischen 4 Empfehlungen, 43 Favoriteneinträge, 36 Reviews und 2000 Aufrufe auf Fanfiktion.de!
Als versprochenes Special wurde ein extra langes Kapitel gewünscht, da ich euch aber nicht allzu sehr foltern möchte, kommt dieses Kapitel dann morgen, wenn Timmi wieder da ist ;) Ich hoffe, ihr seid alle einverstanden damit...
Also heute ein ganz normales Kapitel, das versprochene Special dafür morgen!
Das nächste Special gibts dann entweder zu den 3000 Aufrufen oder 50 Favoriteneinträgen :)
Ansonsten liest man sich vielleicht in den Kommentaren, ich würde mich sehr freuen über jede Art Feedback. Fakt am Rande: Ich schau mir jedes Profil an, das mir ein Review dalässt oder Favorisiert ;)
Liebe Grüße, minnicat3
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Blindes Vertrauen ~ #Stexpert
FanfictionWas ist, wenn dein Leben plötzlich über dir zusammenbricht und nichts mehr wie früher ist? Was ist, wenn du das Wichtigste in deinem Leben verlierst, das worauf all dein Handeln ausgerichtet ist, das was du immer als selbstverständlich erachtet has...