24. Einkauf

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Ich stand in der Umkleidekabinen einer der Läden und zog gerade die Badehose hoch, die dritte, die ich jetzt probierte. »Stegi? Kann ich reinkommen?« Tim. Ich hörte ihn vor die Kabine treten und als ich zustimmte, schlüpfte er durch den Vorhang. Fast spürte ich seinen musternden Blick, der mich eingehend betrachtete. Lachend drehte ich mich einmal im Kreis. »Okay, nicht schlecht. Sieht schon ganz gut aus, aber ich fand die letzte besser. Ich habe noch einmal eine gefunden, blauer Farbverlauf von oben hell zu unten dunkel. Ich leg sie hier auf den Hocker, sag bescheid, wenn du fertig bist, dann komm ich wieder rein und schau es mir an.«, erklärte er und verließ die Kabine. Seufzend seufzend zog ich mich wieder aus und die neugebrachte Hose an, bevor ich Tim wieder zu mir bat. Wieder musterte er mich, kam dieses Mal aber schneller zu einem Schluss: »Nee, zu groß. Außerdem sieht die eh nicht so hammer aus. Macht dich nur noch blasser, als du eh schon bist. Welche fandest du am bequemsten? « Ich war überfordert. Irgendwie fühlten sich doch alle gleich an. Es waren halt Badehosen. Nicht mehr, nicht weniger. »Ähmmm«, murmelte ich, »Keine Ahnung. Entscheide du. Du weißt, welche am besten aussieht.«, beschloss ich. Tim schwieg kurz, schien zu überlegen. »Okay. Ich würde die zweite nehmen, dunkelrot-blau falls es dich interessiert. Die fand ich am besten.« Gut, dann nehmen wir die.«, stimmte ich zu und schickte Tim erneut aus der Kabine, um wieder meine normalen Klamotten anziehen zu können. Als ich den Vorhang beiseite schob und wieder in den Laden trat, griff Tim wie selbstverständlich nach meiner Hand, um mich zur Kasse zu ziehen. »Das macht dann 44,95€ bitte«, flötete die Kassiererin und ich reichte Tim den Geldbeutel, um zu zahlen. »Und, hast du heute noch etwas bestimmtes vor?«, fragte sie, eindeutig in Tims Richtung gerichtet. »Ja, wir gehen schwimmen.«, erklärte er. Sie reichte ihm die Tüte auf den Tresen und ich tastete danach. Tim schob sie mir etwas hin, sodass ich hören konnte, wo sie stand. »Oh Gott. Das klingt anstrengend. Geht das denn?«, fragte sie weiter. Sie meinte ganz eindeutig mich. Geht das denn, kann das arme behinderte Kind denn schwimmen? »Ja, das geht«, fauchte ich zurück und hatte das Gefühl, als würde sie mich abschätzend mustern. Tim lachte nur und ich spürte seine Hand kurz über meinen Rücken streichen. »Naja. Kannst dich ja Mal melden. Falls es dir zu langweilig wird.«, flirtete sie weiter und ich hörte rascheln von Papier. Gab die gerade Tim ihre Nummer? »Nein Danke, das wird nicht passieren«, hörte ich Tim antworten und erneut raschelte Papier leicht. Dann spürte ich wieder Tims Hand, die mich leicht wegzog. »Komm, Stegi, wir gehen.«, erklärte er bloß sachlich. Auch wenn ich wütend auf diese dumme Kuh war, musste ich mir ein Kichern unterdrücken. »Was für eine Schlampe«, sprach Tim meine Gedanken aus, sobald wir aus dem Laden waren. »Was denkt die sich eigentlich? Du bist blind, aber doch nicht blöd. Die hat von dir gesprochen, als könntest du sie gar nicht verstehen. Ey, am liebsten würde ich zurückgehen und...« Wieder lachte ich auf. »Du bist süß, Tim« Scheiße. Hatte ich das gerade echt ausgesprochen? »Die ist halt einfach doof. Aber sag Mal, hat die dir wirklich ihre Handynummer gegeben?«, lenkte ich sofort ab. Wie es schien, erfolgreich, denn Tim ging nicht weiter auf das ein, was mir rausgerutscht war. »Ja, man. Wollte sie. Naja, die Nummer ist gerade Mal ein paar Zentimeter gekommen und ging dann geradewegs retoure an sie zurück. Als ob ich auch nur irgendetwas mit so jemanden zu tun haben wollte. Widerlich, so ein Verhalten, widerlich.« Wieder konnte ich nicht anders, als zu kichern. Ganz anders wäre die Situation wohl ausgegangen, wäre Tim nicht bei mir gewesen. Ich wäre wahrscheinlich zutiefst verletzt gewesen und hätte mich heulend in meinem Bett vergraben, um nie wieder mein Zimmer zu verlassen. Aber dadurch, dass ich nicht alleine war und Tim sich so süß darüber aufregte, fand ich es auf einmal nur noch halb so schlimm. Eigentlich mehr witzig als schlimm. Vielleicht machte auch Tims Hand in der meinen, die mich immer noch zuverlässig führte, etwas aus. Vielleicht. Inzwischen vertraute ich Tim vollkommen. Hatte ich am Anfang nur vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzen können, ging ich nun, bis auf leichtes Schlurfen, fast normal. Ich vertraute darauf, dass Tim auf den Weg aufpasste und mich warnte, wenn ich auf etwas achten musste. Und bis jetzt war auch noch nie etwas passiert. »Sah sie wenigstens heiß aus?«, kam ich wieder auf das Thema zurück. Tim brummte nur. »Wenn man auf nuttige, blondierte Weiber mit großzügig zur Schau gestellten Titten steht, dann wahrscheinlich.« »Ach, und auf was stehst du so?«, lachte ich weiter, ohne überhaupt darauf zu achten, was ich da sagte. Eigentlich sprach ich bloß den ersten Gedanken aus, der mir in den Sinn kam. »Auf jeden Fall nicht darauf«, knurrte der Größere. Nicht darauf. Bedeutete das, nicht auf Mädchen oder bloß nicht auf solche Bitches? Und wieso dachte ich darüber schon wieder nach, eigentlich war es mir egal, auf wen oder was Tim stand und ging mich wirklich nichts an. Ich hatte nichts gegen Schwule, ich fand sogar, es hatte irgendetwas cooles. Wahrscheinlich hatte ich bloß zu viele Fanfiktions gelesen, ich kannte nicht einmal jemand schwulen. »Vorsicht, Treppe nach unten in einem Meter«, warnte Tim mich und riss mich damit aus den Gedanken. Meine Schritte wurden vorsichtiger und wir langsamer, Tim führte mich ans Treppengeländer, so dass ich noch eine zweite Orientierungshilfe außer ihm hatte. Nachdem ich die erste Stufe ertastet hatte fiel es mir leichter und wir wurden etwas schneller, bis Tim mir wieder sagte, dass es nur noch zwei Stufen wären. Ich fand den Boden wieder und musste breit Grinsen. Inzwischen waren wir, auch wenn wir noch nicht viel gemeinsam unterwegs gewesen sind, ein wirklich eingespieltes Team. Hier unten in der UBahnstetion war es um einiges kühler, ich fröstelte sogar leicht. Jetzt blieb Tim stehen und schwieg, wahrscheinlich, um etwas zu suchen oder zu betrachten. »Die nächste Bahn kommt in zwei Minuten, wir haben Glück. Zwei Stationen stadteinwärts und dann müssten es noch zehn Minuten oder so zu Fuß sein. Sagt zumindest mein Handy. Ich nickte. »Frierst du?«, schien Tim meine leichte Gänsehaut zu bemerken. »Passt schon. Ist bloß kalt hier unten nur mit T-Shirt.« Ich spürte, wie Tim meine Hand losließ und sich neben mir bewegte. Moment Mal. Zog der gerade seine Jacke aus? Oh Gott, wie klischeehaft. Auch er schien so zu denken, denn er half mir Gentleman-mäßig in die Ärmel mit den Worten: »Bitteschön, der Herr, einmal Filmkitsch zum mitnehmen.«



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Hayho zusammen!

Heute wieder etwas später, entschuldigt bitte.

Ich hoffe euch hat dieses kleine süße, schnuggelige, kitschige Kapitel gefallen.

Ich weiß, Tim ist süß. Ihr dürft mir das trotzdem noch zehntausend Mal in die Kommentare schreiben, ich freue mich über jedes »Naaaaaw, Tim ist so süß«, das ich bekomme.

Das Kapitel ist wieder brandaktuell, vor einer Minute fertig geworden.

Ich wurde dabei ertappt, dass ich etwas unhochdeutsche bayerisch angehauchte Sprache benutzt habe... Ups... Ja, ich wohne an einem der Wunderschönsten Orte in Bayern und bin stolz darauf.

Ich versuche schon, möglichst schriftdeutsch zu schreiben, aber manche Wörter sind in meiner Welt einfach astreines hochdeutsch, die es halt in den Augen von norddeutschlicheren (Heute habe ich ein Faible fürs Wörter erfinden, ihr merkt schon)Lesern nicht sind. Aber da Stegi ja auch eher dem südwestdeutschem Raum zuzuordnen ist, habe ich ja eine gute Entschuldigung.

Ich weiß, dass viele Bayern und Bayerisch nicht sonderlich leiden können und hoffe einmal, dass es nicht allzu sehr stört. Ich persönlich mag es und werde auch niemals »Brötchen« statt »Semmel« schreiben. Sorry.

Liebe Grüße, minnicat3

Blindes Vertrauen ~ #StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt