Weihnachten

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Die nächsten Wochen lang beobachteten Lewis und ich Professor Quirrell. Und je mehr wir ihm hinterher spionierten, desto seltsamer kam er uns vor. Einmal schlich Lewis sich mitten in der Nacht zu Quirrells Büro mit der Ausrede, jemand hätte ihm erzählt, wir hätten am nächsten Tag eine Überprüfung. Und als er davon zurück kam, erzählte er mir das Verrückte: Der Lehrer trug sogar um zwei Uhr morgens einen Turban!

Zwar konnte Lewis sich nach der Aktion nur mit Mühe vor Nachsitzen retten, aber es das war es wert gewesen. Schließlich war es schon etwas seltsam, wenn man seinen Turban sogar beim Schlafen trug. Es könnte zwar auch sein, dass er ihn einfach sehr gern hatte, aber sowohl Lewis als auch ich bezweifelten das.

Jedoch bald schon konnten wir nicht mehr unsere ganze Freizeit damit verbringen, Geheimagenten zu spielen. Im Unterricht wurde immer mehr gearbeitet, wir bekamen meterlange Aufgaben.

Und dann kam Weihnachten.

Eigentlich hatte ich vorgesehen, in den Weihnachtsferien nach Hause zu fahren, aber dann hatte ich einen Brief von unserer Familien-Eule zugeschickt bekommen, in dem sie fragten, ob es möglich sei, dass ich erst in den Sommerferien nach Hause käme. Ich willigte etwas enttäuscht ein, aber mittlerweile bereute ich das gar nicht mehr.

Weihnachten in Hogwarts war toll.

Ich wachte am Weihnachtsmorgen als Allererste auf und erspähte sofort den großen Berg Geschenke. Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett und fing an auszupacken. Von Mum und Dad hatte ich Kleidung, Bücher, eine neue Schreibfeder, ein Reinigungsset für Zauberstäbe, allerlei Süßigkeiten und eine wunderschöne Kette bekommen. Sie war grazil und elegant zugleich, der Anhänger bestand aus tausenden kleinen Silberfäden, die sich zu einem Kunstwerk verschlangen. In der Mitte des Geflechts leuchtete ein kleiner Smaragd.

„Für unsere kleine Slytherin", stand auf der Karte daneben. Ich legte das Schmuckstück sofort um und verliebte mich sofort. Sie hing genau auf der richtigen Höhe, die Kette umspielte meine Schlüsselbeine und der Anhänger harmonierte perfekt mit meinen langen roten Haaren.

Auch von meinen anderen Verwandten hatte ich verschiedenste Sachen bekommen, praktische, wie ein Flakon, der innen größer war als außen, und auch ziemlich unpraktische, wie ein Glas mit der Aufschrift „Frohe Weihachten!".

Das Geschenk von Lewis war ebenfalls ein Buch. Es trug den Namen: „Lia"

Er hatte lauter Zaubersprüche hineingeschrieben, versehen mit kleinen Notizen. Nach der Hälfte waren die Seiten dann leer.

Auf der Karte daneben stand:

„Liebe Lia!

In diesem Buch habe ich Zaubersprüche und -Tränke gesammelt, die genau deinen Zauberstil widerspiegeln. Außerdem habe ich immer Tipps hinzugefügt, die ich aus anderen Büchern gefunden habe. Ein paar Seiten habe ich auch freigelassen, schließlich kann ich ja nicht alles für dich machen! Da kannst du deine persönlichen Lieblings-Zauber hineinschreiben.

Ich hoffe sehr, du magst es, es war nämlich verdammt viel Arbeit!

Dein Lewis"

Ich konnte es nicht fassen, wie viel Mühe er sich bei meinem Geschenk gegeben hatte. Unwillkürlich lächelte ich. 

Aber ich hatte für ihn auch ein besonderes Geschenk. Ich hatte ihm eine Eule besorgt.

Es war nämlich so, dass Lewis es verschlafen hatte, sich ein Tier zu kaufen. Und ich hatte seine neidischen Blicke gesehen, wenn ich mit Mireya, meiner Katze, gespielt hatte, oder einen Brief von Butler, der Familieneule, bekommen hatte. Ich war schon wirklich gespannt, was er dazu sagen würde, dass er jetzt einen kleinen Kauz hatte.

Ich nahm Lewis Geschenk unter den Arm und lief hinunter in den Gemeinschaftsraum. Dort war alles geschmückt und ein großer Weihnachtsbaum stand neben dem Kamin. Und unter dem Weihnachtsbaum saß...Lewis!

Ich stürmte auf ihn zu und umarmte ihn heftig.

„Danke für das tolle Geschenk!"

Er sprang auf und erwiderte: „Das kann ich jetzt nur zurückgeben. Eine Eule!"

Er strahlte wie ein kleines Kind.

„Ich habe schon einen Namen für sie: Koka! Das steht für Komischer Kauz!"

Ich schüttelte den Kopf.

„Du spinnst. Der arme Vogel."

Aber dann musste ich auch lachen.


Der Weihnachtstag ging vorüber und die Ferien endeten viel zu früh. Lewis und ich verbrachten unsere meiste Zeit jetzt in der Bücherei. Wenn wir nicht gerade Aufsätze schrieben und lernten, lasen wir auf der Suche nach besonderen Zaubersprüchen für mein Buch verschiedene Bände durch. Eines Tages stießen wir auf eine altes Zaubertränkebuch mit dem Trank „Felix Felicis", der dem Besitzer für einen Tag immer Glück bescherte. Ich vermutete, dass jemand das Buch falsch zurückgebracht hatte, denn normalerweise fand man solche Zauber nur in der Verbotenen Abteilung. Obwohl der Trank für mich noch viel zu kompliziert war, schrieb ich ihn sicherheitshalber ins Buch.


Einmal, als ich gerade in einer Ecke hockte und lernte, bekam ich zufällig etwas mit, was mich zutiefst verärgerte.

Draco Malfoy, wie immer von seinen beiden Schlägern Crabbe und Goyle begleitet, griff hinter einem der Regale einen Gryffindor namens Neville Longbottom an. Er verpasste ihm einen Beinklammerfluch, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte und verzog sich dann in meine Nähe.

Als er dann so ein paar Meter vor mir saß und sich über seine Aktion diebisch freute, hielt ich es nicht mehr aus.

Offen attackieren konnte ich ihn zwar nicht, wenn ich nicht von seinen Kumpanen zusammengeschlagen werden wollte, aber auch so konnte ich wenigstens ein bisschen Gerechtigkeit ausüben.

Ich hauchte so leise ich konnte den Schwebezauber und deutete mit dem Zauberstab auf einen besonders dicken Wälzer.

„Habt ihr sein bescheuertes Gesicht gesehen? Wetten, er schafft es nicht einmal selbst, sich zu befreien!", lästerte Draco gerade. Er brach in schallendes Gelächter aus, was aber sofort verstummte, als ein 5 Kilo schwerer Band ihm mit voller Wucht auf den Hinterkopf knallte. Sein Kopf wurde nach vorn geschleudert und er schrie auf.

Ich steckte schnell meinen Stab weg und drehte mich besorgt um.

„Alles okay, Draco?"

Er wandte sich furios um.

„Warst du das?"

Ich riss unschuldig die Augen auf.

„Was denn? Ich habe dich nur schreien gehört und dachte, du hättest dich verletzt!"

Er sah mich prüfend an und ich erwiderte seinen Blick offen. Er schnaubt schließlich und meinte bloß: „Ist nichts."

Sobald er mir allerdings den Rücken zu wandte, grinste ich leicht. Gerechtigkeitsaktion geglückt. Und wie!


Danach vergingen die Tage wie im Flug. Und aus den Tagen wurden Wochen, aus den Wochen wurden Monate und ehe man es sich versah, waren die Osterferien vorbei. 

Dann, an einem kalte und verregneten 20. April, der eigentlich begann wie jeder andere Tag, geschah etwas, was mein gesamtes Leben auf den Kopf stellte...

A Slytherin's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt