Düstere Aussichten

93 11 0
                                    


Deprimiert schlich ich mich zurück nach Hogwarts.

Du musst ihn einfach vergessen.


Was keineswegs ein leichtes Unterfangen war. Seine Augen verfolgten mich überall hin. Ich konnte nicht einmal mehr das silberen Wappen unseres Hauses ansehen, ohne an die sturmgraue Farbe seiner Augen denken zu müssen.

„Stell dich nicht so an!", fauchte ich laut und schüttelte den Kopf.

Ich nahm die Treppen nach unten und warf einen Blick auf die Uhr. In wenigen Minuten würde die letzte Aufgabe starten!

Ich hetzte hinunter und kam gerade noch rechtzeitig an.

Das Quidditch-Feld war in ein Labyrinth verwandelt worden, vor dem eine Tribüne für uns Zuschauer aufgebaut war. Die Ränge waren voll besetzt, aber Lewis hatte mir einen Platz freigehalten.

„Hey, Lia, wo warst du?"

„Hab die Zeit übersehen", sagte ich entschuldigend und wandte mich mäßig gespannt der Aufgabe zu.

Die Champions waren gerade in das Labyrinth gegangen und Ludo Bagman hielt uns alle auf dem Laufenden, was gerade passierte.

„Und das ist Miss Fleur Delacour, der Champion von Beauxbatons. Unsere einzige Dame ist leider aus dem Rennen."

Ein höflicher Applaus ertönte für das blonde Mädchen, dass von Sicherheitskräften aus dem Irrgarten gezogen wurde.

Nur wenig später tauchten rote Funken auf.

„Viktor Krum. Nun, der Champion ist aus Hogwarts, so viel steht schon einmal fest, aber wer wird es sein? Cedric Diggory oder Harry Potter?"

Doch dann hörte man gar nichts mehr. Mit der Zeit fingen alle an, sich zu langweilen und Ludo Bagman schien höchst irritiert.

„Sie können die beiden nirgends finden! Und der Pokal ist auch weg!", sagte Lewis, der sich zu den Lehrern geschlichen hatte, um zu lauschen.

Ich runzelte die Stirn. Was war passiert?

Mit der Zeit kamen Theorien auf, was geschehen sein könnte, doch eine war dümmer als die andere und so blieb uns nichts anderes übrig, als uns weiter zu gedulden.

Wir warteten ein halbe Ewigkeit. Dann, endlich, tauchten die beiden auf. Sie landeten direkt vor dem Labyrinth den Pokal in den Händen.

Jubel brach aus, doch ich schloss mich ihm nicht an. Was war mit Cedric Diggory los? Der Hufflepuff lang seltsam verrenkt auf dem Boden und bewegte sich nicht. Und Harry Potter schien am Ende seiner Kräfte, er hatte Schnittwunden am ganzen Körper und rief unverständliches Zeug.

Jetzt schienen auch die anderen zu bemerken, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmte.

Dann schien es irgendjemand zu begreifen und eine Nachricht verbreitete sich in Sekundenschnelle.

Cedric Diggory ist tot. Lord Voldemort ist zurück.



Ein zaghaftes Klopfen kam von der Fensterscheibe des Zugabteils, im dem Lewis und ich saßen.

Es war Ria, die den Kopf hinein streckte und mich mit einem seltsamen Blick ansah.

„Hey."

„Hey."

Seid ihrem Ausraster beim Weihnachtsball hatten wir kaum noch miteinander geredet und uns so gut wie möglich ignoriert.

Ria warf einen Blick auf Lewis. Dann sah sie wieder auf mich. Ich nickte mit einem leichten Lächeln. Selbst wenn wir zerstritten waren, hatten wir doch als Schwestern immer noch die Fähigkeit, uns ohne Worte zu verständigen.

„Lewis?"

„Ja, ja, schon klar", brummelte mein bester Freund und erhob sich. „Sister-Talk. Ich bin schon weg."

Jetzt hatten wir das Abteil für uns.

Ria setzte sich mit einem schüchternen Lächeln, dass so gar nicht zu ihr passen wollte, mir gegenüber.

„Es tut mir leid", sagte sie leise. „Dass ich so ausgerastet bin zu Weihnachten. Ich war einfach nur so neidisch und du, du..."

„Keine Sorge. Ich habe keinerlei Interesse an Draco Malfoy", sagte ich belustigt. Mir schoss das Bild von silbergrauen Augen in den Kopf und kniff die Augen zusammen. Raus aus meinem Kopf.

„Gut", meinte Ria, die davon nichts mitbekommen hatte, erleichtert. Dann bemerkte sie erst, was sie gesagt hatte. „Also, ich auch nicht, aber..., naja."

Ich schüttelte grinsend den Kopf. Dann sah ich sie genau an.

„Woher kommt der Sinneswandel?"

Ria biss sich auf sie Lippe und sah aus dem Fenster.

„Ich glaube Professor Dumbledore. Und Harry Potter. Mit der Geschichte, du weißt schon, dass Lord Voldemort zurück ist."

Ich nickte.

„Ich auch. Dumbledore mag vieles sein, aber kein Lügner."

Meine Schwester hob sie Achseln.

„Eben. Und jetzt..., ich weiß nicht, jetzt kommen mir diese Streitigkeiten so lächerlich vor. Vor allem kommen dunkle Zeiten auf uns zu, wenn das alles wirklich stimmt, und da sollte man auf die wenigen Leute, denen man vertraut gut aufpassen."

Ich sah Ria liebevoll an. Sie war älter geworden, reifer, und ich hatte es gar nicht bemerkt.

„Ich verstehe dich nur zu gut."

Ich wechselte zu ihr auf die Seite und legte meinen Arm um ihre Schultern. 

„Gibt es.., denkst du, es gibt irgendetwas, was wir dagegen unternehmen können?"

Ich zögerte.

„Ich weiß es nicht", gab ich schließlich zu. „Aber wir werden auf gar keine Fall schweigend zusehen, versprichst du mir das?"

Ria nickte und legte den Kopf an meine Schulter.

Schweigend gingen wir unseren eigenen Gedanken nach.

Ich versuchte mir ein Bild davon zu machen, wie eine Welt mit Voldemort als Herrscher aussehen würde, doch die Vorstellung war zu grauenhaft, als dass ich weiter daran denken wollte. Ich hoffte von ganzem Herzen, dass das nie eintreffen würde.

Lewis kam wieder nach einiger Zeit zurück.

„Darf ich rein?"

Wir nickten.

„Also, um was ging es? Euren Gesichtern nach zu schließen, den Weltuntergang?"

„So gut wie", murmelte Ria düster.

Es war ihm anzusehen, dass er wusste, wovon wir sprachen. Trotzdem lächelte er weiter.

„Okay, ich habe eine Herausforderung für euch. Wer schafft es, am längsten nicht das Gesicht zu verziehen, während er diese mega sauren Drops hier isst?"

Ria und ich starrten ihn fassungslos an.

„Bist du verrückt geworden? Der größte Schwarzmagier aller Zeiten ist wahrscheinlich zurück, und du denkst an Säure-Drops?"

Lewis nahm uns gegenüber Platz und sah uns wichtigtuerisch an.

„Bloß weil die Welt dunkler wird, heißt das nicht, dass eure Gesichter und Gedanken das auch müssen. Ich glaube, etwas lustiges wäre jetzt angebracht. Wenn jeder sich so benimmt wie ihr jetzt, geht die Welt ganz von allein unter. Wegen Depressionen!"

Ich verdrehte die Augen und lachte.

„Wo er recht hat, hat er recht", sagte Ria und zuckte mit den Schultern. „Wir nehmen sie auf drei, einverstanden?"

A Slytherin's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt