Es fiel mir oft schwer, mich im Unterricht bei Professor Lupin zu konzentrieren. Immer wieder ertappte ich mich dabei, nach Anzeichen dafür zu suchen, was er war.
Auch kamen mir immer wieder Zweifel. Was, wenn er vergaß, seinen Trank einzunehmen? Was, wenn er doch gefährlich war?
Ich war froh, dass die Weihnachtsferien begannen und ich nach Hause fahren würde. Mum würde bestimmt wissen, was richtig war, das tat sie immer.
Also fing ich meine Eltern ein paar Tage nach Weihnachten in einem Moment ab, wo Ria ausnahmsweise mal nicht da war. Irgendwie wollte ich nämlich nicht, dass sie davon erfuhr. Denn sie würde es Draco zweifellos nach den Ferien erzählen, genau wie sie es auch mit der Geschichte über Harry Potter gemacht hatte.
Zu meiner großen Erleichterung gaben sie mir beide recht. Außerdem sah ich Anerkennung über meine Zauberkünste in ihren Blicken mitschwingen, als sie mich genauer befragten.
So war eine große Last von mir abgefallen und ich konnte die Ferien so richtig genießen.
Bald ging die Schule wieder weiter und die Wochen vergingen ohne weitere Vorkommnisse.
Nun ja, zumindest bis Sirius Black erneut auftauchte.
Dieses Mal kam er bis in die Schlafsäle der Gryffindors, wo er sich aber, nachdem einer der Schüler aufgewacht hatte, schnellstens wieder aus dem Staub gemacht hatte.
Die Sicherheitsvorkehrungen waren verstärkt worden, Trolle standen überall herum und bewachten Geheimgänge zu Gemeinschaftsräume.
Es wurde wieder wärmer in Hogwarts. Der April kam und ich verbrachte gerade meine Zeit mit den Unmengen an Hausaufgaben, da spazierte Draco mit einem Grinsen, das nichts Gutes heißen konnte, herein.
„Was ist denn passiert?", fragte Ria, der das anscheinend auch aufgefallen war.
Draco reckte das Kinn und ließ sich auf dem selben Tisch wie Lewis und ich nieder.
„Könnt ihr euch noch an den Hippogreif erinnern, der mich angefallen hat?", stellte er eine rhetorische Frage.
„Wie könnten wir das vergessen!", sagte Ria und beugte sich gespannt vor.
Ich widmete mich wieder meinen Aufgaben, hörte aber mit halbem Ohr zu.
„Er wird verurteilt werden! Vater hat alles arrangiert, schließlich war mein Arm ja monatelang nutzlos."
Ich verkniff mir ein Schnauben.
„Verurteilt? Zu was denn?", fragte Ria.
„Hinrichtung. Zumindest hoffe ich das!"
Ich sah entsetzt auf.
„Hinrichtung? Wegen einer lächerlichen Verletzung, an der du selbst schuld warst?"
Draco schien es gar nicht zu gefallen, dass ich ihm widersprach.
„Er hat es verdient", sagte er, jetzt fast trotzig wie ein kleines Kind. Dann drehte er sich zu seiner um einiges dankbareren Zuhörerin, Ria. „Ich kann es kaum erwarten!"
Doch ich war noch nicht fertig mit ihm.
„Wieso gefällt dir das so? Hinrichtungen sind etwas grausames und vollkommen unnötiges, und du sorgst dafür, dass eine stattfindet?"
Ich dachte an den Hippogreif, dieses stolze, starke Wesen.
„Das ist erbärmlich!"
„Tut das Gesicht noch weh?", erkundete sich plötzlich Lewis. Draco runzelte die Stirn.
„Ich habe gesehen, wie Hermione Granger dich vermöbelt hat."
Ich musste bei der Vorstellung lachen. Granger, das Mädchen mit den buschigen Haaren und Draco, wie er angsterfüllt zusammengeschlagen wurde.
„Ich konnte mir nicht gegen sie wehren, sie ist ein Mädchen!", verteidigte er sich und wurde leicht rot.
„Was hat das denn bitte damit zu tun?", fragte ich empört. Die Feministin in mir konnte solche Anspielungen nicht ausstehen.
Von zwei Seiten mit Vorwürfen bombardiert zu werden, schien zu viel zu sein für den armen Draco. Er stand abrupt auf und verschwand mit Ria im Schlepptau.
„Ich gehe raus", meinte ich und sah Lewis an. „Kommst du mit?"
Lewis lächelte gequält.
„Ich würde gern, aber ich habe die Übersetzung für Alte Runen noch nicht."
„Okay."
Ich stand auf und machte mich auf den Weg.
Draußen war es schon wunderbar warm. Ich ließ die Sonne auf mein Gesicht scheinen, während ich am See entlang spazierte. Ich erklomm einen Fels, der über das Wasser reichte und ließ mich auf dessen Kante nieder.
Ich hing meinen üblichen, verworrenen Gedanken nach. Über Sirius Black. Wie war er hereingekommen? Und warum war er abgehauen nachdem einer der Schüler geschrien hatte? Wusste Harry Potter eigentlich schon davon, wie Black mit ihm verbunden war? Viel zu viele Fragen, auf die ich keine Antwort hatte. Und ich hasste es aus tiefster Seele, etwas nicht zu wissen.
Auf einmal sah ich einen Schatten unter dem Wasser. Nur für ganz kurz, aber ich war mir sicher, dass ich mich nicht getäuscht hatte.
Was mochte das gewesen sein?
In der Hoffnung, dass er noch einmal auftauchte, lehnte ich mich nach vorn.
Zu spät hörte ich die Schritte hinter mir.
Ich spürte zwei Hände auf meinem Rücken, die mich von ihnen weg stießen. Einen Moment lang schwebte ich auf der Kante, dann fiel ich. Schnell drehte ich mich um die eigen Achse und konnte einen Blick auf einen großen Jungen erhaschen, dessen Umhang das Gryffindor-Wappen trug.
Ich befand mich für eine Sekunde im Freien Fall, dann traf ich auf das Wasser.
Es war eisig kalt. Mein Gehirn schien für einen Wimpernschlag auszusetzen und ich schnappte nach Luft. Dann schlugen die Wassermassen über meinem Kopf zusammen. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte verzweifelt, meinen Verstand wieder benutzen zu können. Doch es war, als hätte die Kälte ihn gelähmt.
Schwach paddelte ich in die Richtung, die ich als oben vermutete, doch ich wollte nicht ankommen. Schließlich zwang ich mich, die Augen aufzumachen.
Trotz Algen und anderen Sachen, von denen ich nicht wissen wollte, was sie waren, konnte ich das Licht direkt über mir sehen. Wieder voller Energie hielt ich darauf zu.
Doch gerade als ich die Wasseroberfläche durchbrach, packte mich etwas am Bein. Etwas kleines, schleimiges.
Ich schaffte es gerade noch, kurz Luft zu holen, dann wurde ich nach unten gezogen. Wieder unter Wasser versuchte ich zu erkennen, was mich da herunter zog. Dann sah ich lange, blassgrüne Finger, die sich um mein Bein schlossen und zu einem Wasserdämon mit spitzen Zähnen und Hörnern gehörten.
Ein Grindeloh.
Wir hatten ihn gerade erst bei Professor Lupin durch genommen, wie verteidigte man sich noch gleich? Ach ja, die Finger. Sie waren sehr zerbrechlich.
Ich tastete mich an meinem Bein hinab, bis ich das Wesen spürte. Dann, ohne jegliches Mitleid, drückte ich zu.
Der Grindeloh gab mich fast augenblicklich frei.
Mein Blick wanderte Angesichts des wachsendem unangenehmen Gefühl in meinen Lungen panisch umher. Wo war oben? Ich sah kein Licht, kein gar nichts an dem ich mich hätte orientieren können.
Meine Lungen brannten und ich verhinderte den Atemreflex durch heftiges Schlucken. Luft!
Schwarze Flecken tauchten in meinem Sichtfeld auf und dann sah ich gar nichts mehr.
Es hatte keinen Sinn. Mein Körper besiegte meinen Verstand und meine Lungen füllten sich, als ich einatmete. Nur füllten sie sich nicht mit Wasser. Sie füllten sich mit Luft!
DU LIEST GERADE
A Slytherin's Story
FanfictionLia Greengrass hat sich ihr Leben lang schon auf den Moment gefreut, wo sie endlich nach Hogwarts kommen und Zauberei lernen würde. Doch als der Sprechende Hut sie in das ihrer Ansicht nach wunderbare Haus Slytherin schickt, muss sie feststellen, da...