Lupins Geheimnis

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Über all das geschah es also, dass ich den Trank vollkommen vergaß. 

Erst Ende November, als ich mich daran machte, meine Tasche auszumisten,  fand ich es. Ein kleines, staubiges Röhrchen mit einer winzigen Menge Zaubertrank. Ich erinnerte mich sofort daran. Wie hatte ich es bloß vergessen können?

Da Wochenende war und ich sowieso nichts zu tun hatte, begab ich mich in die so gut wie ausgestorbene Bibliothek.

Ich schlich in die Zaubertränke-Abteilung und suchte die Buchrücken nach viel versprechenden Titeln ab. Doch nichts. Gab es keine Möglichkeit, einen Trank zu identifizieren?

Ich gelangte an das Ende des Abteils und kam zu den Büchern über Muggel. Mein Blick fiel auf ein Buch mit dem Titel: „Chemie leicht gemacht."

Ich wusste, dass Chemie etwas von Muggeln war, was in gewisser Weise dem Tränkebrauen ähnelte und zog es heraus. Ich überflog eilig die Seiten und hielt bei einer viel versprechenden Überschrift inne.

„Trennungsverfahren", murmelte ich. Das klang gut. Ich las mir den Absatz durch. „Destilieren, sieben... Eigenschaften."

Als ich fertig war, legte ich es zurück und holte mir stattdessen „Magische Zaubertrankzutaten und ihre Eigenschaften". Ich hatte eine Idee.


Ich fand ein leeres Klassenzimmer, baute mir dort einen Kessel auf und fing an, zu experimentieren.

Zuerst erhitze ich alles, um das Wasser herauszubekommen. Zurück blieb ein dunkler Haufen, vom dem ich vermutete, dass zerstoßene Kräuter waren.

Es dauerte fast den ganzen Tag, diese Kräuter zu trennen. Es war nicht nur einmal passiert, dass ich Angst bekommen hatte, die kleine Menge, die ich entwendet hatte, könne zerstört worden sein. Doch es war mir gelungen.

Mithilfe des Buches schaffte ich es, fast alle Kräuter zu benennen. Der Hauptbestandteil war jedenfalls ganz ohne Zweifel Wolfswurz.

„Also, was haben wir", murmelte ich zu mir selbst und zückte eine Feder.

„Miss Greengrass?", hörte ich hinter mir eine strenge Stimme.

Ich fuhr zusammen und drehte mich vorsichtig um. Lewis! Ich funkelte ihn böse an, doch er grinste mich so nett an, und vor allem war ich so aufgeregt, dass ich es ihm sofort wieder verzieh.

„Schau, was ich herausgefunden habe."

„Was ist das?", fragte er skeptisch und musterte meinen Arbeitsplatz.

„Der Trank. Du weißt schon, der, den Snape für Lupin gemacht hat!", sagte ich hastig. „Ich habe ihn in seine Bestandteile zerlegt. Er besteht aus Wasser, Wolfswurz, ein bisschen Einhorn-Horn und Mondstein und natürlich noch Spurenelemente von anderen Zutaten, aber das sind die wichtigsten. Außerdem wissen wir, dass dem Trank kein Zucker beigefügt werden darf!

Lewis starrte mich wie vom Donner gerührt an.

„Ist dir irgendwie langweilig?"

Ich winkte ungeduldig ab.

„Komm, gehen wir in die Bücherei, dort können wir weiter machen."

Vollkommen Feuer und Flamme zischte ich wieder los und öffnete die Tür zur Bibliothek. Das ausgeliehene Buch legte ich auf den Tresen und begab mich wieder in die Abteilung in der ich mir auch vorhin schon aufgehalten hatte.

„Komm schon, Lewis! Such nach einem Zaubertrank mit den von mir gesagte Zutaten. Los!"


Es dauerte ewig. Am Anfang war ich noch voller Aufregung dabei, aber irgendwann wurde ich müde und hungrig und hatte keine Lust mehr. Aber ich wollte nicht aufgeben, bis ich es hatte.

Endlich, nach viel zu langer Zeit schrie Lewis auf.

„Ich habe ihn!"

Ich sprang sofort auf, alle Lebensgeister waren wieder da.

„Zeig!", befahl ich und zog das Buch zu mir her. Ich las gar nicht, was für ein Trank es war, sondern kümmerte mich nur um die Zutaten.

„Zerstoßenes Einhorn-Horn... fein geriebener Wolfswurz... kein Zucker hinzuzufügen... das muss es sein!", frohlockte ich. „Der ist ganz schön kompliziert..."

Mein Blick wanderte die über vier Seiten gehende Anleitung entlang bis ich bei dem Namen angelangt war. Als ich ihn sah, hielt ich inne und starrte entsetzt darauf.

„Was?", flüsterte ich.

„Was?", fragte Lewis.

Ich ignorierte ihn. Das konnte doch nicht sein. Nein.

Ich stürmte zu den Astronomie-Büchern.

„Mondkalender...Mondkalender...Mondkalender", murmelte ich wie eine Beschwörung vor mir hin.

Dann hatte ich das gewünschte Buch „Mondkalender von 1180 bis 2000".

Ich suchte nach dem jetzigen Jahr und fuhr mit meinem Finger an den Tag, an dem Snape uns den Trank gegeben hatte.

„Oh, nein."

„Was ist denn?", fragte Lewis unbeschwert.

„Der Trank. Es war ein Wolfsbanntrank."

„Was ist das?"

„Wenn ein Werwolf diesen Trank einnimmt, wird er vollkommen ungefährlich."

Ich sah ihn genau an. Verstand er endlich. Da, seine Augen weiteten sich.

„Also...?"

„Ja", murmelte ich und sah mich verstohlen um. „Professor Lupin ist ein Werwolf."


Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Einerseits kannte ich Professor Lupin. Er war ein fantastischer Lehrer, er war nett und intelligent. Aber das wollte in meinem Kopf nicht damit zusammen passen, dass er ein Werwolf war.

Ich setzte mich hin. Warum eigentlich nicht? Ich musste es logisch angehen. Lupin war keine Gefahr. Dafür hatte ja Professor Snape gesorgt. Außerdem konnte er ja nichts dafür. Es wäre unsinnig, jemandem jede Chance auf ein normales Leben zu nehmen, bloß weil ihm etwas schreckliches widerfahren war. Sicher wussten auch schon die Lehrer und Dumbledore davon. 

Ich richtete mich auf und sah Lewis entschlossen an.

„Also?", fragte er. „Was machen wir?"

„Nichts", sagte ich mit fester Stimme. „Es spielt keine Rolle, ob er jetzt ein Werwolf ist oder nicht. Er ist immer noch der selbe Lupin, der beste Lehrer, den wir je hatten. Wir werden es niemandem erzählt, dazu haben zu viele Leute Vorurteile. Wir belassen es einfach dabei, einverstanden?"

Lewis lächelte.

„Ich bin froh, dass du so denkst. Ich tue es nämlich auch."

Ich atmete auf. Das würde unser Geheimnis sein. Ein Geheimnis, dass für mich auch fast wie eine Auszeichnung war. Eine Auszeichnung, das richtige getan zu haben. Zumindest glaubte ich, das richtige getan zu haben.

A Slytherin's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt