Der Sprechende Hut

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Den Rest der Fahrt war ich allein. Es kamen zwar immer wieder Schüler vorbei, aber keiner betrat mein Abteil. Ich begann meine Schulbücher durchzulesen und probierte ein paar Zauber aus. Die meisten Sprüche endeten erfolglos, aber es gab ein oder zwei, die mir ganz gut gelangen.

Als ich dann das lang erhoffte Geräusch eines bremsenden Zuges hörte, sprang ich sofort auf und blickte aus dem Fenster. Zu meiner Enttäuschung konnte man rein gar nichts erkennen. Es war finster und es regnete, die einzigen Lichtquellen waren ein paar klägliche Laternen. Aber trotzdem. Ich war auf dem Weg nach Hogwarts!

Da ich schon wusste, dass wir die Koffer nicht selbst hinaufbringen mussten, ließ ich mein Gepäck an Ort und Stelle und bahnte mir einen Weg durch den schwarzen Haufen von Hogwartsschülern. Etwas verloren stand ich so auf dem Bahnhof, bis ich eine Stimme hörte.

„Erstlässler hier rüber!"

Ich wandte mich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Vor mir stand ein Riese. Ein Mann, wenn man ihn so nennen konnte, mit einer Körpergröße von mindestens 3 Meter und einem fast eben so großen Durchmesser. Er war über und über mit Haaren bedeckt und trug seltsame Kleidung.

Dann schüttelte ich den Kopf und richtete mich gerade. Dieser Mann war eben ein bisschen groß. Na und? Man sollte die Leute nie nach dem Aussehen beurteilen.

Zügig schritt ich auf ihn zu. Er schien gerade mit einem der anderen Schüler zu sprechen, einem Dunkelhaarigen mit runder Brille. Er blickte auf und sah sich prüfend um.

„Erstklässler mir nach!", rief der haarige Riese. Er führt uns weg von den anderen Schülern. Wir alle folgten ihm schweigend auf einen schmalen und dunklen Pfad. Es war still, jeder hoffte hinter der nächsten Biegung die Schule zu erblicken. Doch alles, was man sah, war dunkelster Wald.

„Gleich seht ihr zum ersten Mal in eurem Leben Hogwarts!"

Sofort wurde ich hellhörig. Zwar kannte ich das Schloss von Bildern, hatte es aber noch nie real gesehen. Die Gruppe bog ab und vor uns lag es. Imposant und wunderschön ragten die vielen Türme und Mauern über uns herauf, die tausenden Fenster spiegelten sich im See vor uns. Ich konnte mir gerade noch ein Seufzen verkneifen. Es war unglaublich.

Nach ein paar Sekunden bemerkte ich, dass mein Mund offen stand. Schnell schloss ich ihn wieder und ging dem Riesen nach, der sich mittlerweile wieder in Bewegung gesetzt hatte.

Wir folgten ihm ans Ufer und stiegen in die dort schon wartenden Boote. Ich saß ungeduldig darin, konnte es einfach nicht erwarten endlich Hogwarts von innen zu sehen. Meine Eltern hatten mir zwar davon erzählt, doch wie schon die Außenansicht des Schlosses bewiesen hatte, konnten ihre Worte nichts von all dem beschreiben.

Die Boote durchquerten einen unterirdischen Tunnel, der in einer kalten Höhle endete. Schnell stiegen alle aus, keiner wollte sich noch länger gedulden.

Wir wurden eine lange Steintreppe hoch geführt. Mit jedem Schritt wuchs meine Aufregung. Welches Haus würde es werden? Welche dieser Leute würden meine Klassenkollegen werden?

Der Riese, von dem ich inzwischen herausgefunden hatte, dass er Hagrid hieß, klopfte an einem Eichenportal. Prompt wurde die Tür von einer etwas älteren Hexe mit smaragdgrünem Umhang geöffnet.

„Die Erstklässler, Professor McGonagall", sagte Hagrid.

McGonagall. Lehrerin für Verwandlung und Hauslehrerin von Gryffindor. Ich hatte schon von ihr gehört. Sie nickte Hagrid zu und führte uns durch die Eingangshalle in eine kleine Kammer. Auf dem Weg sah ich mich staunend um. Es war atemberaubend. Vom Boden über die Statuen bis zu der Decke konnte ich mich gar nicht satt sehen. Mein Herz machte einen Hüpfer. Endlich in Hogwarts! Ich hatte es mir genau so vorgestellt. Genau so riesig und geheimnisvoll. 

Am Rande bekam ich mit, dass Professor McGonagall eine Willkommensrede vortrug. Sie redete über die Einteilung, das Punktesystem und natürlich über die Häuser. Es entging mir nicht, dass sie alle Häuser neutral aufzählte – nur bei Slytherin hatte ihre Stimme einen leicht abwertenden Beigeschmack. Vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet.

Sie ließ uns allein und sofort brach ein Stimmengewirr aus. Die Muggelgeborenen stellten Theorien auf, wie die Einteilung stattfinden würden, während die Reinblüter andere aufklärten. Eine große Unruhe entstand, als plötzlich die Hogwartsgeister hereinkamen. Doch sobald Professor McGonagall zurückkam kehrte fast augenblicklich Stille ein.

„Die Einführungsfeier beginnt."

Alle folgten ihr stumm in die Große Halle. Wenn man schon die Eingangshalle beeindruckend gefunden hatte, war dieser Ort nicht in Worte zu fassen. Riesengroß, mit tausenden Kerzen in der Luft schwebend, vier lange Tische voller Schüler und -  die Decke. Sie war einfach atemberaubend. Das besondere an ihr war nämlich, dass es so aussah, als wäre da keine. Sie zeigte genau den selben Himmel, den man draußen erblicken konnte.

Mein Blick wanderte zum Sprechenden Hut, der uns alle nun in die Häuser schicken würde, in die wir am besten passten. Er war alt und zerschlissen. Mit Ehrfurcht dachte ich daran, wie viele große Zauberer ihn wohl schon aufgehabt hatten. 

Plötzlich öffnete sich eine der zahlreichen Falten und er fing an zu singen. Er erzählte von den Gründern und ihren Eigenschaften, die gleichzeitig auch die Häuser repräsentierten. Obwohl es kein schlechtes Lied war, ganz im Gegenteil, konnte ich sein Ende nicht erwarten. Ich wollte endlich eingeteilt werden!

Endlich trat McGonagall vor und rollt eine Liste auf. Nach einer spannenden Pause las sie den ersten Namen vor.

„Abbott, Hannah!"

Die blöde Kuh aus meinem Zugabteil stolperte vorwärts. Im Stillen nahm ich mir vor, voller Würde zum Hut zu gehen, mit aufrechter Haltung und selbstbewussten Blick, nicht so wie sie.

Der Wunsch von Hannah ging in Erfüllung, sie kam nach Hufflepuff. Zahlreiche Schüler wurden noch aufgerufen, bis ich endlich nach Hermione Granger, einer Gryffindor, an die Reihe kam.

„Aurelia Greengrass!"

Ich trat vor und nahm den Hut. Kerzengerade setzte ich mich hin und ließ ihn auf meinen Kopf sinken. Er rutschte mir über die Augen und alles wurde schwarz. Ich zuckte leicht zusammen, als ich eine leise Stimme an meinem Ohr hörte.

„Ah, was haben wir hier? Ich sehe ein gutes Herz, aber auch viel Stolz. Klug, das ist nicht zu bestreiten. Auch eine gewisse Tapferkeit haben wir und Ehrgeiz, groß zu werden. Wohin mit dir?"

Wollte er, dass ich ihm antwortete? Er sollte doch entscheiden, nicht ich. Mir war jedes Haus recht. Er würde am besten wissen, was gut für mich war. Dazu gab es ihn ja. 

„Ich soll selbst entscheiden, soso. Na, wenn das so ist, dann weiß ich wohin ich dich gebe."

In mir krampfte sich alles zusammen. Ich schloss meine Augen. Jetzt war der Moment, der Moment, der alles entscheiden würde. Gleich würde er mein Haus in die ganze Halle hinausrufen. Gleich...

„SLYTHERIN!"

A Slytherin's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt