Ein weiterer Angriff

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Die Stunde von Verteidigung gegen die Dunklen Künste war ein Reinfall. Gilderoy Lockhart, dieser grauenhafte Angeber, war nämlich unser Lehrer. Wenn er uns wenigstens etwas beibringen würde, dann schön und gut, aber wenn er unterrichtete, hatte man das Gefühl, er hätte keine Ahnung.

Ich fadisierte mich unendlich, während er uns davon erzählte, wie er, ach so heldenhaft, einen Werwolf bezwungen hatte. Die meisten Mädchen aus der Klasse hingen ihm an den Lippen und schmachteten ihn an.

Oberflächlich, das war alles, was ich dazu sagen konnte.

Als die Qual endlich vorbei war und ich den Raum verlassen konnte, wurde ich dort schon von einem missmutigen Slytherin-Jungen erwartet, der mir ein zugebundenes Pergament überreichte.

„Von McGonagall", sagte er knapp und ging davon.

„Das ging ja schnell", murmelte ich und las den Text.

Miss Greengrass,

Ihre Strafarbeit wird nach Weihachten am Samstag in der Bibliothek stattfinden, wo Sie bei der Schriftführung des Buchverleihs unserer Bibliothekarin zur Seite stehen sollen.

Kommen Sie um drei Uhr nachmittags.

Mit freundlichen Grüßen,

Minerva McGonagall

Ich knüllte das Pergament zusammen und warf es in die nächstbeste Ecke.

„Was war das?", fragte Lewis, der mich erst jetzt bemerkt hatte.

„Nachricht von McGonagall", sagte ich kurz angebunden. Lewis verdrehte die Augen und holte die Schriftrolle und las sie leise.

„Strafarbeit?", fragte er ungläubig. „Warum denn das?"

Ich seufzte, erzählte es ihm dann aber. Als ich endete, tat Lewis etwas, was ich überhaupt nicht erwartet hätte. Er lachte. Er lachte und lachte und lachte, solange, bis er keine Luft mehr bekam und sich vollkommen außer Atem an die nächstbeste Wand lehnen musste.

Ich währenddessen sah ihn kritisch von der Seite an und wartete, dass er sich wieder beruhigte.

„Geht es wieder?", fragte ich. Lewis nickte. „Was war denn so lustig?"

„Du! Jemand sagt was gegen dein Haus und du...., du..., du klebst ihm die Beine zusammen?"

Er brach wieder in schallendes Gelächter aus und ich verdrehte die Augen. Ich fand das gar nicht so witzig.

„Um was geht's?", mischte sich plötzlich meine kleine Schwester ein. „Man hört euch ja bis zum Verbotenen Wald hin kichern!"

Etwas sauer wiederholte ich erneut meine Geschichte. Ria fand das allerdings alles andere als lustig. Sie wurde ungewöhnlich still.

„Und du musst jetzt Strafarbeit leisten?", fragte sie mit vor Zorn bebender Stimme.

Ich nickte.

„Was fällt denen eigentlich ein?"

„Was fällt wem ein?", ertönte eine weitere bekannte Stimme. Ich stöhnte. Draco. Bald schon war ganz Slytherin um mich herum versammelt.

Ria erzählte das Geschehen für mich und Draco reagierte genau wie ich es mir gedacht hatte.

„Coole Aktion!", meinte er anerkennend. „Gut, dass du diese Gryffindor in die Schranken gewiesen hast. Und dass Professor McGonagall dir Nachsitzen geben würde, war ja nicht zu vermeiden. Die hält ja immer zu ihrem Haus!"

„Ja, ja", murmelte ich unwohl. Ich wollte einfach nur noch weg von hier. Ja, ich fand es auch nicht gerecht, aber dass das sofort so eskalierte, das wollte ich nicht.

Immerhin musste ich das erst nach Weihnachten erledigen. Ein schwacher Trost, aber besser, als ob ich es jetzt tun musste.



Nur wenige Wochen später kam der nächste Angriff.

Niemand hatte etwas gesehen, doch nur einen Tag danach wusste jeder einzige Schüler Bescheid.

Es war noch schlimmer als letztes Mal. Da war es nur eine Katze gewesen. Jetzt ein Schüler, ein Erstklässler aus Gryffindor.

Angst machte sich in der Schule breit. Die meisten Muggelgeborenen liefen nur noch in großen Gruppen herum und auch alle anderen waren nervös.

Da wurde allgemein Erleichterung breit, als ein Aushang am Schwarzen Brett auftauchte, der verkündete, dass ein Duellierclub gegründet werden sollte. Eine Möglichkeit, zu lernen sich zu verteidigen!

Zuerst war ich interessiert und hatte die feste Absicht, dort hin zu gehen, was ich auch getan hätte, wäre nicht Lewis mit der Nachricht gekommen, wer den Duellierclub leiten würde.

„Hey, Lia, weißt du schon, wer den Duellierclub in die Gänge geleitet hat?"

Ich verneinte.

„Niemand anders als Gilderoy Lockhart!"

Ich sprang von meinem gemütlichen Sitzplatz auf.

„Was? Der?!"

Lewis nickte heftig.

„Ich habe gehört, wie er damit im Lehrerzimmer geprahlt hatte, wie genial seine Idee doch gewesen sei und dass er noch einen Assistenten brauchen würde."

„Na, toll."

Ich seufzte und ließ mich auf ein Sofa fallen.

Es war für uns beide klar, dass wir nicht hingehen würden. Aber damit waren wir die einzigen. Am Abend war der Gemeinschaftsraum wie leer gefegt, jeder einzelne war zum Duellierclub gegangen – jeder außer Lewis und mir.

Aber das war mir nur recht. Ein Abend mit meinem besten Freund, einem bequemen Sofa und einem Kaminfeuer; was konnte es besseres geben?

Als endlich alle weg waren, fläzte ich mir auf das Ledersofa am Kamin und schloss die Augen. Es war schon lang nicht mehr so still gewesen. Ich hörte, wie Lewis sich gegenüber von mir setzte und wir schwiegen einige Minuten lang.

„Lewis?", fragte ich schließlich, einer plötzlichen Eingebung folgend.

„Mh?"

Ich sah ihn mit halb offenen Augen an und sagte: „Ich hatte in letzter Zeit oft das Gefühl, etwas vergessen zu haben, etwas wichtiges."

Lewis setzte sich ruckartig auf.

„Du auch?"

Ich nickte erleichtert. Ich war nicht die einzige!

„Aber ich weiß nicht, was es ist", sagte er bedauernd.

„Oh", machte ich und ließ mich wieder zurück sacken.

Wir sagten den ganzen Abend lang nichts mehr, sondern gingen nur unseren eigenen Gedanken nach. Von Lewis konnte ich es nicht sagen, aber bei mir war es ein einziges Chaos.

Gedankenfetzen flogen durch meine Gehirn und manchmal hatte ich das Gefühl, ich hätte etwas gefunden, versuchte es festzuhalten, doch es entschlüpfte mir wieder. Das einzige, was durchkam, war ein mir schon bekanntes Wort.

Voldemort

Warum? Warum?! Das selbe hatte ich auch schon bei dem Tagebuch in der Winkelgasse gespürt.

Irgendwann gab ich schließlich frustriert auf. Das machte doch keinen Sinn! 

A Slytherin's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt