Die Tage wurden immer länger, die Prüfungen rückten näher. Ich besuchte Silver regelmäßig, doch trotz Lewis Anspielungen konnte ich mich nicht dazu überwinden, Silver zu gestehen, was ich empfand. Vielleicht war ich doch einfach nur feige.
Die Prüfungen selbst waren nicht schwer, obwohl ich einiges für sie lernen musste. Ria wirkte um einiges entspannter und gesunder, jetzt, wo der Stress sie nicht mehr so belastete.
Ein einem besonders warmen Sommertag war es immer eine willkommene Abwechslung, in das kühle Nass des Sees zu tauchen. Viki und Nelly drängten mich wie jedes Mal, ihnen davon zu erzählen, wie es jetzt zwischen mir und Silver stand und ich blockte jedes Mal ab.
„Es hat sich nichts verändert", sagte ich und verdrehte die Augen. Nelly verzog enttäuscht das Gesicht, dann stimmten die beiden Schwestern wieder ihren mysteriösen Gesang an.
Ein paar Minuten später lag ich auf den Felsen am Meer und wärmte mich mit geschlossenen Augen in der Sonne.
Ich hörte Silvers leichtfüßigen Schritte erst als sich ein langer Schatten über mich legte. Ich öffnete ein Auge und blickte in das vertraute, wunderschöne Gesicht.
„Wie geht's?", fragte er und setzte sich neben mir auf den Boden. Aus seiner Tasche kramte er einen seltsamen Apparat, auf den mein Blick gerichtet war, als ich antwortete. „Fabelhaft. Was ist das?"
„Damit kann man Musik hören", erklärte er und reichte mir ein seltsames, rundes Teil. „Muggelmusik."
Ich nahm im das Ding entgegen. Silver zeigte mir mit einem schiefen Grinsen, wie man das Teil aufsetzte.
„Das sind Kopfhörer", sagte er grinsend. „Ehrlich, was bringen sie euch bei in Muggelkunde?"
Und plötzlich erklang Musik. Schöne Musik. Ein paar Männer sangen, von den Instrumenten konnte ich eine Gitarre erkennen.
„Die Beatles", meinte Silver auf meinen fragenden Blick hin. Mein Gesicht erhellte sich.
„Von denen habe ich sogar schon gehört!"
Silver lächelte, schloss die Augen, und begann mitzusummen. Etwas schief, aber das machte mir nichts aus.
„Sing mit!", forderte er mich auf.
„Oh nein", sagte ich lachend, „ich kann nicht singen!"
„Jeder kann singen."
„Ich nicht. In unserer Familie wurde nie viel Musik gemacht."
„Komm schon!"
Ich seufzte, stieg dann aber beim Refrain ein. Es klang grauenhaft. Silver versuchte krampfhaft, sich ein Lachen zu verkneifen.
„Hey!", rief ich empört. „Ich habe dich ja gewarnt. Und bei dir kling es auch nicht gerade schön."
Silver machte sich keine Mühe mehr, sein Lachen zu verbergen und und lachte aus vollem Halse.
„Solange uns niemand hört und für Betrunkene hält."
Sein offenes Lachen war so ansteckend, dass auch ich anfing zu kichern.
„Das ist Kunst! Mehrstimmig singen", widersprach ich. Eine Gänsehaut hatte sich auf meinem Arm gebildet, wie so oft, wenn ich mit Silver etwas unternahm.
„Ich hatte schon Angst, es gäbe gar nichts, was du nicht kannst!", sagte Silver grinsend.
Empört öffnete ich den Mund.
„Wieso denken das immer alle?"
Silvers Lächeln verebbte etwas, doch das Leuchten in seinen Augen verstärkte sich.
„Keine Ahnung", murmelte er, ohne den Blick von mir abzuwenden.
Ich zog die Augenbrauen kurz zusammen, verlor mich dann aber für ein paar Sekunden so in Silvers Augen, dass ich alles andere vergaß. Dann merkte ich, dass ich wahrscheinlich wie belämmert vor mich hin stierte. Schnell blinzelte ich und ließ mich zurück fallen, so dass ich ihn den Himmel sah. Silver lehnte sich langsam neben mir runter und legte zögerlich seinen Arm über meine Schultern. Ich lächelte mit geschlossenen Augen und atmete entspannt aus. Er roch ein wenig nach Salz und nach Heu. Vermutlich hatte er gerade im Stall geholfen.
Wir lagen einfach nur da, sahen so lange in die Wolken, dass es sich so anfühlte, als würden nicht sie, sondern wir uns bewegen. Irgendwann schlief ich ein, und als ich erwachte, war es schon dunkel geworden. Es war noch warm, wie es sich für einen Sommertag gehörte, doch der Himmel war wolkenverhangen und es sah nach Regen aus.
Vorsichtig hob ich den Kopf. Silver schlief noch. Seine Züge waren entspannt, von der Seite waren seine Wangenknochen und Wimpern gut zu erkennen. Er sah so friedlich aus, das es mir wie ein Verbrechen vorgekommen wäre, ihn zu wecken.
Ich stützte mich auf einen Arm und legte unbewusste den Kopf leicht schief, während ich seinen regelmäßigen Atemzügen lauschte. Das Verlangen, im noch näher zu sein, war so stark, dass ich es kaum noch aushielt.
„Ich habe mich in dich verliebt", flüsterte ich und biss mir sogleich auf die Lippe. Doch es kam keine Reaktion und... es tat gut. Es klang richtig.
„Ich liebe dich."
Ich atmete aus und lachte leise. Zum ersten Mal hatte ich es richtig ausgesprochen.
Ich zog die Beine an und beugte mich über Silvers Gesicht. Eine rote Locken glitt mir über die Schulter und meine Nase war nur noch ein paar Zentimeter von der seinen entfernt.
Plötzlich öffneten sich die silbernen Augen vor mir und starrten mich überrascht an.
„Lia?", murmelte er und sein Blick huschte überrumpelt über mein Gesicht.
Kurz blickte ich einfach nur erschrocken hin. Dann übernahm mein Gehirn wieder die Führung. Und es sagte nur eines. Renn.
Ich sprang auf und wirbelte herum. Ich konnte hören, wie Silver sich aufrichtete, doch dann war ich schon beim Wasser angekommen.
„Lia! Wa-"
Mit einem schnellen Kopfsprung tauchte ich ein. Das kalte Wasser belebte meinen logisch denkenden Gehirnteil vollkommen und ich wollte mich selbst schlagen dafür, was ich getan hatte.
Jetzt wusste er, was ich empfand. Jetzt wusste er es und nichts würde mehr sein wie früher. Verdammt, warum war ich so unendlich bescheuert? Ich hatte zweifellos alles ruiniert, nur, weil ich meine Emotionen nicht unter Kontrolle halten konnte.
Ich schwamm noch schneller, als könnte ich so vor meinem Schamgefühl fliehen, doch das einzige, was weniger wurde, waren meine Luftreserven.
Endlich tauchte das rettende Portal auf, ich schwamm hinein und das vertraute Gefühl setzte sofort ein. Ich wurde herum geschleudert und um meine eigenen Achse gedreht. Ich war froh über die Ablenkung. Dann hörte der Sog auf und mit immer noch geschlossenen Augen fühlte ich eine Alge auf meine Wange. Ich spürte, das der Wassermenschenzauber seine Wirkung tat und holte tief Luft. Dann öffnete ich die Augen.
Und starrte direkt in das vor Wut verzerrte Gesicht eines Wassermannes.
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A Slytherin's Story
FanfictionLia Greengrass hat sich ihr Leben lang schon auf den Moment gefreut, wo sie endlich nach Hogwarts kommen und Zauberei lernen würde. Doch als der Sprechende Hut sie in das ihrer Ansicht nach wunderbare Haus Slytherin schickt, muss sie feststellen, da...