Sommerferien

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Mein zweites Schuljahr in Hogwarts wandte sich so noch zum Guten. Alle Opfer des Schreckens wurden geheilt und die Prüfungen waren abgesagt worden. Natürlich gab es auch manche, denen eine von diesem Wendungen nicht gefiel, Draco Malfoy zum Beispiel. Noch dazu war sein Vater aus dem Schulrat gefeuert worden, was ihm meiner Meinung aber auch nur Recht geschah. Wie hatte man bloß auf die blöde Idee kommen können, Dumbledore zu suspendieren?

Gryffindor gewann zum zweiten Mal in Folge den Hauspokal, doch jetzt war es zumindest halbwegs gerecht zugegangen.

Von meinen meisten Mitschülern fiel mir der Abschied nicht sehr schwer, allerdings von Lewis. Am Bahnsteig 9 ¾ machten wir uns noch aus, dass er mich im Sommer besuchen kommen würde. Mum und Dad betonten, dass er jederzeit kommen könne, was er auch tat.

Gerade, als die Ferien schon so lang waren, dass ich anfing, Langweile zu verspüren, stand er plötzlich vor der Tür. Er hatte sich in den paar Wochen verändert. Er war etwas größer geworden. In der ersten Klasse war ich noch größer gewesen, jetzt überragte er mich um einige Zentimeter. Er hatte seine Locken geschnitten, worüber ich mir zwar vornahm, kein Wort zu sagen, es mir aber nicht wirklich gefiel. Er sah älter aus.

Doch sobald er mich ansah, war er wieder ganz der Alte.

Ich umarmte ihm heftig, doch er starrte bloß hinter mich.

„Bitte sag mir, dass das hier euer Haus ist."

„Okay..., das ist unser Haus!"

Lewis gluckste, grinste breit und drehte sich rundherum.

„Oh, Mann! Wie genial!"

Ich lächelte etwas überrascht. So eine Reaktion hatte ich noch nie bei jemanden erlebt, der unser Haus zum ersten Mal sah. Die Meisten nahmen es als ganz selbstverständlich, dass wir ein kleines Schloss besaßen, so wie ich. Allerdings musste man auch anmerkten, dass die meisten, die kamen, irgendwelche hohe Tiere im Ministerium waren und an so etwas wahrscheinlich gewöhnt waren.

Ich verstand seine Reaktion aber trotzdem nicht wirklich. Schließlich gingen wir in Hogwarts zur Schule und das war mindestens zwanzig mal so groß.

Nur mit Mühe schaffte ich es, Lewis von unseren Ländereien wegzuziehen und ihn in den Gästetrakt zu verfrachten. Dort hatte ich ihn dann aber hoffnungslos an die Welt des Staunens verloren. Er konnte sich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass seine Behausung aus einem privaten Essensraum, Wohnzimmer, Schlafzimmer mit drei Himmelbetten und Aussicht in den Innenhof und einem Begehbaren Kleiderschrank bestanden.

„Unser Haus ist einfach halb so groß, wie der Gästetrakt alleine!", stammelte er nach einer gefühlten Ewigkeit. Ich wurde langsam genervt.

„Du übertreibst!"

Es läutete zum Abendessen. Mum war nicht da, sie war wegen einer unaufschiebbaren Angelegenheit ins Ministerium gerufen worden. Doch auch ohne sie war das Essen gemütlich, es gab unter anderem auch irische Speisen, ein Gruß der Köchin, die ihm eine Freude hatten machen wollen.

Als wir fertig waren, zeigte ich meinem besten Freund auch noch die Herde Geflügelter Pferde. Lewis erzählte mir, dass er selbst auch reiten konnte und wir beschlossen, morgen einen Ausritt zu machen.


Beim Frühstück am nächsten Tag kam Mum vollkommen erschöpft herein. Sie hatte die ganze Nacht durchgearbeitet.

„Hi, Mum. Was war los?"

Sie erwiderte nichts, sondern warf mir bloß den heutigen Tagespropheten zu.

Ich starrte auf die Titelseite.

Wie hat er es geschafft?

Massenmörder Sirius Black entkommt Askaban

Ich hob entsetzt den Kopf. Sirius Black? Mum hatte mir von ihm erzählt.

„Was ist?", fragte Lewis und spießte sich ein Würstchen auf.

„Sirius Black", sagte ich und zeigte ihm die Zeitung. „Das war ein Massenmörder. Er wurde vor 13 Jahren verhaftet, weil er mehrere Menschen getötet hat. Er war außerdem auch ein Anhänger Voldemorts."

Mum und Dad warfen mir vorwurfsvolle Blicke zu. Ich verdrehte die Augen. Sie beharrten darauf, Voldemort nur Du-weißt-schon-wer zu nennen – so wie alle anderen auch. Ich hielt das für Schwachsinn. Warum sollte man Angst vor einem Namen haben? Um aber nicht schon wieder den altbekannten Streit über dieses Thema zu entfachen, sagte ich nichts darüber.

„Black ist anscheinend verrückt, sagen die Zeitungen. Und jetzt ist er draußen!", meinte Lewis besorgt und legte den Tagespropheten nieder.

„Man muss fast verrückt sein, um nur den Gedanken zu wagen, aus dem Zauberergefängnis auszubrechen."

Schließlich wurde man von Dementoren bewacht. Schon allein bei dem Gedanken an die Wächter von Askaban lief es mir eiskalt über den Rücken. Und ich hatte sie noch nicht einmal gesehen.

Mum hob den Kopf.

„Er ist nicht verrückt. Und das macht ihn umso gefährlicher."

Sie erschauderte.

„Das ganz Ministerium ist in Aufruhr. Es ist noch nie jemand aus Askaban ausgebrochen. Noch nie!", sagte Mum missmutig. „Ich muss jetzt los. Die anderen Länder müssen verständig werden."

Sie ließ ihren halb aufgegessenen Toast liegen, gab Dad einen flüchtigen Kuss und lief zur Tür hinaus.


Am Nachmittag machten Lewis und ich unseren Ausritt. Es war warm und sonnig, doch die Stimmung war gedrückt. Wir hatten den ganzen Vormittag damit verbracht, alte Zeitungsberichte in der Bibliothek zu suchen, die uns mehr über Sirius Black erzählen würden. Doch im Prinzip waren es nur die uns bereits bekannten Fakten, ausgeschmückt mit wilden Spekulationen.

Sogar die Muggel waren schon von Blacks Ausbruch in Kenntnis gesetzt worden, sein Gesicht erschien auf der Titelseite aller Zeitungen.


Mum war von nun an kaum noch Zuhause. Zuerst ging sie nach Frankreich, dann nach Irland und dann besuchte sie einen internationalen Rat. Alle wollten über den Ausbruch informiert sein.

Doch trotz aller Mühen wurde der Verbrecher nicht gefunden.


Eines Tages, es war Ende August, bekamen wir Besuch einer hohen Autorität: Dem Zaubereiminister, Cornelius Fudge. Er war schon öfters hier gewesen, ich begrüßte ihn höflich und wollte schon wieder verschwinden. Er und Mum redeten meist nur über langweilige Sachen, die mich nicht im geringsten interessierten.

Doch Lewis war ganz anders. Zuerst starrte er Cornelius Fudge nur mit offenem Mund an, er schaffte es gerade einmal, ein kurzes: „Hallo", zu stammeln. Sobald er allerdings mit Mum Richtung Bibliothek verschwunden war, sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus.

„Der Zaubereiminister? Cornelus Fudge? Oh mein Gott, wie... genial! Was macht der eigentlich hier? Über was reden sie?"

Ich zuckte mit den Achseln.

„Keine Ahnung."

„Interessiert es dich denn gar nicht?", fragte er verwirrt.

Ich zögerte. Warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich war ich es einfach zu gewöhnt. Doch Lewis hatte meine Neugierde geweckt.

„Komm mit", sagte ich mit gedämpfter Stimme und huschte die Stiege hinauf. Ich bog nach links ab, durchquerte einen Raum und öffnete die Tür zum Teesalon, wo ich mit einem geübten Handgriff die versteckte Tür hinter dem Tischchen öffnete. Sie quietschte entsetzlich, ich hatte sie schon lange nicht mehr geöffnet.

Lewis und ich sahen hinunter in einen dunklen, staubigen Schacht, voller Spinnweben und Käfern. Einer der alten Speiseaufzüge.

„Was macht ihr da?", ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir.

A Slytherin's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt