Ein neues Schuljahr

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Wir waren früh am Bahnhof, was hauptsächlich Rias Verdienst war, da sie uns schon um 5 aus den Betten gescheuchte hatte, mit der Begründung, sie wolle ja nicht zu spät kommen.

So fanden wir noch ein ganz leeres Abteil, in welchem wir es uns erst einmal gemütlich machten. Nach und nach trudelten auch die anderen Hogwarts-Schüler ein, unter anderen auch Lewis, der sich sofort neben mich setzte.

Unser Abteil bekam auch noch einen vierten Gast, ein Mädchen mit aschblonden Haaren. Sie kam um fünf vor elf und um Punkt elf fuhr der Zug immer. Sie setzte sich gegenüber von mir neben Ria. Ich schätzte sie auf das selbe Alter wie meine Schwester.

„Ich bin Ria, also eigentlich Astoria, aber das klingt schrecklich, und du?", stellte Ria sich sofort vor. Als ihr Nachbarin nicht sofort antwortete, plapperte sie einfach munter weiter. „Das ist meine Schwester Lia, oder auch Aurelia, und das ist ihr heimlicher Verlobter, Lewis."

„Heimlicher Verlobter?", fragte Lewis. Ich verdrehte die Augen und sah Ria genervt an. Die grinste bloß unschuldig.

„Ich bin Luna Lovegood", sagte das Mädchen und lächelte.

„Erstklässlerin?"

Sie nickte.

So kamen wir ins Gespräch und ich musste sagen: So jemand wie Luna war mir noch nie begegnet. Sie war seltsam, aber auch ihre Weise liebenswert. Fantasie hatte sie auch genug, die ganze Zeit sprach sie von erfundenen Wesen wie „Nargel", „Schlibbrige Summlinger" oder „Schlickschlupf", und immer mit der festen Überzeugung, dass es sie wirklich gab. Ich wusste zwar nicht, ob es sie vielleicht doch gab, es kam mir jedoch sehr unwahrscheinlich vor.

Ich war fasziniert von ihrem Charakter. Sie schien sich einfach nicht darum zu kümmern, was andere von ihr dachten, sondern war einfach nur sie selbst.

Das beeindruckte mich. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie Autorin werden könnte. Oder Forscherin – eine der speziellen Art.

Ich versuchte einzuschätzen, in welches Haus sie kommen würde. Leider nicht Slytherin, da war ich mir ziemlich sicher. Sie ist nicht ehrgeizig und auch nicht gerissen. Sie wirkte eher weise und klug auf mich, was mich vermuten ließ, dass der Sprechende Hut sie nach Ravenclaw steckten würde.

Und tatsächlich: Die Hauseinteilung begann, nach einander wurden junge Schüler nach vorne gerufen, wo sie den Hut aufsetzten, der sie in ihr Haus einteilen würde.

Als Ria dann an der Reihe war, ertappte ich mich dabei, nervös auf meiner Lippe herumzukauen. Es war schon seltsam: Bei meiner Schwester war ich viel aufgeregter, als ich es bei mir selbst gewesen war.

Der Hut schien lang überlegen zu müssen. Oder aber, was ich mehr vermutete, Ria lieferte ihm eine hitzige Diskussion. Ja, das klang nach ihr.

Dann endlich, nach fast vier Minuten öffnete der Hut seinen alten Mund und rief das Haus meiner Schwester aus.

„SLYTHERIN!"

Ich atmete laut hörbar aus. Ria schien auch glücklich, sie hüpfte fröhlich zum Slytherintisch, setzte sich neben mich auf die Bank und genoss den Applaus der anderen.

Sie drehte sich zu mir und wollte mir etwas sagen, doch ich hielt sie auf.

„Wenn die Einteilung fertig ist!", zischte ich ihr zu.

Wie ich es mir bereits gedacht hatte, kam Luna nach Ravenclaw. Als sie aber mit ihrem verträumten Blick zum Tisch ging, sah sie kurz zu mir hinüber und lächelte. Wow. Das was so ziemlich das erste Mal, dass mich jemand aus einem anderen Haus angelächelt hatte.


Plötzlich waren die Tische voller Essen. Ich griff sofort zu, ich starb schon fast vor Hunger.

Ria stupste mich an.

„Ja?"

„Du, Lia, wie war das eigentlich bei deiner Einteilung? Was hat der Hut da gesagt?"

Ich überlegte noch einmal.

„Ich glaube", begann ich langsam, währen ich mir Bratkartoffeln auf den Teller lud, „er hat zuerst gesagt, welche Charaktereigenschaften ich habe. Und dann hat er schon das Haus gerufen. Warum hat das denn bei dir so lang gedauert?"

Ria verdrehte die Augen.

„Der Hut wollte mich nach Gryffindor stecken! Nach Gryffindor! Er hat gesagt, ich habe so viel Mut und passe gut dorthin. Aber ich wollte nicht nach Gryffindor! Ich wollte nach Slytherin. Das hab ich ihm dann auch gesagt und er meinte: Ja, dass passt auch zu dir. Aber bist du dir sicher? Mann, natürlich bin ich das! Aber stimmt auch, ich bin mutig!"

Ich konnte mir die Szene richtig gut vorstellen. Lewis anscheinend auch, er lehnte sich zu mir und flüsterte: „Der arme Hut!"

„Hey, das habe ich gehört!", empörte sich Ria und funkelte ihn an.


Nach dem Festmahl stiegen wir hinab zum Gemeinschaftsraum. Ria fühlte sich sofort pudelwohl und warf sich auf eines der schwarzen Ledersofas.

Auch in den nächsten Tagen schien es ihr hier sehr gut zu gefallen. Gleich am ersten Tag schleifte sie mich in den Gemeinschaftsraum.

„Lia, schau wer da vorne ist!"

Ich blickte dorthin, wo ihr Finger hinzeigte und stöhnte. Draco Malfoy.

„Du musst mich ihm vorstellen."

„Sicher nicht. Das kannst du selber machen!", fauchte ich. Ria wich beleidigt zurück. Ich zögerte, seufzte dann und schnappte sie am Arm.

„Ist gut. Komm!"

Ich ging zu dem runden Tisch mit dem eingemeißelten Schachspiel, wo Draco saß und ließ mich gegenüber von ihm nieder.

Eines musste man ihm lassen: Er gehorchte seinem Vater aufs Wort. Er lächelte mich breit an, begrüßte mich und wandte sich dann aufmerksam Ria zu.

„Ist das deine kleine Schwester?"

„Ja. Ria, Draco. Draco, Ria."

Draco strahlte sie an.

„Ria und Lia. Ihr seht euch ähnlich!"

Ich wechselte einen verwirrten Blick mit Ria und runzelte die Stirn. Ich dachte immer, zwei Personen könnten nicht unterschiedlicher aussehen. Ich hatte blutrote Locken, Ria glatte, schwarze Haare. Meine Augen waren eisblau und katzenartig, ihre jedoch dunkelbraun und rund. Unsere Gesichter waren auch ziemlich verschieden. Ihres war oval, meines herzförmig.

Alles in Allem: wir sahen uns nicht ähnlich, auch wenn das viele behaupteten, sobald sie wussten, dass wir Schwestern waren.

Draco trat jetzt vor und schüttelte Ria die Hand. Sie lächelte seelig.

„Freut mich, dich kennen zu lernen, Ria. Hast du dich schon eingelebt?"

Während die beiden so redeten, beobachtete ich Draco genau. Ich war beeindruckt, wie gut er schauspielern konnte. Und wenn er so lächelte, sah er viel netter aus als normal. Wenn ich nicht gewusste hätte, dass er das alles nur tat, weil sein Vater es ihm befohlen hatte, ich hätte ihn wirklich sympathisch gefunden.

Also ließ ich Ria die Freude, mit ihrem Schwarm reden zu können, schnappt mir Mireya, meine schwarze Katze, und setzte mich mit ihr zum Kamin.

Ich hatte Hogwarts vermisst. Es war mehr als nur eine Schule. Es war ein zweites Zuhause. Und zwar für jeden.

A Slytherin's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt