Kapitel 35: Negla ♡

30 4 0
                                    


Es ist einfach etwas anderes. Ich hoffe sie kommt mich bald in London besuchen. Und Tamer... Ja Tamer, der ist anders als vorher. Wir haben den Kontakt komplett abgebrochen, weil jeder nun sein Leben hat. Ich bin hier in London und er ist in Deutschland, soweit ich weiß, ist er nach München gezogen, um dort zu studieren. Jeder lebt sein Leben. Traurig aber wahr...

Mit dem Studium und der Arbeit reicht es mir gerade mal dazu, in meiner Freizeit etwas mit meinen Freunden zu unternehmen oder stundenlang mit meiner Familie und Sevgi zu skypen. In meiner Zeit in London hat sich so einiges in meinem Leben verändert. Ich lerne viel und arbeite, dabei merke ich, dass ich die hohe Freude an meinem Leben langsam aber sicher verliere. Dank meinem Glauben kann ich jedoch stark bleiben. Ich achte immer darauf rechtzeitig zu Hause zu sein, um Vorfälle zu vermeiden, welche mir Schaden könnten. Als Mädchen alleine, ohne die Aufsicht einer männlichen Person kann das Leben ganz schön gefährlich sein. Kann es kaum erwarten, dass meine Zeit in London endlich vorbei ist, damit ich wieder bei den Leuten bin, die ich liebe. Die Zeit hier ist nicht schlecht, aber Zuhause ist da, wo man Menschen hat, die einen lieben und erwarten. Ich denk immer an sie, egal wo ich bin. Freunde können bleiben oder gehen, aber die Familie bleibt stehen. Sie ist das wichtigste.
Die Zeit fern von der Familie vergeht so langsam und die Höhen und die Tiefen spürt man dann erst richtig, wenn man alleine damit klar kommen muss. Von diesen Höhen und Tiefen weiß nur Sevgi, denn meine Familie würde dann sofort wollen, dass ich wieder nach Hause komme. Dann würden sie mir diese Chance um Erfahrungen und Wissen zu sammeln nehmen. Meine Eltern wissen nur von meinen Erfolgen und vielleicht ein zwei Niederlagen. Ich kann zwar immer auf ihre Unterstützung hoffen, aber ich will ihnen nicht zu viel zu muten.
Beten, Lernen, Essen, Trinken und Schlafen. Mein Tagesablauf... die Zeit vergeht mit leider zu langsam.
Eines Tages in London. Ich bin gerade nach Hause gekommen von der Uni und habe wenig Zeit, um mich zu erholen, da ich noch weiter zur Arbeit muss. Eine Arbeitskollegin fällt heute wohl aus und ich muss für sie einspringen. Ich liege gerade gemütlich eingekuschelt in meinem Bett, als es aufeinander an der Tür klingelt. Ich wohne seit fast drei Monaten alleine und niemand klingelt bei mir Zuhause, never ever. Auch wenn ich Post bekomme, landet die meist bei meinen Nachbarn, bei denen ich das dann abholen muss, weil ich entweder in der Uni oder in der Arbeit bin. Ich hab bis jetzt noch keinen Postboten zu Gesicht bekommen, seitdem ich hier wohne. Mit etwas Angst ging ich auf die Tür zu und das was ich sah, nahm mir die Luft zum Atmen weg. Das kann nicht sein. Wie ist das bloß möglich? Anscheinend war ich zu sehr damit beschäftigt, daran zu zweifeln, ob ich nur Einbildungen habe und ich demnächst vielleicht mal einen Psychologen besuchen sollte oder ob das wirklich real ist, was ich vor mir sehe.
Vielleicht träume ich auch einfach nur, dass passiert mir in letzter Zeit öfters. Das ich einfach irgendetwas im wachen Zustand sehe, obwohl dies nicht da ist. Aber das ich etwas höre und dem befolge, dann auch noch etwas sehe , ist irgendwie besonders merkwürdig. Und mit dem Wahnsinn, dass ist unfassbar.

Sevgis Sicht:

Nun ist Negla etwas mehr als zwei Monate weg und ich vermisse sie fürchterlich. Eigentlich wollten wir gemeinsam studieren. Dann wären wir jeden Tag zusammen. Dann wollte ich aber mit ihr nach London, als es für sie fest stand, dass sie da studiert, jedoch haben meine Eltern das nicht erlaubt. Einerseits ist es verständlich, andererseits aber auch nicht. Dann ist sie gegangen und ich bin geblieben, jetzt sind wir getrennt. sie in London und ich hier in Hamburg. Aber das ändert nichts an unserer Freundschaft. Am Anfang war ich sauer auf sie, aber dann hat sich für mich rausgestellt, dass es eh irgendwann dazu kommen wird. Wir sind nur physisch getrennt, aber psychisch ist sie immer bei mir und ich bin sicher auch immer bei ihr. In der Zeit in der ich hier bin, habe ich immer noch sehr guten Kontakt zu den Meisten unserer Gang, denn ich will nicht das wir uns alle auseinander leben und so tun als ob die anderen nicht existieren, obwohl wir gemeinsam eine sehr schöne Zeit verbracht haben. Auch mit den Jungs, denn sie sind ja auch ein Teil von uns, auch wenn wir nicht in der selben Klasse waren, waren wir doch irgendwann mal irgendwo vereint. Gar keinen Kontakt habe ich zu Maria und Zehra, da beide Mega hinterhältig sind und man auf sowas auch ganz gut verzichten kann. Den besten Kontakt habe ich zu Tamer und Jonathan. Mit ihnen schreibe ich mindestens zwei Mal die Woche. Bei jeder Unterhaltung fragt Tamer nach Negla, aber ich darf es ihr nicht sagen. Sie weiß noch nicht einmal, dass ich den Kontakt noch zu den Jungs pflege. Tamer will sich höchstwahrscheinlich nicht selber eingestehen, dass er sie sehr vermisst und sie will es sich auch nicht eingestehen. Sie haben beide keinen Kontakt mehr und dass macht beide fertig, aber keiner von beiden gibt es zu. Dickköpfig sind beide. Zu dickköpfig.

Tamer lebt in München und Jonathan ebenfalls. Beide leben gemeinsam in einer WG. ich wünsche mir ich und Negla könnten auch ganz gechillt in London gemeinsam leben, aber wenn die Eltern nein sagen dann ist es wohl ein Nein. Und nicht zu vergessen ist, egal wie alt du bist, als Ausländer, auch mit 60 Jahren, bestimmen die Eltern immer noch. In ihren Augen zählt die deutsche und europäische Volljährigkeit eh nicht. Aber von einer Sache können mich meine Eltern eh nicht abhalten. Komme was wolle, ich werde Negla insha Allah in London besuchen gehen. ich studiere in Hamburg Mathe und Maschinenbau. Insha Allah studieren Negla und ich dann hier gemeinsam weiter, wenn sie aus London wieder kommt. Das Studium mit ihr wird bestimmt richtig geil. Wenn sie wieder da ist, werden wir uns wieder jeden Tag sehen insha Allah.
Dieses Wochenende kommt Tamer insha Allah wieder und wir hatten ausgemacht, dass wir uns treffen. Er hatte mit noch was wichtiges zu geben und aus diesem Grund habe ich dem Treffen zu gesagt. Da heute Freitag ist und es bis zu dem Treffen nicht mehr lange ist, habe ich noch etwas Zeit um darüber nach zu denken, was Tamer mir so wichtiges geben möchte. Egal wie lange ich darüber nach gedacht habe, kam ich zu keinem Ergebnis. Es gibt nichts was ich jemals bei ihm vergessen habe und Geld schuldet er mir auch nicht. Am Samstag Nachmittag ist unser Treffen und ich hatte irgendwie ein sehr komisches Gefühl im Bauch. Dieses Gefühl kennen die meisten von euch, glaube ich. Es ist so ein Kribbeln in der Magengegend. Das Gefühl hab ich meist wenn etwas gutes oder etwas schlechtes passieren wird. Sowas ähnliches wie der sechste Sinn. Es ist ja wohl auch manchmal etwas ganz Besonderes. Am Samstag habe ich mich vorbereitet und bin dann schick angezogen zu unserem Treffen ins Starbucks gegangen. Es freut mich wieder jemanden aus der Schule zu treffen, mit dem ich mich auch so verstanden habe. Kaum ging ich rein sah ich einen sehr seriös rein guckenden Tamer. Als er mich dann auch entdeckt hat, erschien ein kleines, aber dennoch elegantes Lächeln auf seinem Gesicht. Es ist zwar nicht lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber er sieht jetzt viel erwachsener und reifer aus. Er hat das Kindliche und Jugendliche, welches er an sich hatte zu etwas sehr männlichem und attraktivem. Ich ging auf den Tisch zu an dem er sitzt und setzte mich mit ran. Ich hatte innerlich so gehofft, dass Jonathan mitkommen würde, aber leider ist dieser weit und breit nicht zu sehen. Als wir dann saßen bestellte sich jeder etwas und wir unterhielten uns erstmal über banales Zeug und dann wurde es immer wichtiger. Beziehungsweise mein Gefühl deutete es mir an, denn ich wurde immer nervöser.

T.: Wie geht es Negla? Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört.

S.: Ihr geht es gut. Sie ist ja momentan in London und das Studium scheint sie fertig zu machen, aber das will sie nicht zu geben.

Ich sagte das und schlug mir innerlich auf die Stirn. Wie konnte ich nur so dumm sein und so einen Satz raus hauen? Tamer guckte nach diesem Satz sehr besorgt und irgendetwas in seinem Blick deutete auf Trauer. Aber dann änderte sich sein Blick wieder und ich sah einen Funken von Freude oder eher Begeisterung in seinen Augen und das verwirrte mich etwas. Der hat ja schlimmere Stimmungsschwankungen als eine schwangere Frau.

T.: Man... Also geht es ihr echt nicht gut?

S.: Eigentlich schon, aber ich glaube sie fühlt sich etwas einsam. Die hat da nicht besonders viele Freunde und so wie du unsere Negla kennst, ist sie viel zu beschäftigt mit dem lernen und arbeiten, dass sie noch nicht einmal richtig die Zeit zum Freunde finden findet. Aber das ist ja wieder typisch Negla, sie stürzt sich in Alles rein, um das beste zu erreichen.

Ich hab mich entschieden ihm einfach doch die ganze Wahrheit zu erzählen, denn vielleicht meldet er sich doch bei Negla und dann sind beide glücklich. Egal wie sehr ihn das traurig macht, er würde sich hoffentlich irgendwann mal bei ihr melden. Erst schaute er für eine Weile geschickt, aber er fasste sich wieder und sein Verstand setze wieder ein.

T.: Sie hat keine Freunde da? Aber ihr redet noch täglich, oder?

S.: Tamer mach dir keine Sorgen um sie, ihr geht es gut. Sie arbeitet und ist sehr gut mit ihren Arbeitskollegen befreundet.  Das heißt die unternehmen ab und zu etwas mit ihr, um sie aus dem Stress raus zuholen.

T.: Dann ist ja gut. Der Grund warum ich dich unbedingt treffen wollte ist folgender...

Negla ♡ two bodies, one lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt