Unmenschlicherweise weckte mich mein Wecker um 6 Uhr morgens. Ich seufzte und stand ruckartig auf. Am Besten den Tag so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich schleppte mich unter die Dusche und wusch mir das lange schwarze Haar. Ich ließ warmes Wasser über meinen Kopf laufen und versank in Gedanken. Meistens dachte ich mir eine Fortsetzung für meinen Traum von letzter Nacht aus und dachte dabei nicht an die Zeit. Doch heute schaffte ich es pünktlich raus. Was bei mir wirklich eine Glanzleistung ist.
In meinem Zimmer hatte ich einen langezogenen Spiegel, in dem ich mich komplett betrachten konnte. Sehr vorteilhaft wenn man einfach mal ein Blick aufs Gesamtpaket verwerfen wollte aber mich juckte es ehrlich gesagt überhaupt nicht. Ich zog einfach, je nach Jahreszeit, in diesem Fall Winter, warme bequeme Sachen an und damit passte es mir. Meine Haare bürstete ich mir nur und zog dann eine Kapuze drüber. Ich gab mir nicht die Mühe mich hübsch zu machen. Vor allem nicht während der Schulzeit. Ich war nicht der Typ Mädchen dazu.
Strähne für Strähne fuhr ich mit dem Kamm durch mein schon getrocknetes Haar und betrachtete mich selbst im Spiegel.
"Wunderschöne dichte Wimpern umspielen deine mandelförmige Augen. Diese Augen sehen nur das Gute im Menschen. Das Braune Auge zeigt dir wo lang du gehen musst und das blaue Auge zeigt dir ob dieser Weg auch richtig ist. Deine schwarzen Haare sind ein wunderschöner Kontrast zu deiner schneeweißen Haut. Es verleiht dir das Gewisse etwas mit dem du jeden Jungen um den Finger wickeln könntest. Deine Nase ist wie für dein Gesicht gemacht. Wie ein passendes Puzzleteil. Dein Gesichtsform gleicht einem schönem Oval aber es lässt dein Gesicht keineswegs lang erscheinen. Deine vollen, zarten, wohl geformten Lippen sprechen die Wahrheit aus, die du für richtig hälst und dein Lächeln verzaubert jeden dem es zusteht. Du bist eine wahre Schönheit Jamie" sprach meine Grandma zu mir während sie mir vor diesem Spiegel die Haare durchkämmte.
Das hat sie mir mal gesagt als ich in die erste Klasse gekommen bin und ich fürchterliche Angst hatte. Meine Gradma wusste wie man mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert und mir mein Selbstvertrauen zurück gab. Mir fehlte das.
Meine Grandma stammt von einem Inuitstamm in der Arktis. Sie hatte ihre Wurzeln an meine Mutter weiter gegeben, doch durch die Tatsache, dass meine Mum einen Amerikaner als meinen Vater auserwählt hatte, sehe ich keineswegs so aus wie meine Grandma. Ich hatte wahrscheinlich sehr viel von meinem Vater. Überwiegend. Da mich meine Mutter etwa 2 Monate vor meinem Geburtstermin in die Welt gesetzt hatte, hat sich meine eigentliche Augenfarbe nicht komplett entwickelt. Zumindest redete ich mir das selber ein. Ich hatte also ein blaues und ein braunes Auge. Welch eine Ironie. Die Meisten, so wie Cole, würden sagen das wäre etwas besonderes. Ich sah mich einfach nur als Krüppel. Mich störte es angestarrt zu werden. Deswegen verstecke ich das blaue Auge auch immer unter einer braunen Kontaktlinse, wie auch heute. Ich blinzelte die Tränen weg, die immer entstanden wenn ich sie einsetzte und wischte sie mir von meiner Wange. Ich legte nie großartig viel wert auf mein Aussehen, doch mir war wichtig wenigstens gepflegt zu sein und gut zu riechen. Ich hasste den Gestank von einem dreckigen Körper, vor allem wenn es mein eigener war. Da könnte ich durchdrehen von.
Um Punkt 7 Uhr stand ich am Brunnen und wartete auf Cole. Wir hatten das als unseren Treffpunkt ausgemacht, da es von unseren Häusern ungefähr die gleiche Entfernung hatte. Cole kam wie jedes Mal zu spät. Bestimmt war er sogar noch zu Hause.
Eigentlich kamen wir beide immer zur gleichen Uhrzeit angerannt und beeilten uns dann in die Schule zu kommen. Wir waren einfach beide nicht für den Morgen gemacht.
Er ist für mich wie meine beste Freundin zwar nicht weiblich aber schwul. Wir hatten uns in der Grundschule kennen und lieben gelernt. Wir beide konnten uns nicht in die Gesellschaft eingliedern, deswegen schlossen wir uns zusammen. Ich hatte noch Glück gehabt, mich hatten sie früher in Ruhe gelassen und einfach nur hinter meinem Rücken geredet. Nicht anders als jetzt. Cole dagegen wurde richtig zusammen geschlagen und gehänselt. Ihn traf es immer noch sehr darüber zu reden. Teilweise war es richtig grausam gewesen. Er tat mir schrecklich Leid aber ich war froh, dass sie seid dem er mit mir abhängt, in Ruhe gelassen wird.
Es zog in meiner Magengrube als ich daran dachte wie sie ihn traten wie jedes Mal wenn ich das mit ansehen musste. Ich hatte davor immer Angst gehabt einzugreifen aber ich hatte meinen Mut zusammen genommen und war entschlossen auf die zwei großen Typen zu gegangen und mich schützend vor dem blondhaarigen Jungen gestellt der sich vor Schmerz krümmte. Sie fingen an zu lachen und blöde Sprüche abzugeben wie "Junge Junge, soweit kommts noch das man sich von einem Mädchen beschützen lässt, Schwuchtel." Mein Herz hatte vor Aufregung heftig pochte und als ich merkte dass sie abzogen waren, atmete ich erleichtert auf. Ich beugte mich zu diesem Jungen runter und gab ihm die Hand. Er sah mich überrascht aber zugleich auch dankend an und nahm sie.
Damals hatten wir uns gegenseitig aus einer schwarzen Grube geholfen. Wären wir für einander nicht da gewesen, wer weiß wer von uns Amok gelaufen wäre. Cole war mein bester und einziger Freund aber bei ihm wusste ich, dass er sich niemals von mir abwenden würde. Die Schule würde ich ohne ihn gar nicht mehr überstehen. Er gab mir jeden Tag die Kraft mich hier her zu schleppen. Es lag nicht daran, dass sie mir etwas tun würden. Nein, sie ließen mich sogar in Ruhe aber die niederträchtigen Blicke und das Getuschel machte mich Irre und man fühlte sich einfach schlecht und mies. Man gehörte einfach nicht dazu und war einfach immer alleine. Es passte ihnen nicht, dass man anders war.
Nach guten 10 Minuten war Cole immer noch nirgendwo zu sehen. Ich seufzte laut auf und setzte mich an den Brunnenrand und steckte mir meine Kopfhörer ins Ohr. Ich beobachtete wie Leute in Eile an mir vorbeizogen und bemerkte plötzlich ein schwarzes Auto, welches getönte Scheiben hatte und langsam am Gehsteig entlang fuhr. Beobachten die mich? Innerlich musste ich über mich selbst lachen. Ich und mein Verfolgungswahn. Ich konzentrierte mich darauf, mir ein gutes Lied auszusuchen als plötzlich Cole vor mir stand. "Willst du mich eigentlich zu Tode erschrecken?" Ich zog mir die Kopfhörer aus den Ohren und steckte sie in meine Tasche. Ich sprang vom Brunnenrand und schloss Cole in eine feste Umarmung. "Tut mir Leid. Meine Haare wollten heute mal wieder nicht", gab er grinsend von sich. Ich schüttelte lachend den Kopf. Typisch Cole. Seine Haare sahen immer perfekt aus, egal wie viel Mühe er sich gab.
Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in die Hölle. Wie schön es doch war wenn der Montag schon mit so vielen Stunden begann. Es war einfach schrecklich. Vor der Schule redeten Cole und ich noch ein wenig, doch dann trennten sich unsere Wege, den er war in einer anderen Klasse und deswegen waren wir im Unterricht auf uns allein gestellt. Es gab aber auch ein paar Ausnahmen über die ich endlos dankbar war.
In der ersten Stunde hatten wir Englisch. Ich setzte mich auf meinen gewöhnlichen Platz, allein ganz hinten in einer Ecke, und richtete mir meine Sachen raus. Ich bin eigentlich keine schlechte Schülerin. Ich konnte Englisch, Deutsch und in Mathe war ich auch nicht schlecht. Auch in den Nebenfächern verstand ich alles. Das Problem bei mir war, ich stellte mich manchmal echt blöd an bei Probearbeiten und war eben nur der dreier Schüler. Eine zwei und eine eins verirrten sich auch oftmals in meinem Zeugnis aber die kamen auch nur wenn ich mich auf meinen Hosenboden setzte und lernte.
Die drei wechselnden Stunden zogen sich in die Länge bis ich dann endlich in die Zwischenpause konnte. Ich begab mich in die Cafeteria und kaufte mir einen grünen Apfel. Ich setzte mich auf den Platz, den Cole und ich wiedermal standardisiert hatten wie mit dem Treffpunkt und wartete auf ihn. Ich biss genüsslich in den Apfel und sah aus dem Fenster. Jugendliche benahmen sich nicht anders als Kinder. Vielleicht waren sie ein Ton leiser aber vor allem die Jungs tollten immer noch durch den Pausenhof. Ich schüttelte den Kopf und lächelte bei dem Gedanken vor mich hin.
Gerissen wurde ich aus meinen Gedanken, als Cole sein überfülltes Tablett auf den Tisch knallen ließ. Es lagen mindestens 3 belegte Brötchen auf dem Tablett. Jedes Mal fragte ich mich wohin das verschwand wenn es in sein Mund kam, denn Cole nahm kein Gramm zu egal wie viel er aß und war trotzdem dünn wie eine Bohnenstange. Diesmal ließ er mich nicht mal zu Wort kommen, sondern fing sofort an aufgeregt auf mich einzureden. "Das glaubst du mir nicht! Wir haben, komischerweise einfach mitten im Schuljahr, einen neuen Schüler bekommen. Soviel ich mitbekommen habe, ist er mit seiner Familie kurzfristig hier her gezogen, sein Name ist Blake Johnson, er ist 18 Jahre alt, ist ein Einzelkind und er ist so heiß!" - "Wahrscheinlich hat er auch das größte Ego hier!", gab ich von mir und sah wie eine Scharr von Mädchen sich um irgendwas reihten. Cole folgte meinem Blick und sah wie vom Blitz getroffen wieder zu mir. "Aber das Beste kommt noch. Blake hat die selben coolen Augen wie du! Das muss Schicksal sein!" Sofort sah ich auch um wen oder was sie sich reihten. Ich konnte erst nichts erkennen weil die ganzen Köpfe mir die Sicht versperrten. Doch dann blickte ein blaues und ein braunes Auge genau zu diesem Tisch.
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Under the woods [Band 1]
Fantasy"Jeder hat das Bedürfnis etwas besonderes zu sein. Etwas außergewöhnliches auf diesem Planeten zu bewirken. Etwas Neues entdecken was unsere Fantasie übersteigt. Können wir das wirklich vom Leben erwarten? Warum sind wir nie zufrieden mit dem was wi...