Kapitel 48 - Ist es Zeit zu gehen?

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In dem Moment wusste ich nicht womit ich anfangen soll. Mein Kopf war plötzlich wie leer gefegt. Ich hatte so viele Fragen und mir viel genau in diesen Moment keine Einzige ein.

Sie merkte das. "Fangen wir am Anfang an? Ich denke deine Frage ist, wieso ich dir nichts gesagt habe, oder?"

Ich nickte.

"Ich habe auf den richtigen Moment gewartet. Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen aber ich wollte dich auch nicht im Dunkeln tappen lassen. Ich wollte dich erst mal groß ziehen. Dich ein ganz normales Leben leben lassen. Ich denke das kannst du verstehen, oder?", sagte sie mit ihrer sanften Stimme.

"Ich verstehe es aber ich hätte es trotzdem lieber von dir erfahren. Ich hab das Gefühl, dass du es mir nie gesagt hättest, wenn Blake nicht gewesen wäre.", sagte ich wahrheitsgemäß. Ich habe noch nie so mit meiner Grandma gesprochen. Ich hab sie früher aber auch nur für eine normale Grandma gehalten.

"Schätzchen, ich konnte doch nicht ahnen das so etwas mit mir passiert." Ich sah für einen kurzen Moment Schmerz in ihrem Gesichtsausdruck. Wie es sich wohl anfühlt seinen Wolf zu verlieren? Ich würde ihn, um ehrlich zu sein, vermissen. Man baut eine gewisse Bindung auf. Außerdem sind die Gefühle, wenn man sich verwandelt, überwältigend. Ich kann mir vorstellen wie schlimm es für sie sein muss.

"Tut mir Leid, es war nicht so gemeint.", sagte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Mach dir keine Sorgen. Es wird alles wieder gut."

"Hast du es ausprobiert?", fragte ich sie und sah sie direkt an.

"Was ausprobiert?"

"Ob dein Wolf... doch noch da ist?", fragte ich und bis mir auf die Lippe. Ich sollte so was nicht fragen.

"Man spürt es. Er ist nicht mehr hier." Jetzt hörte ich auch die Traurigkeit in ihrer Stimme. Es trieb mir fast die Tränen in die Augen aber ich bis die Zähne zusammen.

"Was ist wirklich mit meinen Eltern passiert?", fragte ich darauf.

Sie schüttelte den Kopf. "Es ist eine schwierige komplizierte Geschichte."

"Ich will sie trotzdem hören."

"Wir verschieben das auf wann anders."

"Nein, Grandma. Ich will sie jetzt hören. Sind sie tot?"

"Jamie." Ihr strenger Ton ließ mich zusammen zucken.

"Warum darf ich nie etwas wissen? Warum wird um alles so ein großes Geheimnis gemacht? Ich dachte ich gehöre dazu. Ich dachte ich bin jetzt einer von euch. Und trotzdem sagt man mir nichts."

"Es ist komplizierter als du vermutest. Es hat alles Zeit. Du wirst alle Antworten bekommen die du brauchst. Du musst nur Geduld haben."

Ich seufzte und ließ es dabei. Sie erklärte mir vieles. Alles das was ich irgendwann auch fragen würde aber ihre Reaktion als ich sie wegen meinen Eltern gefragt habe, ließ mich nicht los. Ich würde es nicht vergessen. Ich würde immer und wieder fragen bis ich endlich eine Antwort bekam.

Wir kamen zu unseren Haus.

Draußen war niemand zu sehen. Ich fragte mich ob Cole schon aufgewacht ist. Grandma meint, dass es dauern kann bis er aufwacht. Er erinnert sich gerade an alles. An wirklich alles. Nur nicht an seinen Seelentreiber. Er wird zwar wissen, dass es ihn gab aber er wird nicht wissen, wie viel er angerichtet hat und wir werden es auch nie erfahren. Ich denke so ist es besser.

Er würde sich selbst hassen. Ob er anders sein wird? Wie viele Leben er wohl gelebt hat?

Wir betraten das Haus. Isaac kam auf mich zu. "Alles klar bei euch? Wo ist Blake?"

Grandma trat vor und Isaacs Augen finden an zu strahlen. Er nahm sie in die Arme. "Es freut mich, dass es ihnen wieder besser geht."

"Ja alles klar. Keine Ahnung. Ich dachte er ist hier?"

Isaac schüttelte den Kopf. "Royce, dein Freund und Allison sind hier. Sonst niemand."

"Was ist mit Tyler?", fragte ich ein wenig erschrocken.

"Er ist nach Hause gegangen. Hat gemeint er braucht Zeit für sich." Ich nickte.

Ich folgte Isaac nach oben. Dort waren Royce und Allison. Cole lag auf dem Bett mit geschlossenen Augen. Er war also noch nicht so weit.

Ich wand mich an meine Grandma. "Heißt es, dass er mehr Leben durchlebt hat wenn es so lange dauert?", fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Es dauert einfach seine Zeit."

Ich nickte und ließ mich auf einen Stuhl sinken. Ich musterte Cole. Er sieht so friedlich aus. Wie jemand, der niemanden was antun würde. So wie er eben ist. Der Cole, der schreiend von einer Spinne weg rennt und mich anfleht sie zu töten. Wird es jemals wieder so sein wenn er erst weiß was wirklich Sache ist? Wird er mich hassen weil ich ihm das angetan habe? Ich weiß es nicht und ich kann mir auch nicht vorstellen wie es sein wird, wenn Cole weiß, dass er nicht nur ein Leben gelebt hat. Wie sich das wohl anfühlt?

"Komm nach Draußen", hörte ich plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. Ich würde sie immer erkennen. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Telepathie so weit gehen kann.

Ich stand also auf und ließ die anderen weiter reden. Sie merkten gar nicht das ich ging, außer natürlich meine Grandma. Sie nickte mir aufmunternd zu, als wüsste sie, was gleich passiert.

Angespannt ging ich also nach Draußen und da stand er. Der schönste Junge mit dem berauschendsten Duft den ich kannte. Seine Miene verriet nichts. Er bewegte sich auch nicht von der Stelle und blinzeln tat er auch nicht.

Mit sicheren Schritten kam ich auf ihn zu. Ich hatte keine Ahnung was ich jetzt erwarten sollte.

Ich hatte ihn lange nicht mehr so angesehen wie jetzt. Ich spürte wie mein Herz in meiner Brust wie verrückt schlug. Das Verlangen in mir, ihm sofort um den Hals zu fallen und ihn nie wieder los zu lassen, wurde immer stärker. Doch anstatt das zu tun, blieb ich ruhig vor ihm stehen und versuchte seinem Blick stand zu halten.

"Du hättest da nicht dabei sein sollen", sagte er mit ruhiger Stimme. "Wa.. Was?", fragte ich überrumpelt von seiner Aussage. "Du hättest nicht in diesem Krankenhauszimmer sein sollen. Du hättest raus gehen sollen wie die Anderen."

Ich schüttelte den Kopf und versuchte damit die Tränen zu verdrängen.

"Es ist doch alles gut gelaufen oder? Cole ist wieder.... er ist wieder ein Mensch und der Seelentreiber ist weg. Ich versteh nicht... ich versteh nicht was dein Problem ist.", murmelte ich und versuchte stark zu bleiben.

Plötzlich trat er einen Schritt näher. Unsere Gesichter waren jetzt nah bei einander. Viel zu nah. Sein Geruch machte mich verrückt. Diese Trauer stieg nicht in mir auf wegen seinen Worten, sondern weil ich wusste, dass es nie wieder was zwischen uns geben wird. Ich spürte, dass er weg gehen will und nie wieder kommen möchte. Es fühlte sich in dem Moment wie Abschied an.

"Du bist mein Problem. Jedes verdammte Mal treibst du mich in den Wahnsinn.", hauchte er. Er hob eine Hand, ließ sie aber wieder sinken als ich zusammen zuckte. "Du bist der Grund warum ich schwach bin. Du bist der Grund warum ich zurück komme und du wirfst mich jedes Mal aus der Bahn."

Mein Atem stockte als sich seine Lippen meinen näherten.

Under the woods [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt