Kapitel 19 - Die Antwort auf keine meiner Fragen.

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Ich stand wie angewurzelt da als er ein Boot aus dem Gebüschen holte. Ich zog eine Augenbraue hoch. "Natürlich ist hier einfach so ein Boot versteckt", sagte ich ironisch und verdrehte die Augen. Er zuckte mit den Achseln. "Heut zu Tage ist alles möglich. Außerdem haben das unsere Vorfahren hier her gebracht."

Das Boot war aus morschem Holz und war genau für zwei Personen. Es war durchnässt aber Blake störte das überhaupt nicht. Er stellte eine Fuß ins Boot und sah mich erwartungsvoll an. "Da soll ich rein steigen?", fragte ich und trat einige Schritte näher zum Ufer. Er antwortete nicht sondern wartete immer noch darauf, dass ich einstieg. Auch wenn es mich sträubte mit Blake allein auf einem See zu sein, stieg ich ein. Ich war viel zu neugierig was er zu sagen hatte und was er mir zeigen wollte.

Er setzte sich vor mich und griff nach den Paddeln. Er ruderte los. Ich musterte ihn. Er hatte seine Augenbrauen konzentriert zusammen gezogen und sah von einer Seite zur anderen. Dann bemerkte er meinen Blick. "Schau ins Wasser", sagte er mit einem Befehlston doch ich tat was er sagte. Erst wusste ich nicht was er von mir wollte, doch dann sah ich etwas unter Wasser, was mich zusammen zucken ließ. "Was ist das?", fragte ich schockiert und wand den Blick nicht ab.

Durchs Wasser bewegten sich weiße Schleier. Zuerst dachte ich, es wäre das Licht doch dann hatte ich ein Gesicht gesehen. Es sahen aus wie Geister aber ich konnte mir nicht erklären wie das möglich wäre. Es wurden immer mehr Gesichter sichtbar und mein Herz fing an schneller zu schlagen. Sie sahen mich. Sie wussten das wir auf dem See waren. Es sah wirklich so aus als würden sie mich anschauen. Mir lief ein kalter Schauder über den Rücken.

"Dieser See hat keine Fische weil in ihm Seelen leben. Für uns ist das deswegen auch der See der gefressenen Seelen. Dafür ist nur deine Schwuchtel verantwortlich und seine anderen Kumpanen. Seelen auf der Welt die von ihnen gefressen werden sammeln sich hier. Die Seele des Gestaltwandlers nehmen sie in sich auf, doch die menschliche Seele, die Seele die sie nicht brauchen, kommen hier her.", sagte Blake schlicht. Wie konnte er so ruhig bleiben? Es sah so aus als würden sie den Wellen, die das Boot machte folgen. "Sie beobachten dich. Sie sind verzweifelt weil sie keine Erlösungen finden können. Niemals. Sie sind nur für uns Gestaltwandler sichtbar", erzählte Blake weiter und ruderte weiter.

Ich schüttelte verwirrt den Kopf. So was kann nicht echt sein. Das ist einfach absurd. Noch absurder als die Tatsache, dass ich ein Gestaltwandler bin. "Es sind... so viele...", murmelte ich. Ein See voller Seelen. Das war einfach viel zu unglaublich. Ich beobachtete weiter das Wasser und die geisterhaften Gestalten die durch das Wasser glitten. Man konnte keine genauen Gesichtskonturen erkennen. Es sahen alle gleich aus und jeder von ihnen hat diesen verzweifelten Gesichtsausdruck. "Verstehst du jetzt warum ich will, dass du dich von Cole fern hälst?", sagte er ernst. Er hatte gerade zum ersten Mal keine Beleidigung gegen ihn ausgesprochen. Ich überging seine Frage einfach. "Was passiert, wenn ich jetzt rein falle?", fragte ich ihn und sah gar nicht zu ihm auf.

"Würde ich nicht versuchen. Ich habe es zwar selbst nie erlebt aber dieser See hat seine Geschichten auch bei Menschen. Sie gehen schwimmen und verschwinden spurlos. Ich denke die Seelen wollen dich alle einnehmen aber da es zu viele sind wirst du zerrissen. Ich hab das nur gehört, sicher weiß ich es aber nicht", sagte er und sah mich durchdringend an. Ich blickte ihn ebenfalls an. "Warum schubst du mich nicht rein?", fragte ich leise und wich seinen Blicken nicht aus. "Wieso sollte ich?", fragte er verwundert und schüttelte den Kopf als wollte er aus einer Starre erwachen. "Du hasst mich doch oder? So kannst du mich los werden ohne das es jemand erfährt", sagte ich mit normaler Stimme. Ich könnte ihm zutrauen so was zu tun. Ich wusste nicht wieso. "Ich hasse dich nicht", sagte er mit einer weichen Stimme, sah mich aber dabei nicht an. Diesmal war ich es, die aus einer Starre erwachte.

Lange Zeit blieb es ruhig und er ruderte auf das andere Ufer zu. Diesmal stieg er zuerst aus. Hielt aber das Boot für mich nicht fest. Er stand mit dem Rücken zu mir und ich trieb mit dem Boot wenige Zentimeter vom Ufer weg. Ich stand auf und sprang aufs andere Ufer. Doch das lief nicht ganz nach Plan. Ich rutschte auf dem Schnee aus und kam mit dem Fuß im Wasser auf und sofort sah ich die Blicke der Seelen. Sie zogen mich zurück ins Wasser als ich den Fuß heben wollte. Die Panik packte mich. Ich zerrte an meinem Fuß doch sie waren zu stark. Ich wollte schreien aber meine Stimme versagte. Plötzlich ging alles zu schnell als das ich es realisieren konnte.

Ich hatte die Augen fest zusammen gepresst, doch als ich merkte das keiner mehr an mir zog, öffnete ich sie langsam und sah direkt in Blakes Augen. Er sah mich erschrocken an. Mein Herz begann zu rasen. Wir standen einfach da und sahen uns beide an. Niemand sagte irgendwas und niemand bewegte sich. Man hörte nur unseren Atem. Es waren zwar nur wenige Sekunden aber mir kamen es wie Stunden vor. Ich konnte nicht weg sehen. Doch dann schüttelte Blake den Kopf und ging eine Schritte von mir weg. "Pass das nächste Mal auf.", sagte er grob. Jap, er war wieder der alte Blake. Ich atmete laut aus und ging neben ihm her.

Er hatte mir meine Frage immer noch nicht beantwortet, also packte ich ihn am Arm und blieb stehen. "Warum hast du mich verschont?", sagte ich gerade heraus. Er wich meinen Blicken aus. "Hätte ich dich töten sollen?", fragte er mit seinem typischen Unterton. "Ja, du hättest mich getötet. Ich weiß nur nicht warum du es nicht getan hast." Er drehte sich weg und ging weiter doch ich hielt immer noch seinen Arm, deswegen blieb er wieder stehen. Er drehte sich langsam wieder zu mir und sah mir in die Augen. "Ich hatte keinen Grund dich zu töten", sagte er schlicht. "Ich hatte es nie vor." Meine Augen weiteten sich. Isaac hatte anscheinend doch recht gehabt. "Wieso hast du mich dann so verletzt und mich alleine gelassen? Ich wäre gestorben wenn Isaac mich nicht da raus geholt hätte", sagte ich. Er entriss sich endlich aus meinen Griff und ging weiter. "Hör auf zu fragen, sonst werde ich meine Meinung noch ändern", rief er mir nach hinten und verwandelte sich im nächsten Augenblick in einen Wolf.

Als er verschwunden war, seufzte ich laut auf. Ich könnte mir den Kopf den ganzen Tag über ihn zerbrechen. Ich hatte das Bedürfnis mir die Haare raus zu reißen so sehr nervte mich seine Art. War es so schlimm zu sagen, warum er das getan hat?

Wütend stampfte ich durch den Schnee. Da ich keine Lust hatte ewig im Wald rum zu irren, verwandelte ich mich in meinen weißen Wolf. Ich konnte ihn immer noch riechen als meine Sinnesorgane sich intensivierten. Wartete er auf mich? Ich rannte schnell und folgte dem Blick. Am Waldrand sah ich ihn stehen, den schwarzen Wolf mit einem blauen und brauen Auge, die mich direkt anblickten.

Under the woods [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt