Kapitel 36 - Normales Leben, wo bleibst du?

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Wir saßen alle niedergeschlagen im Wohnzimmer. Royce war mit seinem Rudel noch im Krankenhaus und wir warteten darauf, dass sie endlich zurück kamen. Wir waren alle fertig mit unseren Nerven. Keiner sagte irgendwas, selbst Blake nicht.

Er lief stumm hin und her und dachte über irgendetwas nach. ich frag mich, was in seinem Kopf vor ging als er Tyler's Vater gesehen hat. Warum hat er nichts gemacht? Das wäre seine Chance ihn zu töten aber er hat es gelassen. Ob er wirklich über meine Worte nach gedacht hat? Ist er vielleicht zur Vernunft gekommen?

Jede 5 Minuten sah ich auf die Uhr und sie war einfach viel zu langsam. Selbst wenn niemand aus unserem Rudel in Gefahr war, hofften wir trotzdem mit den Anderen mit. Immer hin sind wir doch alle gleich, oder?

"Jamie!", hörte ich jemanden ganz weit weg rufen. Ich öffnete langsam meine Augen. Ich setzte mich auf und blickte mich um. Ich war anscheinend auf dem Sofa eingeschlafen. Ich gähnte und sah, dass Blake vor mir stand. "Wir fahren ins Krankenhaus.", sagte er entschlossen. ich merkte erst jetzt das die Anderen verschwunden waren. "Wo sind Isaac, Allison und Tyler?", fragte ich und stand auf.

"Sie sind nach oben gegangen. Wir gehen jetzt, beeil dich.", meinte Blake und ich folgte ihm.

Plötzlich blieb Blake stehen und ich knallte gegen seinen Rücken. "Was ist?", fragte ich und sah über ihn hin weg. Bryan stieg aus einem schwarzen Auto aus. "Wo zur Hölle wart ihr? Ich hab euch über all gesucht?" Blake ging die Stufen runter. "Fahr uns zum Krankenhaus. Im Wald gab es eine Schießerei. Einige aus Royces Rudel sind verletzt.", erklärte ihm Blake. Wo war Bryan die ganze Zeit? Und warum ist er nicht mit Allison, Isaac und Tyler mit gegangen?

Er sah uns schockiert an. "Wer wurde verletzt?" Ich sah ihn traurig an. "Ich kenne die Namen nicht aber Royce hat gemeint, das Dave eine schwere Kopfverletzung hat."

Bryan setzte sich zurück ans Steuer und wir stiegen ins Auto ein.

Die Fahrt dauerte nicht lange. Schon bald stiegen wir aus und betraten das Krankenhaus. Wir sahen Royce unten sitzen mit ein Mädchen und zwei Jungen. Sie sahen auf als sie uns sahen. Royce kam auf uns zu. "Hey, gabs Probleme mit der Polizei?", fragte er an mich gewandt. "Nein, also wir müssen noch mal aufs Revier. Befragt werde aber mehr auch nicht." Er nicke verständlich.

"Wisst ihr schon, wie es den Anderen geht?", fragte ich und diesmal schüttelte Royce den Kopf.

Bryan trat vor und drängte sich an mir vorbei. "Wer ist verletzt?", fragte Bryan aufgebracht.

Royce erklärte es ihm und erzählte ihm was passiert war. Ich saß schweigend neben Blake und starrte auf die Gänge.

Ich wünschte, das alles würde endlich ein Ende haben. Das ewige Warte, Hoffen, Kämpfen, Streiten, Leiden und das ständige Angst haben. Wieso können wir alle nicht einfach ein normales Leben haben? Ich frag mich, ob es irgendwas gibt, dass uns wieder normal macht. Ob man diesen Wolf entfernen kann.

Ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter. Nein. Selbst wenn man so was könnte, ich könnte meinen Wolf nicht her geben. Ich habe mich an ihn gewöhnt. Er ist ein Teil von mir und es würde merkwürdig sein, ohne seine Anwesenheit in mir drin.

Irgendwann kam dann der behandelnde Arzt und gab uns einen aktuellen Bericht darüber, wie es mit den anderen steht. Dave, der die Kopfverletzung hat, wurde für Hirntod erklärt. Seine Organe sind noch intakt und jetzt wird nach Angehörigen gesucht um eine mögliche Organspende zu beantragen. Das Mädchen fing an zu weinen und Royce versteifte sich und biss die Zähne zusammen. Die zwei anderen Jungen versuchten das Mädchen zu trösten.

Der Arzt meinte, dass dies die schlimmste Nachricht blieb. Der Andere, der die Kugel in den Magen bekommen hatte, wurde eine Niere entnommen und er wird wieder gesund werden. Die anderen haben nur Knochenbrüche, die bald heilen werden.

Royce fragte, ob es möglich wäre Dave zu sehen aber es wurde noch nicht erlaubt. Er wird an Maschinen angeschlossen, damit seine Organe intakt bleiben.

"Royce", sagte Blake. Er drehte sich zu ihm. "Kommt ihr nach Hause?", fragte Blake doch Royce schüttelte den Kopf. "Wir werden alleine zu eurem neuen Haus gehen." Blake nickte und schob mich weg. Ich schob seine Arme weg und ging zu Royce. Ich fiel ihm um den Hals. "Es tut mir so schrecklich Leid was passiert ist", sagte ich. Royce tätschelte meine Rücken. "Es ist nicht deine Schuld. Geht ruhig. Wir reden wann anders." Ich nickte und löste mich von ihm. Ich winkte Bryan zu, verabschiedete mich von dem anderen und folgte Blake.

"Wir können von Glück reden, dass keiner von uns verletzt ist. Sonst hätte ich Tyler's Vater den Kopf abgerissen und den Anderen mit dazu.", sagte Blake mit tiefen Unterton als wir nach Draußen kamen. Ich schluckte. "Kennst du die, die verletzt sind?", fragte ich vorsichtig. Er schüttelte den Kopf. "Nein, noch nie gesehen. Royce muss sie wohl neu dazu geholt haben. Ich frag mich, warum er Frischlinge mit genommen hat. Er hätte die Älteren, Erfahrenen nehmen sollen." Er schüttelte den Kopf.

Ich würde morgen zum Krankenhaus gehen. Ich hatte ganz vergessen, nach Grandma zu sehen. Vielleicht würde Royce da sein. Dann könnte ich mit ihm reden. Er tat mir schrecklich Leid. Er gab sich bestimmt die Schuld für alles was passiert war. Es muss sich furchtbar anfühlen ein Rudelmitglied zu verlieren. Ich konnte Dave nicht mal kennen lernen. Wie wohl seine Familie damit umgehen wird? Sie würden am Boden zerstört sein. Ihren Sohn einfach so zu verlieren, so was hat niemand verdient.

Blake und ich betraten das Haus meiner Grandma. Ich ging ins Wohnzimmer und dort saß Tyler. Er drehte sich zu uns als wir rein kamen. "Wart ihr im Krankenhaus?", fragte er. Ich nickte. "Habt ihr meinen Vater gesehen oder irgendwas gehört?", fragte er und ich sah seinen traurigen Blick. Wieder schüttelte ich nur den Kopf. Ich setzte mich zu ihm und Blake verschwand nach oben.

Tyler sah enttäuscht auf seine Hände. "Er wollte mich nicht umbringen, richtig?", meinte er. "Nein Tyler, wollte er nicht.", sagte ich ihm und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. "Wenn ich nicht da gewesen wäre, hätte er euch alle erschossen." Ich nickte traurig. Wo er recht hat, hat er recht.

"Ich wünschte ich hätte das alles früher gewusst. Vielleicht hätte ich das irgendwie verhindern können. Ich wusste das er heute auf die Jagt geht, Jamie. Ich hatte nur gehofft, dass sie in einem anderen Waldteil jagen. Aber ich hab mich geirrt und damit alle in Gefahr gebracht. Es ist meine Schuld, dass sie euch angegriffen haben. Ich hätte euch warnen können. Ich bin schuld, dass Menschen... oder was auch immer tot sind."

Ich sah Tyler schockiert an. "Das ist doch totaler Schwachsinn! Wenn wir es gewusste hätte, wären wir trotzdem dort und hätten trotzdem auf sie gewartet. Wir hätten keine Möglichkeit gehabt, Royce und die anderen zu warnen.", erklärte ich.

"Ich hätte ihn aufhalten können. Mit ihm reden, dass er heute nicht raus gehen soll. Ich hätte so vieles tun können. Hab aber nichts getan. Ich hab nur stumm zu gesehen."

Ich legte eine Hand auf seine Schulter. "Hör auf dir für alles die Schuld zu geben. Wir alle haben irgendwie Schuld. Mach dir keine Gedanken." Er schüttelte nur den Kopf und stand auf. "Ich geh schlafen. Ich muss irgendwie meinen Kopf frei kriegen." Damit verschwand er und ließ mich allein auf der Couch.

Ich beschloss auch mich ins Bett zu legen. Es war zwar noch früh aber ich musste den heutigen Tag auch verarbeiten. Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, lag Blake schon im Bett. Ich zog mich leise um und legte mich neben ihm ins Bett. Er hatte mir wie immer den Rücken zu gedreht.

Ich schloss die Augen und versuchte zu schlafen.

"Gute Nacht", hörte ich Blake neben mir sagen.

Under the woods [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt