Kapitel 47 - Es herrscht komplettes Drucheinander.

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Ich konnte diesen Gedanken nicht ertragen. Mir war zwar klar, dass es nötig ist und das Dave eigentlich schon tot ist aber ich konnte einfach nicht mit ansehen wie Blake das macht. Selbst dafür war er zu gut. Er tötete immerhin einen Menschen. Es war ein merkwürdiger Gedanke mit dem ich mich einfach nicht anfreunden konnte. Selbst als Blake auf mich zu kam und mich versuchte zur Tür zu schieben.

"Ich bleibe", sagte ich entschlossen. Ich wusste nicht, was in mich gefahren war aber für mich schien es eine gute Entscheidung zu sein.

"Jamie, mach keinen Scheiß. Du musst das nicht mit ansehen."

Ich blickte ihn verwundert an. Woher kam plötzlich dieses Sanfte in seiner Stimme? Sein Blick sagte zwar, ich soll sofort hier raus aber seine Stimme klang dazu eher verständnisvoll.

Ich spürte wie jemand die Hand auf meine Schulter legte. "Du solltst das wirklich nicht mit ansehen. Komm." Meine Grandma schenkte mir ihr warmes aufmunterdes Lächeln. Wie sie es früher immer gemacht hatte.

Ich sah zu wie Royce Cole hoch hob und einfach über seine Schulter warf. Cole war sicher schwer aber es schien Royce nicht mal ein bisschen was aus zu machen.

"Ich bleibe", wiederholte ich meine Worte. Ich hörte Blake's Schnauben aber er drehte sich weg und sagte dazu nichts mehr. Meine Grandma sah mich wehleidig an. "Bist du dir da sicher?"

Ich nickte nur zur Antwort. Sie nickte und strich mir übers Haar.

"Wenn es dir zu viel wird, solltest du gehen." Und damit verschwand sie.

Blake, Dave, der Seelentreiber und ich waren jetzt alleine und zwei von uns würden sterben.

Ich sah wie Blake an den Bettrand trat. Er musterte Dave von oben bis unten und zog währenddessen etwas aus seiner Hosentasche.

Dann blickte er zu mir. Mit seinen eindringlichen Augen. "Wenn sein Herz nicht mehr schlägt, verschwinden wir aus dem Fenster. Die Ärzte werden angerannt kommen."

Ich nickte nur und schluckte einen festen Klumpen runter, der sich in meinem Hals gebildet hatte.

"Ich werde seine Pulsschlagader auf schneiden. Es geht schnell aber es wird jede Menge Blut fließen. Ich sag es dir ein letztes Mal. Du solltest gehen bevor ich anfange."

Ich schüttelte heftig den Kopf.

Er merkte trotzdem wie unsicher ich mit dieser Entscheidung war. Man konnte es mir förmlich von meinem Gesicht ablesen.

"Wenn du das tust, weil du mir Beistand leisten willst oder weil du denkst, es lässt mich besser fühlen, dann verschwinde. Ich brauch dich hier nicht und deine Unterstützung auch nicht.", knurrte er, sah mich aber nicht an.

Ich schluckte hart aber ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen.

"Ich tue das nicht für dich.", sagte ich und man konnte sogar an meinem Tonfall erkennen, dass ich nicht log.

Aber für wen tue ich es sonst?

Ich sah wie sich Blake zu mir umdrehte und mich mit hochgezogener Augenbraue musterte.

"Wir haben keine Zeit für diesen Schwachsinn. Mach das verdammte Fenster auf."

Ohne Widerrede lief ich zur Fensterbank und öffnete das Fenster weit.

Angenehme kühle Luft blies mir durch die Haare.

Ich riskierte einen Blick nach unten. Dort war eine Art Dach, auf das wir leicht springen konnten aber wohin dann? Es war zu tief um einfach runter zu springen. Wollte er an der Regenrinne entlang klettern oder was? Ich bin definitiv nicht gut darin.

Als ich mich um drehte, sah ich im gleichen Moment wie Blake das Messer an Daves Hals legte und mit einem tiefen Schnitt, die Ader durch trennte.

Mein Herz stoppte für einen kleinen Moment.

Das Blut floss förmlich aus dem Hals.

Das Pochen in meiner Brust setzte wieder ein und wurde schneller als Blake mit aufgerissenen Augen auf mich zu rannte. Es fühlte sich so an, als würde alles in Zeitlupe passieren.

Als er mich am Arm packte und zum Fenster zerrte, würde es wieder schnell.

"Gott, beeil dich", knurrte er mich an.

Ich schaffte es nicht mal meinen Fuß über das Fensterbrett zu setzten. Blake hob mich an und schubste mich förmlich raus. Zu meinem Glück schaffte ich es das Gleichgewicht zu halten.

Er hatte es während dessen raus geschafft und hatte das Fenster zu geknallt. Er sah mich eindringlich an.

"Verwandle dich und spring hier runter.", befahl er.

"Was?", rief ich verdattert.

"Tu es einfach."

Im nächsten Moment stand ein schwarzer Wolf vor mir. Er drehte sich nicht mehr um, sondern sprang einfach runter.

Ich schluckte hart und blickte ein letztes Mal hinter mich. Ich hörte das andauernde Piepen der Maschine und ohne weiter darüber nach zu denken, rief ich meinen Wolf in mir auf. Die Verwandlung geschah mitten im Sprung aber ich landete weich auf meinen weißen Pfoten.

Blake war schon weg aber ich konnte seinen Geruch wahrnehmen und es wäre mir ein leichtes ihm zu folgen.

Ich tat es aber nicht, sondern nahm wieder meine menschliche Gestalt an und rannte zum Vordereingang. Tatsächlich traf ich dort auf Royce und meine Grandma die beide Cole auf eine Bank hieften.

Plötzlich fiel mir auf, dass es im Krankenhaus definitiv Kameras gab und sie uns sicher gesehen hatten.

"Keine Sorge, ich hab sie abgeschaltet und sie haben es noch nicht gemerkt", erklärte mir Royce als hätte er meine Gedanken gelesen.

Erleichterung durchströmte mich. Also war es jetzt vorbei. Kein Seelentreiber und keine Geheimnisse. Es ist wieder alles normal. Abgesehen davon das wir immer noch Gestaltenwandler sind. Aber irgendwie hatte ich mich mit diesem Gedanken schon angefreundet. Es war nichts außergewöhnliches mehr außer das ich immer noch nicht alles wusste.

"Wir sollten ihn hier weg schaffen", meinte ich mit dem Blick zum Krankenhaus gewandt. Royce nickte und ich half ihm Cole zu stützten. Grandma folgte uns.

Damit wir nicht zu viel Aufmerksamkeit erregten, liefen wir durch den Wald. Es war zwar der längere und aufwendigere Weg aber so ersparten wir uns Ärger.

Royce blieb stehen und blickte mich an. "Setzten wir ihn kurz ab. Ich habe eine Idee."

Ich nickte etwas verwirrt aber gemeinsam lehnten wir Cole an einem Baumstamm.

Royce begann Seile aus dem Rucksack zu ziehen, den Blake mitgebracht hatte. Dort waren die Sachen drin, die meine Grandma gebraucht hatte.

Ich zog eine Augenbraue hoch. "Was hast du vor?" Doch bevor ich eine Antwort darauf bekam, stand Royce prächtiger Wolf vor mir. Ich wich erschrocken zurück.

"Du wirst mir helfen Cole auf meinen Rücken zu binden", hörte ich ihn in meinen Gedanken.

Ich blickte zu Grandma. Sie lächelte mich an. Ich schüttelte den Kopf.

"In Ordnung. Bring ihn nach Hause. Wir kommen hier schon klar.", schickte ich ihm zurück.

Es ist vielleicht ein guter Augenblick mit meiner Grandma alleine zu sein und mit ihr über alle zu reden.

Royce legte sich auf den Boden. Mit vereinten Kräften zogen meine Grandma und ich Cole auf seinen Rücken. Ich band seine Arme um Royce Hals und seine Beine wurden von meiner Grandma um seine Hüfte gebunden. Es sah ziemlich lustig aus aber ich unterdrückte es, nicht laut auf zu lachen, denn das war wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt dafür.

"Wir sehen uns dort", sagte Royce und war schon in den Wäldern verschwunden.

"Gut Kleines, stell mir deine Fragen. Du hast dir einen guten Zeitpunkt ausgesucht", sagte meine Grandma und ich sah sie erstaunt an. Manchmal frag ich mich, was sie noch alles kann.

Under the woods [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt