Kapitel 25 - morgendliche Überraschung

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"Wann wirst du es ihm sagen?", fragte ich ernst. Ich war immer noch ziemlich überrumpelt. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich hätte so was niemals erwartet. Ich habe einfach gedacht, er wäre von Natur aus so und würde mich aus irgendeinem erdenklichen Grund hassen. Vielleicht machte ich ihm Konkurrenz? Aber DAS hätte ich nicht erwartet.

Royce zuckte mit den Achseln. "Ich weiß nicht ob ich es ihm überhaupt sagen werde, er wird komplett durch drehen." Ich schüttelte verneinend den Kopf. "Du musst es ihm sagen! Er hat das recht zu erfahren dass er noch einen Vater hat!" Er stand plötzlich auf. "Lass das mein Problem sein." Er ging wieder nach Drinnen. Ich seufzte laut auf. Wäre ich anders zu ihm, wenn ich das gewusst hätte? Nein, wahrscheinlich nicht. Ich hätte trotzdem zurück geschrien. Es gibt keine Entschuldigung für sein Verhalten mir gegenüber.

Um dem, was drinnen passierte zu entgehen, entschloss ich mich in den Wald zu gehen. Ich vermisste es irgendwie über längere Zeit einfach Wolf zu sein. Für mich ist es immer so, als wäre ich plötzlich jemand anders. Als würde ich ein ganz anderes Leben leben. Meine Probleme sind kurzer Hand vergessen. Es machte mich glücklich. Das Beste daran war das verschärfen der Sinnesorgane wenn man sich verwandelt. Es ist so, als würde man einen Lautsprecher an die Ohren halten, als würde man 30 Nasen haben und als würden sich die Obefläche von Steinen, Gras und Stöcken verändert haben. Es war ein ganz anderes Gefühl. Ich könnte diese Gefühle mit keinen Worten der Welt erklären. Es war einfach überwältigend. Ich dachte darüber jedes Mal nach, wenn ich mich in nächster Zeit verwandeln würde. Es bereitete mir Vorfreude auf diese Gefühle.

Am Waldrand wechselte ich dann endlich meine Gestalt. Ich schüttelte mein weiches, weißes Fell und rannte los. Der Wind brachte mir keinen Widerstand. Es war eher so, als würde ich mit ihm gleiten. Er trieb mich voran. Ich beschleunigte meine Schritte nicht und verringerte sie auch nicht. Ich lief im gleichen Tempo gerade aus und spürte das Adrenalin durch meine Venen fließen. Es trieb mich an.

Ich hielt an, als ich an dem Seelensee ankam. Ich trat nach vorne und sah ins Wasser. Es war zum ersten Mal, dass ich mein Spiegelbild sah. Der weiße Wolf mit einem blauen und einem braunen Auge sah mir entgegen. Sein Ohr zuckte weil er die Töne von weiten aufnahm.

Plötzlich sah ich, wie ein schwarzer Wolf durch mein Spiegelbild hindurch glitt. Erschrocken sprang ich mehrere Schritte zurück. Mein Herz raste aber ich wagte es, noch mal ins Wasser zu schauen. Ich hatte die Seelen auf mich aufmerksam gemacht. Sie sahen mich alle an. War der schwarze Wolf eine Seele? Ich weiß es nicht. Ich dachte auch nicht mehr darüber nach, sondern lief wieder zurück. Die Sonne sank immer tiefer und es wurde immer dunkler.

Am Waldrand wechselte ich dann erneut meine Form und ging mit schnellen Schritten nach Hause. Ich öffnete die Tür und ging nach drinnen. Als ich meine Schuhe abstreifte, sah ich, dass Isaac, Bryan, Allison und Royce diskutierten. Ich kam ins Wohnzimmer und alle verstummten. Isaac kam zu mir. "Jamie, wo warst du?", fragte er besorgt. Ich zuckte mit den Achseln. "Im Wald." Seine Augen weiteten sich. "Du solltest uns zuvor Bescheid sagen, es war in den Nachrichten, dass in unserer Stadt Wölfe gesehen wurden. Du hast dich mitten auf der Straße verwandelt. Es sind Jäger auf der Jagt nach uns. Der Wald ist nicht mehr sicher für uns. Du kannst von Glück reden, dass dich keiner erwischt hat."

Ich sah ihn erschrocken an. "Das... wollte ich nicht. Ich dachte nicht...? Oh nein", murmelte ich verzweifelt. Royce war zu uns getreten und legte eine Hand auf meine Schulter. "Mach dir keine Sorgen. Sie werden sich schon beruhigen wenn sie niemanden im Wald finden.", meinte er und ich nickte. "Wir müssen uns ein paar Wochen vom Wald fern halten", sagte ich entschlossen. Alle nickten.

Ich ging an ihnen vorbei und ging auf mein Zimmer. Ich war froh das hier niemand drin war. Ich schloss meine Tür ab. Mir war es egal was ich damit riskierte. Ich wollte hier keinen Blake. Ich wollte einfach allein sein.

Ich legte mich ins Bett und steckte mir Kopfhörer in die Ohren und drehte der Tür den Rücken zu. Mir war es egal ob er die Tür eintretet oder sonstiges. Ich wollte einfach für eine zeit lang meine Ruhe.

Ich war schneller eingeschlafen als sonst.

Ich war im Wald aber in meiner menschlichen Gestalt.

Ich spürte den Wind um meinen Körper.

Anscheinend war ich nackt. Meine Füße setzten keine Abdrücke in den Schnee.

Ich lief einfach gerade aus.

Ich hörte jemanden meinen Namen rufen.

Es hörte sich so an, als würde die Person unter Höllenquallen stehen.

"Jaaamieee...."

Ich drehte mich um.

Dort stand Cole.

Er hatte eine Waffe auf mich gerichtet.

Ich sah, dass er geweint hatte.

Ich fragte mich wieso.

Er richtete die Waffe auf meinen Kopf.

"Ich weiß was du bist", hörte ich.

Es klang wie ein weit entferntes Echo.

"Du wirst sterben", knurrte er und drückte ab.

Als mich die Kugel treffen sollte, war ich aufgeschreckt. Es war schon hell geworden, weswegen ich mich entschied aufzustehen. Die Tür war noch heil was mich irgendwie wunderte und ich war am Leben.

Ich zog mir frische Sachen an und band mir meine schwarzen Haare zu einem langen Zopf. Diesmal vergaß ich nicht die Kontaktlinse an zu ziehen und schon hörte ich meinen Wecker klingeln.

Ich stellte ihn ab und schloss meine Zimmertür wieder auf. Plötzlich fiel mir Blakes Kopf entgegen und ich kreischte auf. Er zappelte auf und sah mich erschrocken an. "Warum zur Hölle schläfst du vor meiner Tür?", schrie ich. Er gähnte und rieb sich den Nacken. "Und warum musst du so schreien, Gott." Er stand auf, warf mir einen abweisenden Blick zu und ging nach unten.

Ich schüttelte den Kopf und ging jetzt ins Badezimmer, wo ich mir die Zähne putze und mein Gesicht wusch. Ich hatte noch sehr viel Zeit, deswegen nutzte ich die Zeit und sagte Cole Bescheid, dass er früher raus gehen soll, wenn er mich alleine erwischen will. Schneller als erwartet kam eine Nachricht zurück, dass er schon auf dem Weg ist.

So leise wie möglich schlich ich nach unten, doch sie sahen mich alle. Ich begrüßte sie und packte den Müllbeutel der schon seit Tag rum stand und unauffällig meine Tasche und ging nach Draußen. So schnell ich konnte warf ich den Müll weg und rannte zum Brunnen. Wie erhofft stand da Cole. Ich rannte ihm in die Arme und er drehte mich durch die Luft und lachte. "Warum rennst du?", fragte er. Ich sah mich um. "Damit sie mich nicht verfolgen.", meinte ich und nahm seine Hand. "Komm, wir nehmen heute einen kleine Umweg." Ich rannte los und Cole folgte mir überrumpelt. Ich suchte mir Schleichwege aus, damit sie uns ja nicht fanden. Ich atmete erleichtert aus, als einen perfekten Blick gefunden hatte.

Ich sah lächelnd zu Cole. "So, jetzt sind wir allein." Er schüttelte lachend den Kopf. "War das echt nötig? Meine Haare sind jetzt zerstört?" Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich war so froh, dass er wieder normal mit mir redete und das seine Haare das einzige Problem war. Ich hatte das so sehr vermisst, dass ich mich nach meinem alten Leben sehnte.

Under the woods [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt