Kapitel 38 - Gefühlschaos im wahrsten Sinne des Wortes...

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In mir breitete sich ein Feuerwerk der Gefühle aus. Ich roch seinen Duft ganz nah bei mir. Es war ein überwältigendes Gefühl. Ich schlang die Arme um ihn und erwiderte seinen Kuss. Die Schmetterlinge in meinem Bauch machten Luftsprünge. Ich spürte sein ganzes Körpergewicht auf mir und seine Lippen auf meinen. In dem Moment dachte ich an gar nichts. Ich vergaß alles was passiert war und war einfach nur fixiert darauf ihn zu Küssen.

Ich fuhr durch seine weichen schwarzen Haare, während seine schon längst in Meinen verwickelt waren.

Dieser Moment schien so absurd und zu gleich so richtig zu sein. Meine Gedanken fuhren Achterbahn während seine Zunge mit meiner spielte.

Und plötzlich war es vorbei. Ich lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden und Blake war weg. Langsam öffnete ich sie und setzte mich leicht auf. Blake stand mit dem Rücken zu mir gedreht. Ich stand mühselig auf und schüttelte den Kopf. Was zur Hölle war gerade passiert?

Ich öffnete den Mund um irgendwas zu sagen aber ich brachte keinen Ton heraus. Ich stand wie angewurzelt auf der Stelle und starrte ihn an. Wieso? Wieso hat er das getan? Und wieso hab ich seinen Kuss erwidert? Ich griff mir an die Lippen und strich darüber. Blake hat mich geküsst. Er hat mich geküsst und ich habe ihn erwidert.

"Es war ein Fehler", hörte ich Blake plötzlich murmeln. Es traf mich wie einen Schlag in den Magen, doch ich ließ mir nichts anmerken. Langsam drehte er sich zu mir und seine Augen verschlugen mir die Sprache. In ihnen war so viel Trauer, Wut und zugleich auch Zuneigung zu sehen.

Wieso passierte das gerade?

Er trat einen Schritt nach vorne. "Es war ein Fehler", wiederholte er erneut und machte einen weiteren Schritt.

Es schien, als wäre ich nicht mehr fähig zu sprechen. Tausende Schläge spürte ich in meiner Magengegend. Mein Kopf schrie mir, ich soll weg rennen, doch ich konnte nicht. Ich sah ihn nur gebunden an und sah wie er immer näher zu mir kam bis er wieder vor mir stand.

Wieder roch ich seinen Atmen. Er ließ meinen Kopf komplett den Verstand verlieren. Ich wusste nicht, wie es um mich geschah. Er starrte mich an und seine Lippen waren leicht geöffnet.

Ich hielt es nicht mehr aus. Dieses Schweigen. Diese Ungewissheit. Ihn hier mit mir stehen zu sehen. Seinen Geruch zu riechen und seine Nähe zu spüren.

Ich schlang die Arme um ihn und drückte ihm meine Lippen auf. Der Kuss wurde immer feuriger und diesmal drängender. Unsere Gefühle vermischten sich zu einem.

Seine Hand war in meinen Haaren fest gekrallt, während ich mich um seinen Hals klammerte. Tausend von Gedanken schossen mir durch den Kopf und keinen Einzigen konnte ich realisieren oder verstehen. Es schien als hätte ich die Kontrolle über mich und mein Handeln verloren.

Doch plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf, der mich sofort einen Schritt zurück treten ließ. "Er liebt dich nicht. Er liebt Julie." Mein Herz begann zu stechen und ich sah Blake schwer atmend an. Er hatte meine Gedanken gehört. Seine Augen waren weit aufgerissen und er starrte mich Geistes abwesend an. Im nächsten Moment hatte er sich um gedreht und sich verwandelt.

Dann war er weg.

Plötzlich sank ich zu Boden. Ich bin nicht Julie. Er liebt mich nicht. Er wird es nie tun und doch habe ich zu gelassen, dass ich es tue.

Heiße Tränen liefen meine Wange runter. Ich ignorierte sie und starrte in die Richtung, in die er gerannt ist. Dann kam der Schmerz wieder. Ich verbarg mein Gesicht in meinen Händen und begann hemmungslos zu Weinen. Meine Gefühle waren wie ein Kartenhaus zusammen gebrochen.

Ich hatte nie gewusst, dass ich so starke Gefühle für ihn haben konnte. Sie waren zwar immer da, aber ich hatte sie verdrängt, bis jetzt. Ich hätte wissen sollen, dass es irgendwann vorbei ist. Das ich es mir eingestehen muss. Und jetzt wo ich es getan habe, fühle ich mich noch schlechter als zuvor.

Wieso hat er das getan? Ich werde ihm nie wieder in die Augen sehen können. Er liebt mich nicht, wieso hat er es dann getan? Wieso musste er mich küssen? Wieso musste er es ein zweites Mal zu lassen?

"Es war ein Fehler"

Seine Worte wiederholten sich in meinem Kopf Millionen mal. Es war ein Fehler. Ein Fehler, der mich mehr traf, als alles andere.

Als ich mich irgendwann gefasst hatte und ich bereit war auf zu stehen, wischte ich meine Tränen weg und lief los. Nur eine einzige Person konnte mir jetzt helfen.

Ich betrat das Krankenhaus und steuerte das Zimmer meiner Grandma zu. In dem Moment kam eine Krankenschwester aus ihrem Zimmer. "Oh hallo, sie müssen bestimmt die Enkelin sein.", sagte sie und ich nickte verlegen. Sie erklärte mir irgendwas zu dem Zustand meiner Grandma, was ich schon lange wusste. Ich hörte ihr mit einem halben Ohr zu, als ich sah, wie Royce den Gang entlang lief. Ich sah die Schwester an. "Entschuldigen sie." Ich drängte mich an ihr vorbei und betrat das Zimmer meiner Grandma.

Royce war einer der Letzten, die ich jetzt sehen wollte. Ich wollte nicht mit ihm reden, noch nicht.

Ich blieb an der Tür stehen und hoffte darauf, dass er nicht auf den Gedanken kommt, hier rein zu gehen. Als ich nach 5 Minuten nichts hörte, atmete ich erleichtert aus und setzte mich zu meiner Grandma. Ich strich ihr über ihr weiches weißes Haare. Ihre Augen waren geschlossen und man hörte ihren Herzschlag durch das Piepen der Maschine. "Ich vermisse dich so sehr", murmelte ich und nahm ihre Hand in meine. Sie fühlte sich warm an. "Ich hoffe du wachst bald auf, Grandma. Ich brauche dich. Ich brauche dich so sehr." Erneut liefen Tränen über mein Gesicht.

"Ich weiß nicht mehr, was ich ohne dich machen soll. Es ist alles so schwer. Ich kann das nicht mehr lange.", sagte ich und fing an laut zu schluchzen.

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass jemand rein gekommen war, erst nachdem sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich drehte mich ruckartig um und sah in Royce Gesicht. "Nicht weinen, deiner Grandma wird es bald wieder gut gehen", sagte er und strich mir aufmunternd über die Schulter. Ich schniefte und wischte meine Tränen weg. Peinlich sah ich zu Boden. "Was machst du hier?", fragte ich. "Ich hab dich gesehen. Als du hier rein bist. Ich hab mir schon gedacht, dass du heute zu deiner Grandma gehst.", sagte er. Ich sah weiterhin zu Boden und blieb stehen.

Royce setzte sich zu mir und legte den Arm um mich. "Du brauchst dich nicht schämen, dass du geweint hast." Ich sah ihn vorsichtig an und er blickte mich mitfühlend an.

Ich schüttelte den Kopf. Mich überkam plötzlich erneut die Trauer. Ich verbarg mein Gesicht in meinen Händen und fing wieder an zu schluchzen. Royce rutschte näher an mich und lehnte seinen Kopf gegen meinen. Er strich mir über den Arm. "Ganz ruhig. Es ist okay", sagte er leise.

Es war mir egal, dass ich vor ihm weinte. Ich konnte nicht anders. Es war alles zu viel für mich.

Alles was in den letzten Tagen passiert war, brach jetzt in mir zusammen.

Ich bin nicht stark. Ich werde es nie schaffen mit all dem klar zu kommen. Meine Schwächen haben mich eingeholt. Ich konnte nicht mit so was klar kommen. Ich kann kein Rudel führen. Ich bin schwach. Ich kann so was nicht. Ich würde damit alle runter ziehen. Ich konnte nicht bei ihnen bleiben. Ich musste weg.

Alles was ich je in meinem Leben wollte, ist meine Grandma und meinen bester Freund Cole. Dieses Leben hat mir gereicht. Mehr habe ich mir nie gewünscht. Wieso konnte es nicht so bleiben?

Ich hab zu gesehen, wie jemand sterben musste. Ich musste kämpfen. Körperlich und Seelisch. Ich schaff das nicht mehr. Ich schaff es nicht so viel Verantwortung zu tragen. Ich kann das nicht.

Irgendwann hatte ich mich wieder beruhigt. Ich war ins Badezimmer verschwunden und hatte mir eiskaltes Wasser ins Gesicht gespritzt. Es war vom ganzen Weinen angeschwollen und ich sah allgemein ziemlich fertig aus. Meine Haare waren ebenfalls ein komplettes durcheinander.

Es grauste mich davor, wieder raus zu gehen. Ich hab mich bei Royce ausgeheult obwohl er derjenige ist, der Unterstützung braucht. Ich bin ein schlechter Mensch. Ich bin nicht gut für das Rudel. Ich bin nur ein Ballast. Ich sollte eigentlich stark sein. Mut zeigen, doch ich war das komplette Gegenteil davon.

Ich ging wieder zurück ins Zimmer. "Tut mir Leid, dass du mein...", fing ich an und stoppte, als ich sah, dass nicht mehr Royce im Zimmer stand sondern Blake.

Under the woods [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt