Das Training

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Staunend stand ich in der Tür. Leander hielt sie mir offen. Ich trat in den Raum. Er hatte seine eigene Wohnung. Ich hatte immer gedacht, dass er sich eine mit seinem Onkel teilen würde, aber ich hatte mich geirrt. Sein Apartment lag im obersten Stock der Organisation und von seinem Wohnzimmer aus hatte man einen Panoramablick über die Stadt. Während Leander in die Küche ging, genoss ich die Aussicht. Er hatte mich mit hier hochgeschleppt, weil er noch etwas zu erledigen hatte. Die Küche war nicht weit und so musste ich ihm nicht hinterher laufen. Plötzlich sah ich etwas aus den Augenwinkeln. Eine graue Katze lugte hinter dem Sofa hervor. Unsicher blickte sie mich an. Ich war überrascht, ich hatte gar nicht gewusst, dass Leander ein Haustier hatte. Lächelnd hockte ich mich auf den Boden und streckte die Hand nach ihr aus. Erst kam sie ein paar Schritten auf mich zu, dann rannte sie jedoch davon und versteckte sich hinter der Gardine. Ich beobachtete sie wie sie sich dort zusammenrollte und ihre Schwanzspitze unter dem Stoff hervorlugte. Leander tauchte hinter mir auf: „Sie ist keinen Besuch gewöhnt.“ Er hatte einen Teller in der Hand. Langsam ging er an mir vorbei hockte sich auf den Boden und stellte das Katzenfutter ab. Vorsichtig lugte diese wieder aus ihrem Versteck hervor. Als sie Leander sah, miaute sie glücklich und lief ihm entgegen, dann schmiegte sie sich an ihn und ging dann zu ihrem Futter. Ich stand auf. Ich fand es traurig: Sie ist keinen Besuch gewöhnt, hatte er gesagt. Ich fragte mich doch wieso es so war, wieso lud Leander niemanden zu sich ein. Sein Onkel war reich, all die Sicherheitskontrollen könnte er einfach auf seine Arbeit schieben und er würde noch nicht mal lügen. Leander kapselte sich von allen ab. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es nur an seinem Geheimnis lag. Ich schaffte es ja auch. Ok aber ich wusste auch noch nicht sehr lange davon, ich konnte es ja schlecht ändern. Leander kannte sein wahres ich seit er auf der Erde war. In der Schule verstand er sich zwar mit den Jungs und unterhielt sich auch mit ihnen, aber niemand von ihnen schien sein Freund zu sein. Ich hatte immer geglaubt, ihm sei keiner gut genug, aber hatte ich damit recht gehabt. Ich setzte mich auf das Sofa: „Wie heißt sie denn?“ Leander stand auf: „Ihr Name ist Nini. Ich habe sie nach meiner kleinen Schwester benannt.“ Ich sah zur Seite, als er in meine Richtung blickte. Er vermisste sie. Ich fragte mich wie es wohl war, wenn man sich an seine Familie erinnern konnte aber wusste, dass man sie niemals wieder sehen würde. Ich schluckte. An wie viel konnte er sich eigentlich erinnern und war es besser so wie ich nichts mehr zu wissen. Ich sah wieder auf. Leander blickte leer aus dem Fenster. Seine Haare hingen ihm über die Augen. Ich wurde aus ihm einfach nicht schlau. Mit einem Mal hatte er alles durcheinander geworfen. Erst war er nur ein Idiot und jetzt sehe ich, wie er dort steht und leer in die Ferne blickte mit den Gedanken an die Erinnerung, an die, die er nicht mehr wiedersehen wird. Warum konnte er sich nicht einfach weiterhin wie ein Idiot aufführen dann hätte ich es einfacher. Ich würde ihn hassen und alles wäre gut. Meine Gedanken würden nicht ständig zu ihm abschweifen. Ich wollte nicht an ihn denken. Aber was dachte ich mir dabei eigentlich er war für die nächste Zeit mein Partner und wenn ich mich nicht mit ihm beschäftigte, dann wüsste ich nichts über ihn und dann würde es schwierig mit ihm zusammen zu arbeiten. Es war ja nicht so, dass es mich wirklich interessierte. Obwohl ich doch feststellen musste, dass ich immer aufmerksam zugehört hatte. Als er so still da stand hatte ich das Gefühl als hätte ich diese Stille schon einmal irgendwo gespürt, aber ich drängte es mir sofort wieder aus dem Kopf. Plötzlich spürte ich etwas zu meinen Füßen. Nini stand vor mir und sah mich mit schiefem Kopf an. Ich lächelte. Plötzlich sprang die Katze auf meinen Schoß. Sie war doch nicht so schüchtern wie ich zuerst gedacht hatte. Sie miaute glücklich und machte es sich dann auf meinem Schoß bequem. Vorsichtig legte ich meine Hand auf sie und war überrascht ihr Fell war so unglaublich weich. Als Leander sich dann jedoch wieder drehte und auf uns zu ging sprang sie sofort wieder auf und schlich um ihn herum. Er lachte leise und hob sie hoch: „Du klebst an mir wie Nini damals auch.“ Die Katze miaute glücklich und stupste ihm mit ihrer Nase ins Gesicht. Dann setzte er sie wieder ab und ging zur Tür. Ich stand auf. Wir waren also hier hoch gekommen um seine Katze zu füttern. Ich zuckte mit den Schultern und folgte Leander: „Und was machen wir jetzt, wir haben noch den ganzen Nachmittag Zeit.“ Doch Leander schüttelte nur den Kopf: „Wir haben keine Zeit, falls du dich erinnerst steht heute noch Training auf dem Programm.“ Ich verzog das Gesicht. Und da war er wieder der nervige Idiot, der es schaffte die Stimmung von einem Moment auf den anderen zu zerstören. Wir gingen zum Fahrstuhl. „Warum müssen wir das machen ich kann mich verteidigen, ich habe doch den Gaskus besiegt, ist das nicht Beweis genug?!“, schmollend lehnte ich an einer Wand. Leander lehnte mir gegenüber: „Du benimmst dich wie ein kleines Kind. Und du kannst dich nicht gut genug verteidigen. Was ist zum Beispiel mit der Wunde an deinem Arm und was ist wenn du einfach nur Glück hattest, dass hast du ja selbst gesagt und vor allen Dingen gibt es noch weitausgefährlichere Monster als einen Gaskus.“ Ich kaute auf meiner Unterlippe herum: „Und wenn schon, dann kümmerst du dich halt um die.“ Leander lachte: „Ach und jetzt soll ich dich auf einmal doch beschützen.“ Ich biss mir auf die Lippe.

Der rote MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt