Schließlich war auch die letzte Stunde herum. Marlin und Laurin stellten sich zu mir, wir wollten gerade aufbrechen als Marlin zu Carolin lief: „Hey Caro, warum kommst eigentlich nicht bei uns mit, du wohnst doch nur ein paar Straßen entfernt.“ Carolin drehte sich um: „Das würde ich ja gerne, aber nach der Schule ist immer das Treffen von Leander Fanclub und dass will ich nicht verpassen.“ Während sie das sagte ging sie auch schon davon. Marlin blieb erst stehen und kam dann zu uns zurück. „Ich finde das langsam ein wenig übertrieben.“, sagte ich und ging aus dem Klassenraum. Laurin und Marlin folgten mir. „Ob ich auch bei diesem Fanclub mitmachen sollte?“, Laurin träumte vor sich hin. „Bloß nicht.“, zischt Marlin sie an. „Stimmt, ich habe sowieso keine Zeit.“, Laurin rannte voraus und drehte sich dann um. Rückwärts ging sie vor uns: „Jetzt sagt mal ehrlich, was haltet ihr heute von meinem Kostüm?“ Sie trug ihre blonden Haare zu einer Hochsteckfrisur und hatte ihre blauen Augen stark umschminkt. Das rosane Prinzessinenkleid erstreckte sich bis zu den Füßen und ein mit Rüschen geschmückter Schirm war aufgespannt. Marlin blieb stehen und sah sie kurz kritisch an, dann ging sie weiter: „Es ist sehr Mädchenhaft, schön genäht, schöner Stoff. Nur mir wäre das Ganze ein wenig zu pink, aber ich finde dir steht es, auf gewisse Art und Weise, aber du könntest ruhig ein bisschen weniger Schminke benutzen.“ „Und du Emma, was sagst du?“, Laurin drehte sich mehr zu mir. „Ich bin ganz Marlins Meinung. Aber du solltest wirklich ein bisschen weniger Schminke benutzen.“ Laurin blieb stehen und holte sofort einen Spiegel aus ihrer Tasche. Sie sah hinein: „Du hast Recht. Aber erinnert ihr euch an letzte Woche, da hatte ich haufenweise Glitzersteinchen im Gesicht, ich glaube das war schlimmer.“ Marlin lachte. Ich drehte mich fragend zu ihr um. „Ja das war definitiv schlimmer.“, sagte meine Freundin: „Ich finde diese Steinchen immer noch auf meiner Kleidung, die sind dir im Laufe des Tages wie Schneeflocken von deinem Gesicht gefallen.“ Laurin schaute erst beleidigt drein, doch dann lachte sie auch. Zusammen verließen wir das Schulgebäude. Der Wind strich mir sanft die Haare aus dem Gesicht. Aber irgendetwas fühlte sich komisch an. Ich drehte mich um, doch ich konnte nichts sehen was anders war als sonst. „Emma komm schon.“ Marlin und Laurin standen schon am Tor. Schnell eilte ich ihnen hinterher. Wir redeten den ganzen Weg lang, doch kein einziges Mal fiel ein Wort über meine Vergangenheit. Ich war auch froh darüber, meine Freunde hatten sofort verstanden, dass ich nicht darüber sprechen wollte. Es war mir ziemlich schwer gefallen doch nachdem ich Jahre lang geschwiegen hatte, hatte ich es irgendwann nicht mehr ausgehalten. Ich hatte ihnen die Wahrheit erzählt. Die Wahrheit, dass ich mich nicht erinnern konnte an das was vor meinem zehnten Lebensjahr war. Mein Vater hatte mich am Strand gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Ich hatte mein Gedächtnis verloren. Ich wusste nicht wer ich war, auch ihn hatte ich in meinem Leben noch nie zuvor gesehen. Er meinte ich hätte bei meiner Mutter gelebt und dass er sich schon vor meiner Geburt von ihr hatte trennen müssen. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde bin ich bei ihm eingezogen und zur Schule gegangen. Ich hatte mein Leben gelebt als wäre ich ein normales Kind. Und dennoch ist es mir schwer gefallen. Das einzige was ich noch von meiner Kindheit hatte war ein silbernes Medaillon. Ich trug es immer doch die zwei Kinder auf dem Foto, die neben mir standen kannte ich nicht. Das Bild erschien mir vor Augen, der Junge mit den blonden Haaren und den schwarzen Punkte. Und der Junge mit den schwarzen Haaren. Der eine lachend der andere ehr ruhig. Sie schienen gute Freunde gewesen zu sein. Doch ich erinnerte mich nicht mehr. Mein Vater hatte mir nur Gutes über meine Mutter erzählt jedoch nicht viel. Und aufgrund seiner Arbeit hatte er mit der Weile kaum noch Zeit für mich. Unsere Haushälterin Arian war wie eine Ersatzmutter für mich. Ohne sie hätte ich mich echt einsam gefühlt.
Wir kamen an der Kreuzung an der wir uns immer trennten. „Tschau Emma, bis morgen.“, Laurin bog schon in die Straße ein. „Emma versprich mir, dass du dich ein wenig ausruhst. Ich möchte nicht, dass du noch einmal in Ohnmacht fällst hast du das verstanden?“, mit diesen Worten verabschiedete sich auch Marlin von mir. Ich stand nun alleine da. Ich war heute in der Schule zusammengebrochen, das lag wahrscheinlich daran, dass ich seit Wochen kaum noch schlief, wegen eines mich plagendem Albtraums. Ich seufzte, ich hätte es wesentlich schnell vergessen, wenn nicht ausgerechnet Leander mich zur Krankenstation hätte bringen müssen. Ich winkte noch einmal, dann machte auch ich mich auf den Weg. Ich kam an der kleinen Gasse an, die mich noch von zu Hause trennte. Das rote Mehrfamilienhaus steckte sich vor mir in die Höhe. Ich ging zwischen ihnen hindurch. Hinter ihnen lag „das Paradies“, so hatten meine Freundinnen mein zu Hause getauft. Mein Vater hatte viel Geld und auch eine dem entsprechende Villa. Der Garten war überdimensional groß und mit Bach und Pool versehen. Auch wenn es nicht mehr weit war, hatte ich ein ungutes Gefühl nachts tummelten sich hier bestimmt viele betrunkene Jugendliche herum, tagsüber war ich glücklicher Weise noch niemandem hier begegnet. Plötzlich hatte ich wieder das Gefühl, dass jemand hinter mir stand. Ich drehte mich ruckartig um und sah gerade noch wie ein Schatten hinter der Ecke verschwand. Mein Gefühl hatte mich also nicht getäuscht. Ich rannte sofort hinterher, doch als ich wieder an der Kreuzung angekommen war, war dort niemand verdächtiges mehr zu sehen. Seltsam. Ich machte mich auf dem Weg zurück nach Hause, eigentlich gab es ja noch einen anderen Weg, aber dieser hier war um einiges kürzer. Ich kam an unserer Forte an. Schnell gab ich die Geheimzahl ein und betrat unser Grundstück. Es war wirklich wie ein kleines Paradies hier. Ein langer Weg ergab sich vor mir, er führte sogar über eine Brücke. Der kleine Bach darunter schlängelte sich durch unseren ganzen Garten, bis hin zu unserem Teich. Links und rechts neben mir wuchsen riesige Bäume in die Höhe und vor mir lag unser Haus. Ein schwarzer Mercedes parkte vor der Tür. Mein Vater hatte mal wieder Besuch. Herr Black kam jeden Tag vor und nach dem roten Mond einmal zu uns. Ich öffnete die Tür und trat ein. Arian blickt überrascht um die Ecke: „Ich hatte dich nicht so früh erwartet, ich dachte du kämest später, das hattest du doch heute Morgen auch noch gesagt.“ „Ja, aber ich habe mich um entschieden.“, ich zog meine Schuhe aus. „Das Essen ist jetzt aber noch nicht fertig.“, Arian lief hektisch zurück in die Küche. „Das brauch‘ es auch noch nicht, ich habe noch keinen Hunger. Ich gehe erst noch in den Garten.“ Doch als aller erstes eilte ich nach oben und zog mich um. Ich schmiss die Schuluniform in den Kleiderschrank und griff nach der Alltagskleidung. Ich war gerade auf dem Weg nach unten als es an unserer Forte klingelte. Arian war schon zur Stelle. Als ich unten angekommen war öffnete sie gerade die Tür: „Ah, Sie werden schon erwartet, ich führe Sie zu den Herren.“ Als unser Gast schließlich eintrat war ich überrascht, denn dort stand niemand anderes als Leander. Er sah mich kurz an, doch dann folgte er Arian zu dem Büro meines Vaters. Ich stand immer noch im Flur, als Arian zurückkehrte. Sofort eilte ich zu ihr: „Was macht Leander hier?“ Unsere Haushälterin rannte querbeet durch die ganze Küche. „Der junge Herr Black ist der Neffe von Chito Black, dem Angestellten und guten Freund deines Vaters.“ Immer noch irritiert stand ich da: „Ja, aber was macht er hier bei uns zu Hause.“ Arian blieb stehen: „Das weiß ich doch nicht mein Kind, frag deinen Vater.“ Ich ging aus der Küche, ich würde meinen Vater später irgendwann fragen. „Und Kind, die Herren bleiben zum Abendessen, dein Vater möchte, dass du dich schick anziehst.“, Arian rief aus der Küche heraus. Genervt machte ich mich auf den Weg in unseren Garten. Er war riesig, doch ich hatte meinen Lieblingsplatz. Auf direktem Weg ging ich zu den Felsen. Die Steine Waren schön groß und erwärmten sich in der Sonne schnell, sie lagen genau vor dem kleinem Bach. Ich setzte mich auf sie, dann hing ich meine Füße in das Wasser. Es war ein schönes Gefühl. Ich sah in den Himmel, ich verstand das einfach nicht: Wieso war Leander bei uns? Chito war vielleicht ein Freund meines Vaters und Leander war sein Neffe, aber er hatte doch nichts mit meinem Vater zu tun, also warum durfte er bei ihrer Besprechung dabei sein. Ich durfte es doch auch nicht dabei war das hier mit mein zuhause. Aber eine gute Sache hatte das ganze ja schon, auch wenn wir Gäste hatten würde es schön sein endlich mal wieder mit meinem Vater zu Abend zu essen. Ich hatte ihn in letzter Zeit wirklich sehr selten gesehen.
Einige Zeit noch lag ich ruhig auf den Steinen bis Arina mich rief: „Emma, dein Essen ist fertig.“ Ich sprang auf. Gemeinsam gingen wir in die Küche. Ich setzte mich auf einen der Stühle. Arian deckte währenddessen den Tisch. „Was ist denn los mein Kind, du bist so still.“ „Mich stört es nur, das mein Vater schon wieder nicht mit uns zu Mittag ist. Ich glaube er hat das letzte Mal zu Heiligabend mit uns gegessen.“, ich stützte den Kopf in meine Hände. „Dein Vater hat halt viel zu tun.“, Arian versuchte ihn schon wieder zu rechtfertigen. „Ja, aber ich finde es traurig. Er verbringt viel mehr Zeit mit Chito als mit mir. Ich hab ihn schon die ganze letzte Woche nicht mehr gesehen.“ Arian stellte mir das Essen auf den Tisch: „Ja, dein Vater kommt in letzter Zeit sehr selten aus seinem Büro. Gerade mal morgens kommt er manchmal aus seinem Raum um sich ein Frühstück zu holen. Wenn ich gerade einkaufen war, treffe ich ihn manchmal noch wie er wieder in sein Büro zurückgeht.“ Arian lachte: „Weißt du jedes Mal, wenn ich ihn erwische, dass er an die Sachen in der Küche gegangen ist guckt er immer wie ein kleines Kind, dass man beim Kekse klauen erwischt hat.“ Nun musste auch ich lächeln.
Nach dem Essen schnappte ich mir ein Buch aus meinem Zimmer und ging zurück zu meinem Lieblingsplatz. Ich war so vertieft, dass ich gar nicht merkte, dass mich Arian rief. Und so schreckte ich hoch als plötzlich Leander vor mir stand: „Emma. Eure Haushälterin sagt du sollst ins Haus kommen, es ist jemand am Telefon für dich.“ Ich sah ihn nur kurz an, dann sprang ich auf und rannte an ihm vorbei ins Haus. Warum ausgerechnet Leander? Ich rannte weiter. In der Küche hob ich den Hörer ab. „Hallo?“ „Hi Emma.“, ertönte Marlins Stimme. „Oh hi.“ „Ich wollte fragen ob du heute Zeit hast. Ich weiß ich hab gesagt, du sollst dich ausruhen, aber wir müssen ja nichts Anstrengendes machen.“ Ich horchte auf. Eine Verabredung war genau das was ich gerade brauchte, einfach nur irgendetwas was mich ablenkte. „Gute Idee, natürlich hab ich Zeit.“ „Schön, ähm macht es dir was aus, wenn ich zu dir komme. Mein Bruder feiert heute bei uns zu Hause ein Geburtstagsparty und ich kann hier keine Sekunde länger bleiben.“ „Natürlich. Komm einfach rüber.“ „Danke, wir sehen uns dann gleich.“, schon hatte Marlin den Hörer aufgelegt. Nun interessierte mich jedoch etwas Anderes. „Arian, würdest du mir bitte mal erklären warum du Leander geschickt hast um mir zu sagen, dass jemand für mich angerufen hat.“ Arian stand schon wieder am Herd und war an mehreren Töpfen gleichzeitig zu Gange. „Der Junge war gerade im Flur, dein Vater hatte ihn kurz heraus geschickt, da er noch etwas mit Chito persönlich besprechen musste und da ich gerade an den Herd gebunden bin hab ich ihn geschickt.“ Genervt sah ich sie an. Sie hatte ja nicht die leiseste Ahnung wie ich diesen Jungen verabscheute. Ich hatte mir gewünscht dass er nie im Leben auch nur in meine Nähe kommen würde, mal abgesehen von der Schule und nun geisterte er auch noch bei uns im Haus herum und spielte Bote für unsere Haushälterin. „Ach übrigens Marlin kommt gleich vorbei.“, sagte ich daraufhin nur und verließ die Küche. Ich machte mich wieder auf den Weg nach draußen, doch im Flur blieb ich stehen. Leander stand in unserer Tür zum Garten und blickte nach draußen. Er war wirklich schön, dass musste ich ja schon zugeben, besonders, wenn man ihn mit einem so idyllischen Hintergrund sah und er einfach nur ruhig dastand. Seine schwarzen Haare schimmerten im Sonnenlicht. Er wirkte schon gleich nicht mehr so eingebildet, aber ich ließ mich nicht täuschen. Ich drehte mich in die andere Richtung und verließ das Haus durch die Vordertür. Ich entschied mich jetzt schon zur Forte zu gehen und dort auf Marlin zu warten. Ich ging also durch die Seitentür und stellte mich vor die Mauer. Hier hatte ich wenigstens einmal meine Ruhe, keine Arian, die etwas von mir wollte und auch kein Leander. Nur ich und bald meine Freundin. Es war schön einen Moment lang Ruhe zu haben. Ich spürte die erwärmte Mauer an meinem Rücken und hörte die Vögel zwitschern. Sommer war eine wirklich schöne Jahreszeit. Ich schloss die Augen und genoss den Moment.
„Hi Emma.“, Marlin war nur noch wenige Meter von mir entfernt. „Warum wartest du denn hier draußen. Ich stellte mich wieder gerade hin: „Ich habe das Gefühl ich kriege da einfach keine Ruhe.“ Marlin sah mich skeptisch an: „Ihr habt einen riesigen Garten, der aussieht wie das Paradies selbst und du willst mir sagen du bekommst keine Ruhe.“ „Ja. Dank unseres Gastes.“ „Ihr habt einen Gast, ist es wieder Herr Black.“ „Ja, der sowieso, aber wir haben noch einen Gast, seinen Neffen.“ Fragend sah meine Freundin mich an. „Leander“, sagte ich zur Erklärung. Sofort machte sie große Augen: „Leander ist bei euch zu Besuch, das ist ja cool.“ Ich blickte finster drein: „Das ist überhaupt nicht cool Marlin.“ Sie guckte sofort genervt: „Nun hab dich mal nicht so, der süßeste Junge der Schule ist gerade bei euch zu Hause.“ Ich öffnete ihr die Forte. „Ist ja schön und gut, aber ich halte nun mal nicht sehr viel von ihm. Er ist ein extremer Einzelkämpfer, unhöflich zu jedem der etwas mit ihm zu tun haben will und furchtbar eingebildet. Aber weißt du, was das schlimmste ist, als du angerufen hast ist ja Arian dran gegangen, aber da sie am Herd beschäftigt war hat sie Leander geschickt um mir Bescheid zu sagen.“ Marlin sah mich immer noch neidisch an: „Sag mal Emma, warum ist er überhaupt bei euch.“ Ich drehte mich zu ihr um: „Das ist es ja, ich weiß es nicht, mein Vater hat ihn eingeladen, da er der Neffe von Chito ist und jetzt bleiben die beiden sogar zum Abendessen.“ Nun wurde Marlin richtig neidisch: „Oh man, sie bleiben auch noch zum Abendessen? Ich will mit dir tauschen, dein Vater ist reich, euer Haus eine Villa und der beliebteste Junge der Stufe ist gerade bei dir zu Hause.“ Wir gingen zusammen zu meinem Lieblingsplatz im Garten. „Ja weißt du, ich würde auch gerne mit dir tauschen: keine Albträume, kein Stress wegen Noten und ein Vater, den man wenigstens zum Abendessen sieht.“ Marlin hielt augenblicklich den Mund: „Tut mir leid.“ „Schon gut, kannst du ja nichts dafür. Es ist nur so, dass ich meinen Vater schon seit Wochen nicht mehr wirklich gesehen habe. Nur mal so eben zwischendurch, aber das ist nun mal nicht das gleiche, als wenn er von der Arbeit nachhause käme und mit einem zu Abendbrot isst.“ Marlin sah mich eindringlich an: „Dann ist es doch gut, dass Leander da ist!“ „Was? Nein!“, ich glaubte Marlin hatte noch nicht verstanden, was ich dachte. „Doch, überleg doch mal: dein Vater hat Gäste und einer davon ist Leander und nur dank euren Gästen kannst du heute Abend mal wieder zusammen mit deinem Vater essen.“, Marlin hatte mich sehr wohl verstanden. „Aber ich habe keine wirkliche Gelegenheit mich mit ihm zu unterhalten, wenn die anderen beiden dabei sind.“, ich sah zu Boden. „Du hast Recht, aber immerhin siehst du ihn mal wieder.“, meine Freundin versuchte mich aufzumuntern. Wir beiden saßen noch einige Zeit draußen zusammen auf den Felsen, dann standen wir auf. Wir wollten auf mein Zimmer gehen. Aber gerade als wir in den Flur gingen, lief uns Leander über den Weg. Marlin blieb automatisch wie angewurzelt stehen. Ich drehte mich zu ihr um, doch ihre ganze Aufmerksamkeit galt nur unserem Klassenkameraden. Warum stand er hier eigentlich immer noch, mein Vater könnte ihn ruhig mal wieder zu sich ins Büro holen. Genau in diesem Moment ging die Tür am Ende des Flures zu dem Zimmer meines Vaters auf. Leander blickte sofort in die Richtung, auch mein Blick richtete sich sofort auf die Tür. Schließlich traten Herr Back und mein Vater heraus. Herr Black war ein hochgewachsener Mann, er war jedoch nicht stämmig und auch nicht zu dünn. Und obwohl er noch nicht alt war hatte er weiße Haare. Was mich an seiner Frisur immer ein wenig irritierte waren die ringe aus schwarzen Haaren. Er trug einen schwarzen Anzug und hatte eine Ledertasche in der Hand. Mein Vater stand neben ihm. Er hatte blonde Haare mit ganz kleinen dunklen Punkten darin, genau wie der Junge auf dem Foto, nur dass sie bei dem Jungen an manchen Stellen eher Fleck ähnlich waren. Ich hatte mich schon immer gefragt, was das für Punkte waren. Er trug ebenfalls einen Anzug. Auf mich wirkte das ganze sehr wie das Treffen von Politikern. „Ok, Hioya, ich hole eben die Unterlagen, dann komme ich sofort zurück.“, Herr Black war schon auf dem Weg. „Warte Chito, was ist mit Leander?“, mein Vater kam ihm hinterher. „Der kann hier kurz warten.“, sagte Chito und verschwand durch die Haustür. Er stieg in seinen Wagen und fuhr einfach davon. „Wie jetzt? Warum blieb Leander jetzt hier?“, nachdenklich stand ich da. Mein Vater kam auf uns zu. „Du hast deinen Onkel gehört, er muss kurz ein paar Unterlagen aus dem Labor holen, geh doch ins Wohnzimmer und mach es dir bequem.“ Leander nickte nur und machte sich dann tatsächlich auf den Weg. Dann drehte mein Vater sich zu mir um: „Oh hallo Emma, du hast Besuch?“, er schaute auf Marlin. „Ja.“, antwortete ich knapp. „Tut mir leid, ich habe im Moment keine Zeit, ich muss noch ein paar Sachen erledigen.“, damit drehte mein Vater sich schon wieder um: „Aber wir sehen uns zu Abendessen ja noch einmal, zieh dir bitte gute Sachen an, schließlich haben wir Gäste.“ Er ging zurück in sein Büro. Ich hörte noch wie die Tür ins Schloss fiel. „Dein Vater und du, ihr habt im Moment kein sonderlich gutes Verhältnis zu einander oder?“, Marlin schaute auf die verschlossene Tür. Ich drehte mich um und ging die Treppe nach oben: „Nein.“ Marlin war sofort hinter mir. „Eure Unterhaltung ist sehr kurz ausgefallen.“ „Ich weiß!“, ich klang ein wenig genervt. Marlin blieb stehen: „Hey, das musst du jetzt aber nicht an mir auslassen.“ Sie hatte ja Recht, nur, weil mein Vater es nicht schaffte Zeit für mich aufzubringen hieß es ja noch nicht, dass ich alles an meiner Freundin ablassen musste: „Tut mir leid.“ Wir gingen auf mein Zimmer. Ich schmiss mich augenblicklich auf mein Bett. Marlin setzte sich zu mir: „Du hättest, aber auch etwas freundlicher zu ihm sein können.“ Ich vergrub mein Gesicht in meinem Kopfkissen: „Ich weiß, Marli, aber das ist gar nicht so einfach. Man bekommt einfach kein vernünftiges Gespräch zu Stande, wenn der andere nur so wenig Zeit hat. Ich meine selbst zu meinem Geburtstag ist er nie da. Jedes Mal wenn irgendetwas ist wo ich möchte, dass er kommt, bekomme ich stattdessen ein Entschuldigungsgeschenk.“
Wir saßen eine ganze Weile in meinem Zimmer, bis es plötzlich an der Tür klopfte. Arian trat ein: „Es tut mir leid, wenn ich euch unterbreche Mädchen, aber Emma, du solltest dich langsam mal umziehen.“, ohne eine Antwort von mir abzuwarten ging sie an meinen Kleiderschrank.Zu guter Letzt sah ich noch einmal in den Spiegel. Ich trug eine weiße Bluse und einen hellgrünen Rock. Meine Haare hingen mir über die Schulter. Hinten waren ein paar Strähnen mit einer grünen Schleife zusammengebunden.
Ich stand an unserer Haustür und verabschiedete gerade noch Marlin. „Danke noch einmal.“, rief ich hier hinterher. Sie lachte nur und winkte, dann ging sie davon.

DU LIEST GERADE
Der rote Mond
Roman pour AdolescentsOhne Erinnerungen zu leben ist nicht leicht. Doch kompliziert wird es für die 16-jährige Emma erst, als sie erfährt wer sie wirklich ist. Zusammen mit Leander, dem einzigen Jungen der sie verstehen könnte, doch den sie nicht leiden kann, sitzt sie a...