Verschwiegen

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„Emma“, von weitem hörte ich Leander nach mir Rufen. Ich wollte schon aufspringen und zu ihm laufen, einfach nur um nicht mehr alleine zu sein. Doch ich blieb still. Ich wollte nicht alleine sein, aber ich wollte auch nicht zu Leander. Er hatte gerade wichtigeres zu tun, er hatte seine Familie wiedergefunden. Oder zumindest seine Schwester. Im Moment würde er mich nicht verstehen. Wie sollte er auch. Er hatte Erinnerungen an diesen Planeten, ich hatte sie nicht. Und außerdem hatte ich nicht das Gefühl, dass es richtig wäre allen zu erzählen, was gerade passiert war. Ich schniefte. Tränen liefen mir die Wangen herunter. Ich war armselig, warum ging ich nicht einfach zu ihnen zurück, ich habe so oft so getan, als wäre nichts gewesen, wieso konnte ich es jetzt nicht. Wieso konnte ich mich nicht für Leander freuen. Es war doch schön, dass wenigstens er gefunden hat was er gesucht hatte, aber ich fühlte mich irgendwie alleine gelassen. Bis jetzt ist er der einzige gewesen, der mich hatte verstehen können, aber nun war die Verbindung weg. Jetzt stand ich alleine da und er war nur noch ein Idiot.

Der kalte Wind der Nacht pfiff mir um die Ohren. Und während im Dorf alle nach mir suchten zog ich mich an der Mauer zusammen und dachte nach. Morgen früh würde ich zu ihnen zurückgehen, aber heute Nacht nicht. Ich wollte mich erst einmal beruhigen, man konnte nur so tun, als sei nichts, wenn man selbst akzeptiert hat was passiert ist und das konnte bei mir noch eine Weile dauern. Ich wollte nicht die ganze Nacht alleine sein, ich hatte Angst, dass die Stimmen wiederkämen, aber ich konnte einfach noch nicht zurück. Was war eigentlich passiert? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mir das nicht alles eingebildet hatte. Aber was war es dann, waren es Geister gewesen, ach was, Geister gab es ja nicht – Obwohl, in dieser Welt war ja alles anders.

Diese Nacht hatte ich wieder einen seltsamen Traum. Ich stand auf einem Hügel und es war mitten in der Nacht oben am Himmel sah man einen riesigen Vollmond. Er schien so nah, als müsste man nur springen und würde dann auf ihm landen. Ich stand einfach nur da und lauschte dem Wind wie er über die Hügel wehte und leise die Blätter der Bäume rauschten, ich hörte einen kleinen Bach und das Lied eines Vogel ähnlichen Wesens. Ich schloss die Augen und genoss die Freiheit, aber wieder war ich nicht ich, ich war wieder ein kleines Mädchen. Ich trug ein hübsches Sommerkleid in einem zarten rot, dass sich im Wind bewegte. Als ich von hinten Schritte hörte drehte ich mich nicht um. Ich wusste wer es war: „Nur noch einen Moment, ja? Nur noch einen kleinen Moment, dann komme ich mit dir zurück.“ Ich drehte mich um doch bevor ich erkennen konnte, wer dort in meinem Schatten stand wurde alles Schwarz und wie in meinem anderen Traum hörte ich wieder nur noch Stimmen: „Du warst schon immer gerne in der Bibliothek.“, es war die gleiche Jungenstimme, wie in dem Traum, den ich auf der Erde gehabt hatte. „Hier habe ich meine Ruhe.“ „Was liest du denn da?“ „Mythen der Schwerter Teil zehn.“ „Du bist schon bei Teil zehn?“ „Ja, ich finde es total interessant. Es gibt so viele verschiedene Schwerter und jedes hat eine Bedeutung? Jedes hat seine eigene Geschichte.“ Der Junge lachte: „Das passt zu dir, du tust immer genau das, was deine Mutter nicht will.“ Ich lachte auch: „Ich kann doch nichts dafür, ich finde diese Geschichten nun einmal viel interessanter als die endlosen Wälzer: So benimmt man sich richtig.“ „Aber die Schwerter Bücher sind doch auch nicht dünn.“ „Nein, aber wesentlich interessanter. Ich meine wer liest schon gerne ein Buch in dem steht: und dann wenn du eine Tasse Tee zu deinem Munde führest, streckest du den kleinen Finger aus, nicht zu weit und nicht zu wenig, gerade so, dass ein Nachi darauf platznehmen könnte, aber ein Nacho nicht.“ „Du kannst es auswendig?“ „Als meine Mutter mich das letzte Mal auf mein Zimmer geschickt hatte musste ich ein ganzes Kapitel Wort für Wort auswendig lernen.“ „Oh, so oft wie du Zimmerarrest hast, kannst du eins der Bücher in einem Jahr auswendig.“ Ich lachte: „Sag mal, wusstest du, dass es manche Leute gibt, die Ihr Schwert sogar in Menschen Gestalt in sich hineinrufen können um seine Kraft zu benutzen.“ „Nein, aber es klingt unglaublich.“ „Ich will es lernen.“ „Das ist doch bestimmt schwer.“ „Ja, aber wenn du mir hilfst geht es bestimmt.“ „Ich, wie soll ich dir denn dabei helfen, ich kann es doch auch nicht.“ „Dann lernen wir es gemeinsam.“ Und damit war der Traum dann zu Ende. Ich lag wach im Sand und fragte mich wieder einmal ob das alles wirklich nur Träume waren, oder ob es Erinnerungen waren, die im Schlaf langsam, wieder ihren Weg in mein Gedächtnis fanden. Aber wenn das wirklich meine Erinnerungen waren, wer sind dann die beiden Jungs aus meinem Medaillon sind es etwa die Beiden aus den Träumen, aber wie heißen sie. Ich blick da echt nicht durch. Ich raufte mir die Haare und stand auf. Als mir Sand aus meinen Haaren in die Augen rieselte musste ich blinzeln. Mir war trotz der Hitze hier noch kalt von der Nacht. Ich schüttelte mich und versuchte so gut wie möglich den Sand von meiner Kleidung und aus meinen Haaren zu entfernen. „Man ich brauche eine Dusche und eine Bürste.“ Ich sah meine mit der Weile völlig verknoteten Haare an und seufzte. Ich machte mich auf den Weg zur Kirche. Zwar hatte ich immer noch nicht verstanden, was gestern passiert war, aber ich konnte ja nicht ewig hier herumsitzen und darüber nachdenken, je eher ich einen Weg nach Hause finden würde, des so besser.

Der rote MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt