Geister und Paraden

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Es war Nacht geworden und wir alle lagen auf unseren Plätzen in der Höhle und schliefen. Ich jedoch war noch immer wach. Leanders Worte gingen mir nicht aus dem Kopf. ‚Du musst nur nach etwas suchen, was etwas in dir auslöst.‘, hatte er gesagt. Aber was war diese Sache? Was war eine Brücke zu meinem Gedächtnis? Ich stand auf und trat aus der Höhle. Nachdenklich blickte ich in den Sternen Himmel. Ich schloss die Augen. „Die Spiegelwelt, die Welt zwischen dem Himmel und dem Land. Und dort lebt die Göttin. Oh Moe, warum musstest du mir meine Erinnerung nehmen?“ Ich flüsterte die Worte in die Nacht hinein. Dann sah ich in Richtung Stadt. Ich konnte so oder so nicht schlafen, also was sollte schon dabei sein, wenn ich mir ein wenig die Beine vertrat. Langsam schritt ich durch die Straßen der großen Stadt. Überall hingen Girlanden und Laternen für das morgige Fest. Langsam ging ich über den leeren Platz. Ich trat zu der Bühne und strich über das Holz. Jedes Jahr eine Feier, könnte dieser Ort mir helfen mich zu erinnern? Ich schloss die Augen und versuchte mir das rege Treiben vorzustellen, dass hier geherrscht haben muss. Doch es brachte mich nicht weiter. Ich machte mich wieder auf den Weg und schritt langsam durch die dunklen Gassen, bis ich schließlich wieder vor der Wiese mit dem Baum stand. Erneut schloss ich die Augen. Ich spürte wie eine sanfte Sommerbriese durch meine Haare streifte. Tief atmete ich sie ein. Ich ging auf den Baum zu und berührte mit der Hand die Blätter. Sie waren so weich und so leicht, dass ich mit einer Handbewegung schon die Zweige zur Seite geschoben hatte. Ein weiteres Mal trat ich durch den dichten Blättervorhang. Still lehnte ich mich an den Stamm und lies mich auf den Boden gleiten. Das Gras der Wiese kitzelte mich leicht und das Rascheln der Blätter lud zum Träumen ein. Für einen kurzen Moment schien ich wirklich eingeschlafen zu sein. Ich wachte jedoch auf als mich ein ungutes Gefühl überkam. Ich fühlte mich unsicher. Nervös stand ich auf und machte mich auf den Weg zurück zu den anderen. Ich konnte es nicht lassen, immer wieder drehte ich mich um. Ich hatte das Gefühl verfolgt zu werden, doch ich konnte niemanden entdecken. Aber ich war mir sehr sicher immer wieder das leise Wispern von Stimmen zu hören. Schnell ging ich um eine Ecke dort blieb ich stehen, doch es kam niemand vorbei. Kein Wunder, es war stockfinster, die ganze Stadt war am Schlafen. Und trotzdem wollte ich mir auf nur Mal sicher gehen. Ich schloss die Augen und versank wieder in der Seelenwelt. Irgendwer musste doch hier sein, dass spürte ich genau. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Rosenblut den Kopf angehoben hatte und mit aufgestellten Ohren lauschte, auch es schien etwas zu bemerken. Doch kaum konzentrierte ich mich stärker auf das Wispern fuhr ein Schock durch mich. Mit einem Mal sah ich um mich herum überall Seelen leuchten, nicht jedoch die von Schwertern, sondern die von Nekos. Ich war so überrascht, dass ich augenblicklich die Augen wieder aufriss. Hektisch sah ich mich um. Doch da war niemand. Unsicher ging ich eiligen Schrittes wieder in Richtung Höhle zurück. Was war hier bloß los? Wieder hörte ich dieses Wispern und es wurde immer lauter. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Schließlich rannte ich nur noch durch die Straßen. Hauptsache zurück. Die Stimmen wurden immer lauter und ich hatte das Gefühl, dass sie immer näher an mich heranrückten. Ich wurde panisch. Ich wurde definitiv verfolgt, aber von wem, ich konnte niemanden erkennen. Ich spürte ihre Anwesenheit genau und das machte mir Angst. Schließlich stiegen mir sogar Tränen in die Augen. Als ich plötzlich etwas an meinem Rücken zu spüren meinte fuhr ich panisch herum. Mit weit aufgerissenen Augen suchte ich die Gegend um mich herum ab, doch da wirklich niemand. Dann meinte ich wieder etwas an meinem Arm zu spüren. Ich war mir sicher, dass ich mir das nicht einbildete. Meine Hand lag schon an Rosenbluts Griff, bereit es für einen Kampf zu ziehen. Doch egal wie lange ich suchte, ich konnte niemanden erkennen. Die Stimmen wurden immer lauter und ich spürte immer deutlicher wie mich etwas berührte. So schnell ich konnte lief ich durch die Straßen, doch ich konnte sie nicht abhängen.

Benommen stand ich da. Mein Körper starr vor Angst. Meine Gedanken übertönt von den Stimmern. Das laute Wispern nahm meinen kompletten Kopf ein, ich war unfähig irgendetwas zu denken. Unruhig atmete ich ein und aus. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich blinzelte ein paar Mal in der Hoffnung, dass ich mir das alles nur einbildete, doch dann sah ich sie. Überall auf den Straßen standen Menschenähnliche Gestalten. Ihre Haut kreidebleich und ihr Blick leer. Ihre Gesichter verzweifelt und ihr Hände nach mir ausgestreckt. Ihre Stimmen hallten durch die Gassen. Ihr Wispern benebelte meinen Verstand und von allen Seiten kamen sie auf mich zu. Wer waren sie? Was wollten sie von mir? Ich wollte zurückweichen, doch ich hatte keine Chance ihnen zu entkommen. Unfähig ein Wort zu sagen stand ich da. Verzweifelt schloss ich die Augen, was sollte ich bloß tun? Plötzlich packte mich etwas von hinten. Ich schrie auf und schlug nach ihm. Doch ich traf nichts, ich schien nur in die Leere zu treffen. Vor meinen Augen wurde die Gestalt, die nach mir gegriffen hatte zu Nebel. Er zog sich ein paar Meter zurück und bildete dort wieder eine Form. „Geister.“, flüsterte ich überrascht. Was sollte ich bloß tun? Ich griff nach Rosenblut und rammte es in den Boden in der Hoffnung, dass sein Schild mich schütze. Verzweifelt schrie ich auf: „Haut ab, lasst mich in Ruhe!“ Noch immer hörte ich ihre Stimmen. Ich lies mich auf den Boden fallen und hielt mir die Ohren zu. Doch es brachte nichts, ihr Wispern drang in meinen Kopf ein. Ihre Stimmen benebelten meinen Verstand. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Die Tränen der Angst und Verzweiflung rannen nur so mein Gesicht herunter. Ich schluchzte. Plötzlich spürte ich wieder, wie etwas von hinten nach mir griff. Panisch schlug ich nach ihm aus. Und tatsächlich traf ich etwas mit voller Wucht. Mein Schild schien sie für mich erreichbar zu machen. Doch es half nichts, es lies mich nicht los. Ein weiteres Mal versuchte ich mich von ihm zu befreien. Ich schlug nach ihm und schrie wieder auf: „Hau ab.“ Ich lies mich erschöpft auf die Knie fallen und schluchzte: „Lass mich in Ruhe.“ Ich gab es auf. Ich konnte mich nicht länger wehren. Augenblicklich umschlangen mich die Arme. Ich dachte ich hätte endgültig verloren. Mein Kopf schmerzte von dem Wispern und mein Körper war erschöpft, ich konnte mich nicht einmal mehr bewegen. Dann jedoch meinte ich zu hören, wie die Stimmen immer leiser wurden und schließlich verschwanden. Die Geister schienen zu verschwinden, doch ich wurde noch immer fest gehalten. Starke Arme hielten mich sicher umschlungen und eine warme Brust presste sich von hinten auf meinen Rücken. Verwirrt und noch immer benommen öffnete ich die Augen. Jemand hielt mich fest an sich gedrückt. Ich spürte sein Herz an meinem Rücken schlagen. Verängstigt drehte ich den Kopf und blickte in Leanders besorgtes Gesicht. Völlig verstört blickte ich ihn an. Als ich sein Gesicht erkannte schmiss ich mich aus lauter Erleichterung, dass es endlich vorbei war, an ihn. Zitternd hielt ich mich an ihm fest, hoffte einfach nur, dass es alles vorüber war. Erst schien er überrascht, doch dann legte er scheinbar erleichtert seine Arme um mich und hielt mich fest. Es fühlte sich so gut an. Es war als würde er mir Schutz geben. Ich spürte seine Wärme und wusste, dass er wirklich da war. Froh darüber, dass er bei mir war, konnte ich mich langsam wieder beruhigen. Still standen wir einfach nur in den nächtlichen Gassen der Stadt. Und ohne ein Wort zu sagen hielt er mich fest umschlungen. Er stellte mir keine Fragen, sondern hielt mich einfach nur fest, bis ich mich ein wenig beruhigt hatte. Es war seltsam, doch es fühlte sich richtig an. Als wäre er der einzige der mir helfen könnte.

Der rote MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt