20. Über deine Geschichte und das Ritzen

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An diesem Tag warteten wir bis wieder Ebbe war. Ich war fast traurig als wir uns verabschiedeten. Es war seltsam gewesen mit dir über so etwas Persönliches zu reden, aber es tat gut.
Es tat gut weil du mir nicht nur zugehört hast, wie meine Psychologin, sondern weil es dir auch so ging. Du konntest es nachempfinden. Jedes Wort.

Ich hatte erfahren, dass deine Mutter vor drei Jahren gestorben war. Du warst Einzelkind und musstest zu deinem Vater ziehen. Ein arbeitsloser Alkoholiker. Du leitetest an Bulimie. Hattest eine Essstörung wie ich, mit dem Unterschied, dass du Fressattacken hattest und dich danach übergabst. Du hattest jeglichen Gefühle verloren, verletztes dich selber damit du das Leben spürst oder um dich selber zu bestrafen.
Du warst auch in Therapie. Wie ich.

Du erzähltest mir das Alles, wie als würdest du über den neusten Klatsch und Tratsch reden. Ich bewunderte dich dafür, dass du es mit einer Leichtigkeit sagtest, dass es keine Tabuthemen gab. Du warst selber kaputt und trotzdem nahmst du es irgendwie mit Humor.

Du warst definitiv nicht glücklich aber schientest gelernt zu haben, wie man mit ihm umgeht, dem Fieber. Jedenfalls dachte ich das zu diesem Zeitpunkt noch. Wie dumm von mir.

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