27.Über all die Anderen

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Wir waren einen ganzen Monat zusammen und wollten in ein schickes Restaurant essen gehen. Italienisch. Der Wein stand auf dem Tisch, bereit getrunken zu werden. Meine Lasagne war köstlich gewesen und ich hatte mal nicht an die ganzen Kalorien gedacht. Alles war gut. Ungewohnt gut. Hätte ich es an diesem Tag schon wissen können?

Wir unterhielten uns wie zwei ganz normale Menschen, versuchten Probleme auszublenden. Wenigstens für einen Abend.

Doch plötzlich lehntest du dich zu mir rüber und küsstest mich. Ich erwiderte den Kuss nicht, sondern drehte mich weg, um zu schauen ob uns Jemand sehen konnte. Das Restaurant war voll mit fremden Menschen, also war die Luft rein und trotzdem hatte ich Angst vor neugierigen Blicken..

Du seufzest ,, Maria, wann sagen wir es endlich den Anderen?"

,, Ich kann nicht. Vor allem meine Familie wird nicht damit klar kommen."

,, Maria so wie das jetzt ist, kann ICH das aber nicht."

Du hattest Recht.

Eine Woche später warst du bei mir zuhause und wir küssten uns vor meiner Familie. Meiner Schwester klappte die Kinnlade herunter, mein Vater verließ empört das Haus und meine Mutter fing an zu weinen. Und ich? Ich hatte Angst vor dem was uns noch erwartete.

Es wurde offiziell und ich wurde nur noch skeptisch betrachtet. Sie verurteilten mich alle. Die Blicke waren unerträglich, als wäre Homosexualität eine Krankheit.

,, Maria, ich dachte immer du wärst normal.."

Normal? Ich hasste dieses Wort. Was bedeutete es heutzutage dennoch? So zu sein wie alle anderen? Nein das war ich wirklich nicht.

Ohne dich hätte ich mich geschämt, wäre im Boden versunken. Aber mit dir fühlte ich mich stark und selbstbewusst. Hand in Hand liefen wir über die Straßen, küssten uns so oft es ging, nur um die Anderen zu provozieren. Mit dir wurde ich stärker, fand zu mir selbst. Ich stellte mir nur leider nie die Frage, ob es dir auch so ging.

Was fühlt man, wenn man sich nicht mehr spürt? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt