34. Über meinen letzten Termin bei Frau König I.

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Sonntag Mittag kam ich schließlich vollkommen verheult zuhause an. Mein Vater öffnete mir die Türe und ich roch bereits den Alkohol als ich eintrat. Wie ich es verabscheute. Ich flüchtete in mein Zimmer und schloss die Türe ab, suchte die Tabletten zusammen die ich mir schon im Vorhinein besorgt hatte. Ich blickte zur Wand, ,,be stronger" stand dort noch von diesem einen Tag an dem ich es schon einmal gewagt hatte. Ich sah an meinem Körper hinab. Immer noch dieses ekelhafte Fett an meinen Hüften. Und diese abscheulichen Narben, die deutlich zu sehen waren. Morgen. Morgen würde es vorbei sein. Morgen würde endlich alles verschwinden. Ich würde verschwinden. Für immer.

Ich war vollkommen überzeugt und nichts konnte mich zurückhalten. Nur noch eine Person. Morgen hatte ich einen Termin bei Frau König und bei all meiner Entschlossenheit wünschte ich mir insgeheim vielleicht doch, dass sie mich abhalten konnte.

Was habe ich eigentlich erwartet? Dass sie auf einmal meine Gefühle erwidert? Dass es ihr alles schrecklich leid tut? Dass sie den Schmerz in mir sieht und mich auffängt und rettet? Wie dumm ich doch heute morgen noch war. Nein nicht dumm, sondern naiv. Vielleicht gehört das einfach dazu, wenn man verliebt ist. Jetzt weiß ich, keiner wird mich retten.

Es war also heute morgen, der 13.10. als ich die Praxis betrat und noch nie war ich so aufgeregt gewesen hier einzutreten, wo ich mich so wohl fühlte. Es war der erste Termin seit meinem Liebesgeständnis letzte Woche.
Ich hörte wie die Tür sich öffnete und einen Moment später reichte Frau König mir ihre Hand und bat mich herein. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich mich auf den Stuhl gegenüber von ihr setzte.

,,Nora wie geht es dir nach unserem letzten Gespräch?"

Stille. Mein Mund blieb geschlossen. Was sollte ich auch sagen? Dass ich mich heute umbringen wollte?

,,Okay, wie fühlst du dich, wenn du mir jetzt gegenüber sitzt?"

Ich sah ihr in ihre grünlichen Augen. Dieses marklose Gesicht war das schönste was ich je gesehen hatte.
,, Ich weiß nicht. Irgendwie fühl ich mich komisch schätze ich."

,,Komisch? Mmm beschreib mir genauer warum du dich so fühlst. Ist es vielleicht Unsicherheit oder sogar Scham?"

Ich blickte schnell zu Boden.
,, Ja. Es ist eigenartig, dass Sie es wissen."

,, Das verstehe ich natürlich. Aber wir haben letztes Mal bereits darüber gesprochen, dass es vollkommen in Ordnung ist diese Gefühle zu haben."

In Ordnung? Ich verreckte daran.

,,Du weißt, dass diese Gefühle, wie du sie mir beschrieben hast, einseitig sind. Meine Frage an dich wäre jetzt, ob wir in Ruhe versuchen den Gefühlen auf den Grund zu gehen, oder du dich vielleicht lieber an einen anderen Therapeuten wendest."

1000000 kleine Stiche in mein bereits gebrochenes Herz. Ich antwortete nicht. Saß nur ganz still da. Eine einzige Träne floss mir über meine Wange. Frau König sah mich besorgt an.

,, Nora ich weiß, dass alles gerade sehr viel für dich ist, aber wir finden eine Lösung. Es gibt immer einen Ausweg und ich helfe dir diesen zu finden okay? Wir kriegen das hin."

Alles was mich noch hätte retten können, saß gegenüber von mir. Alles was ich wollte, blickte mir in diesem Moment in meine Augen.

Es gibt nur einen Ausweg aus diesem Schmerz, der Leere, der Verzweiflung und der Besessenheit.

Was fühlt man, wenn man sich nicht mehr spürt? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt