35. Über meinen letzten Termin bei Frau König II.

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Ich saß vor der Frau, die mir alles bedeutete. Der einzige Mensch der mich noch hätte abhalten können.

,, Nora ich würde dich bitten, dir bis nächste Woche zu überlegen wie es weiter gehen soll. Aber jetzt erzähl erstmal wie es dir geht."

Wie es mir ging? Ich redete über meine Woche und über Maria. Ich erzählte ihr von den Tagen mit ihr. Von unserem ersten Mal und dem Ausflug.  Ich ignorierte für eine Weile die Tatsache, dass es meine letzte Stunde war, bis unsere Zeit sich dem Ende zuneigte.

,,Nora du meinst, dieser Raum ist wie eine kurze Pause von deinem Leben. Als hätte man auf STOP gedrückt und alles eingefroren. Aber wovor hast du Angst wenn du diesen Raum wieder verlässt? Wenn auf PLAY gedrückt wird und dein Leben da draußen weitergeht?"

Ich blickte in ihre Augen und fühlte auf einmal wieder diese Last auf mir. Die Schwere erdrückte mich und ließ mir keinen Platz zum Atmen. Ich wollte nicht mehr aus diesem Raum. Ich wollte bei ihr bleiben.
,, Ich.. ich weiß nicht. Ich will einfach nur, dass diese Kassette endlich zu Ende geht."

,, Nora die Kassette muss nicht zu Ende gehen. Du kannst sie einfach umdrehen. Und dann wird eine andere Geschichte angespielt. Was ich meine ist, dass es verschiedene Phasen in unserem Leben gibt und jede davon geht einmal vorüber. Daran werden wir nächste Stunde weiterarbeiten."

Mit offenen Mund sah ich sie an. Nächste Stunde? Ja die Zeit war um, aber sah sie denn nicht dass ich sie so brauchte wie nie zuvor?
Warum hat sie nicht genauer nachgefragt? Warum verdammt doch mal, hat sie meinen Worten nicht mehr Glauben geschenkt?

,,Nächstes mal," flüsterte ich und schluckte den Kloß in mir herunter.
,,Nora es wird besser werden. Hab Geduld mit dir selbst."
,,Ja das wird es, " lächelte ich. Heute. Heute würde es besser sein. Meine Geduld war am Ende.
,,Gibt es noch etwas, worüber wir heute sprechen sollten, bevor du diesen Raum verlässt?"
Ich zögerte. ,,Nein".
Dann stand ich auf und sie tat etwas, das sie noch nie getan hatte. Frau König schlang ihre Arme um mich, drückte mich kurz. Ich spürte sie ganz nahe bei mir und wusste, dass es das erste und letzte Mal sein würde. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Noch nie war ich ihr so nahe gewesen.

Scheiße, scheiße, ich liebe sie.

Sie ließ mich los und wir sahen uns einen kurzen Moment in die Augen. Sie war perfekt. So unendlich perfekt, wunderschön und unbegreiflich makellos.
,, Kopf hoch," formten ihre Lippen.
Ich nickte ihr zu und dann drehte ich mich weg, so wie ich es bei Maria getan hatte. Tränen kamen mir hoch aber es war okay, denn in diesem Moment ließ die Liebe meines Lebens hinter mir.

Was fühlt man, wenn man sich nicht mehr spürt? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt