20. Über Marias Geschichte und die Leute in der Tagesklinik

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Wir warteten bis das Wasser wieder zurückwich und wir von unserem Leuchtturm wegkonnten.

Ich hatte erfahren, dass Maria anders als ich immer eine tolle Kindheit hatte, aus einer Familie kam, wo meiner Meinung  nach alles perfekt war. Klar besorgte Eltern und eine nervige Schwester, aber insgesamt hörte sich ihr Leben doch gar nicht so beschissen an. Sie litt auch unter einer Essstörung. Magersucht. Maria hatte eine ,,depressive Episode" wie es ihre Therapeutin nannte. Ja sie war auch in Therapie. Wie ich.

Wir kotzten uns lange über unsere Probleme aus. Ich glaube sie dachte, ich wäre glücklich, oder es sei zumindest erträglich. Aber so war es nicht. Klar ich scherzte und versuchte alles mit Humor zu nehmen. Aber das bedeutete nicht, dass ich es ertrug. Vielleicht war das der Fehler, den sie machte.

Ich erzählte in der Tagesklinik viel von Maria. In der Selbsthilfegruppe kam die Rückmeldung: ,, Oha was für ein Glück du hast so Jemanden kennen zu lernen. Jemand der dich versteht und der mit dir über scheißernste Probleme lachen kann."  

Ich glaube nicht an Glück. Auch nicht an Schicksal. Trotzdem, Maria war ein Hoffnungsschimmer. Aber auch dieser konnte mich nicht retten.

Auch meine Therapeutin meinte: ,, Nora, eine Freundschaft könnte dir wirklich gut tun, gerade wenn du dich richtig wohl mit ihr fühlst. Aber pass auf, dass ihr euch zusammen nicht noch viel tiefer in die Probleme reinsteigert. Es kann helfen mit jemandem so tiefgründige Gespräche zu führen und eine enge Bindung haben. Dein Ziel sollte aber sein da wieder rauszukommen. Und dafür musst du selber entscheiden, ob dieses Mädchen dafür die richtige Freundin ist."

Die richtige Freundin? Das war mir egal. Sie verstand mich. Sie lachte mit mir. Sie weinte mit mir. Wie sollte Maria denn alles noch schlimmer machen?

Hätte ich mal auf meine Psychologin gehört , denn jetzt weiß ich, schlimmer geht es immer. Unsere enge Bindung war mein Ein und Alles und doch hatte sie Recht gehabt. Viel zu nahe sind wir uns gekommen. Viel zu tief sind wir zusammen gesunken. Und jetzt ist es vorbei. Alles.

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