22. Über das Spiel mit dem Leben

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Die Zugfahrt steckte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und lehnte meinen Kopf an das Fenster. Freiheit. Das war Reisen für mich. Ganz besonders wenn niemand wusste wo man steckte. Und wer weiß, vielleicht würden wir ja nie mehr zurückkommen?

In Amsterdam wollte ich Maria zeigen, wie man mit mir eine Stadt erkundete. Mit lauter Musik tanzten wir durch die Gassen, balancierten über Brücken und kletterten über all das, was uns im Weg war.  Wir lachten laut, ignorierten jegliche Touristen. Es gab nur mich und sie. 

,, Sightseeing  ist was für langweilige normale Menschen",  hatte meine Mum gesagt. Ging es ihr auch mal so beschissen wie mir? Ich wünschte sie wäre hier und würde mir einen ihrer nervigen Ratschläge geben können.

,, Pass auf, da kommt ein Auto" schrie Maria zu mir hinüber.

,, Und wenn schon. Im schlimmsten Fall überleben wir, also so what?"

Sie lachte und es hörte sich echt an. Aber verstand sie überhaupt was es bedeutete? Klar, ihr ging es auch beschissen, aber merkte sie nicht mit welchem Ernst ich diese Worte aussprach
Ich umspielte sie mit einem Lächeln und meinem Humor. Gleichzeitig hasste ich mich dafür, dass ich nie zeigen konnte was ich wirklich fühlte.

Maria und ich sahen diesen Ausflug als Spiel an. Ein Spiel mit dem Leben. Andere würden denken wir sind komplett gestört, aber wir wollten einfach keine Schachfiguren in unserem eigenen Leben sein.

Einmal setzten wir uns aus eine höhere Brücke über dem Wasser und ließen unsere Beine ähnlich wie beim Leuchtturm baumeln. Dann stützen wir uns gegenseitig um aufzustehen. Unter uns ging es 20 Meter hinunter. Von Angst jedoch keine Spur. Was hatten wir denn schon zu verlieren? Unser Leben? Damit könnten wir klarkommen.

Später rannten wir über Zuggleise, die wir weiter außerhalb von der Stadt fanden. Ein älterer Mann lief an uns vorbei. ,,Ja seid ihr denn lebensmüde oder was?!", rief er uns zu.
Lebensmüde? Aber so was von.
Wir lachten so viel, wie wir es lange nicht mehr getan hatten. Ja, ich lebte nochmal richtig mit ihr und genoss es sogar, weil ich wusste, dass bald alles zu Ende sein würde.

Was fühlt man, wenn man sich nicht mehr spürt? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt