- Z W E I -

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Ich warte gespannt auf die Reaktion des Braunhaarigen, der das Bild in sich einzusaugen scheint. Er schaut sich jeden einzelnen Fleck der Flügel an.

"Ist das ein Schmetterling?" Er schaut kurz von dem Papier auf. Seine stechend grünen Augen treffen auf meine und eine Gänsehaut von Unbehagen legt sich über meinen halben Körper.

"Ich... ich finde, dass man selbst entscheiden muss was es ist." Ich spiele nervös mit meinen Händen, erkläre dann weiter: "Entweder eine wunderschöne Motte, oder ein eher durchschnittlicher Schmetterling. Was einem gefällt." Ich bin stolz darauf, einmal nicht gestottert zu haben und lächle daher für mich selbst.

Der Mann lacht rau, fügt dann hinzu: "Wow, das ist echt tiefgründig."

Er löst eine seiner Hände von dem Blatt, um sein Kinn zu kratzen, schaut aber wieder konzentriert auf das Blatt. Es scheint, als käme er zu einer Erkenntnis, als er seine Hand aus dem Gesicht nimmt und höflich fragt: "Kann ich es mir stechen lassen?"

Sofort umgibt der Schwall von Nervosität mich. Was, wenn er es bereut? Daher stottere ich wieder wie eine Irre: "E-es gibt wesentlich bessere... ähm... Motive als das. Die Motte war nur eine nicht ernst gemeinte Spielerei."

"Für mich ist die Motte perfekt", erwidert er daraufhin lediglich schulterzuckend und fügt seinem Blick eine bittende Note hinzu.

"Sie ist viel zu groß!", platzt es mir heraus und ich streiche mir sofort wieder wild durch die Haare. Das ganze musste so enden, warum ist Betty bloß rausgegangen? "Tschuldigung."

"Ich bitte dich Lou. Wenn sie dir gefällt, dann möchte ich sie tragen." Er lehnt sich in seinem Stuhl ein Stück nach vorne und schaut mich durchdringender an, als irgendein Mensch es jemals zuvor getan hat. Die Art, wie dabei mein Name über seine Zunge rollt, gefällt mir gar nicht, es klingt einfach viel zu gut.

"Was tut meine Meinung zur Sache?" Ich weiß schon, dass ich diese Diskussion verlieren werde. Es gibt einfach keinen Grund dafür, dass er es sich nicht stechen lassen sollte, ich habe immerhin meine Liebe für diesen Entwurf geäußert und damit alle Argumente, die besagen, dass er nicht schön genug ist, umgeworfen.

"Ich habe viele Tattoos von dir." Er zeigt andeutungsweise an die paar Stellen, die ich schon gesehen habe.

"Das war aber aus Zufall", werfe ich ein und stehe noch unbehaglicher an der selben Stelle, als die ganze Zeit zuvor schon.

"Ein ziemlich seltsamer, nicht?" Ich schlucke. Seine Stimme ist wieder so einschüchternd.

Er scheint zu bemerken, dass mit keiner weiteren Antwort meinerseits zu rechnen ist, bittet mich deshalb erneut: "Es wäre eine Ehre, diesen Schmetterling zu tragen."

Ich strich einmal unsicher meine Haare beiseite, nickte dann aber einverstanden.

"W-was ist mit dem Anker?" Ich schaute auf das andere Blatt am Tisch, das Blatt, das zu dieser ganzen Situation geführt hat.

"Weißt du, ich bin ziemlich oft in diesem Studio, also könnte ich mir locker zehn deiner Entwürfe raussuchen." Er lehnt sich noch ein Stück näher zu mir, haucht dann: "Aber diese zwei reichen erst einmal." Ein Zwinkern.

Ist das eine Art Anmache? Ich zwinge mir wieder einmal ein steifes Grinsen auf den Mund.

Verdammt, ich kann einfach nicht auf so was reagieren. Ich stelle mich wie der größte Vollidiot an und begegne seinem flirtenden Blick mit einem ziemlich unbeholfenen.

Warum mustert mich jemand so Attraktives so genau?

"Hab ich was im Gesicht?", frage ich deshalb zwischen zusammengepressten Zähnen und suche blind nach meiner Mappe auf dem Tisch. Es ist nämlich unhöflich, den Blickkontakt zu brechen, das hat meine Mutter mir beigebracht.

Inked. (h.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt