- Z W E I U N D F Ü N F Z I G -

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"Willst du auch Bordeaux trinken?", fragt Harry mich, woraufhin ich hellhörig werde.

Wie weit muss sein Vater es getrieben haben, wenn er schon am Mittag Wein trinken möchte?

"Musst du nicht fahren?", weiche ich seiner Frage aus und rutsche unbehaglich auf meinem Stuhl herum, schaue auf die Speisekarte.

"Ich rufe ein Taxi." Er klappt seine Speisekarte zu und sieht mich immer noch nicht so wirklich zur Ruhe gekommen an.

Als ich stumm nicke, weiß ich nicht wirklich, ob das ganze eine gute Entscheidung ist. Aber ich entsinne mich zu glauben, dass Harry gerade jemanden braucht, dem er einfach alles erzählen kann. Und dabei ist es wohl für uns beide besser etwas anderes als stilles Wasser zu trinken, scheint auch ziemlich verständlich.

"Okay", unterstreiche ich meine kleine Geste, die scheinbar unbemerkt geblieben ist, und klappe wie auf Kommando auch meine Speisekarte zu.

"Wie war dein Tag?", fragt Harry in die Stille, die dadurch entsteht, dass ich abwarte, ob er irgendetwas zu sagen hat.

"Gut, ich war bei meinem Professor", versuche ich das ganze irgendwie in eine entspanntere Richtung zu lenken.

"Hast du dich entschieden?", fragt er mich sofort in einem wider Erwarten nicht so drängenden Ton, sondern eher in einem, der mich merken lässt, dass er ebenfalls zur Ruhe kommen möchte.

"Ja, ich habe zugesagt." Ich lege ein leichtes Schmunzeln auf meine Züge und meine Hände ineinander gefaltet in meinen Schoß, um meine Finger miteinander spielen zu lassen.

"Hoffentlich bereue ich es nicht", füge ich hinzu und lächle nervös, sehe auf meine Hände herab.

"Wirst du sicher nicht." Harrys Worte ziehen meine Augen förmlich wieder nach oben, sodass ich ihm direkt ins Gesicht, in die grünen Augen, schaue. Ist es nicht beinahe genau das, was ich ihm zuvor im Auto versichert habe?

Stumm sehen wir einander an, bis zu dem Punkt, an dem ich unbeholfen nach irgendetwas zu tun suche, also einfach die erstbeste Möglichkeit nutze, indem ich meine Hand unter dem Tisch hochhebe, um das vor mir liegende Besteckt ein wenig zu verschieben.

Gerade beiße ich mir auf die Innenseite meiner Wange im Versuch diese kleine Geste so lange wie möglich herauszuzögern, als mir eine weitere Idee kommt.

Ich sehe prüfend über den Tisch hinweg zu Harry, dessen Hand ausgestreckt dort liegt und mit den Fingern das Tischtuch leise trommelt.

Meine Zähne nehmen nun meine Unterlippe in ihren Fang. Meine Hand lege ich zaghaft über Harrys. Zieht er sie jetzt weg, ist es vorbei.

Ich spüre nach und nach immer mehr von seinem warmen Handrücken unter meiner Hand und atme erleichtert auf, als ich sie voll und ganz auf seiner liegen habe.

Meine Augen wandern über seinen Arm und seine Schulter zu seinem Gesicht.

Zufrieden stelle ich fest, dass er nun wenigstens ein wenig lächelt.
Noch zufriedener sehe ich mit an, wie er seine Hand mit einer knappen Bewegung so dreht, dass er sie mit seiner so verhaken kann, dass er sie leicht anhebt und zu seinen Lippen führt. Zu seinem sanften Kuss streicht er noch zusätzlich mit seinem Daumen über meine Fingerknöchel.

Ich schrecke einen Moment zusammen, als ein Kellner zu uns kommt, um unseren Tisch fertig einzudecken. Harry hingegen sieht das ganze entspannt und streicht weiterhin mit seinem Finger über meine Hand, wirkt dabei wie in Trance.

"Vielen Dank", sage ich als einzige, nachdem der Kellner Bescheid gibt, sofort wieder zu kommen. Der braunhaarige Mann nickt einmal kurz, bevor er wieder verschwindet.

Inked. (h.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt