- F Ü N F U N D Z W A N Z I G -

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„Und?" Jo kommt erst einige Minuten später wieder ins Wohnzimmer, auf seinem Gesicht liegt ein Ausdruck reiner Neugier.

„Ich habe gesagt, dass das alles keinen Sinn macht", antworte ich und lege währenddessen mein Handy weg, um mich wieder zurück aufs Sofa fallen zu lassen.

Auch wenn ich ihn nicht sehe, weiß ich, dass er gerade mit offenem Mund an der selben Stelle steht. „Das hast du nicht", entgegnet er ungläubig, seine Schritte nähern sich dem Sofa.

„Doch habe ich. Es war dumm zu denken, dass das ganze anders enden könnte. Es-"

„Lou!", unterbricht er mich lautstark. Anhand seines Tons kann ich definitiv sagen, dass er sauer ist. Sehr sauer.

Genau deswegen wage ich es auch nicht weiterzusprechen, lasse stattdessen seine Standpauke über mich ergehen.

„Wenn du noch einmal so sprichst schwöre ich bei Gott, dass ich dir deine Gabel in den Handrücken ramme", beginnt er und geht schnellen Schrittes auf das Sofa zu, ich zucke zurück, als er nach der Gabel auf seinem Teller greift.

„Ich dachte wir wären an dem Punkt, an dem wir versuchen deine verdammte Mutter einfach machen zu lassen, was auch immer sie möchte?", fragt er minimal ruhiger, mein ziemlich erschrockener Gesichtsausdruck muss das bei ihm bewirkt haben.

„Ja, aber sie-" Unbeirrt unterbricht er mich erneut: „Du weißt, dass ich dich liebe Lou, aber das ist einfach nur dumm. Du tust so als wäre er komplett auf den Kopf gefallen und als hätte er keine Ahnung worauf er sich einlässt. Verdammt, er kommt auch aus dieser Welt, er weiß zu was deine Mutter fähig ist. Du bist so unfassbar-"

Dieses Mal ist nicht er der, der unterbricht, sondern das laute Klopfen an meiner Haustür. Das laute, ziemlich drängende Klopfen an der Haustür.

Jo wägt ab, ob er es ignorieren soll, scheint sich entschieden zu haben, als er schon wieder seinen Mund öffnet, jedoch ein weiteres Mal unterbrochen wurde. Dieses Mal nicht vom Klopfen, sondern von einer ganz besonderen Stimme.

„Lou? Mach bitte auf."

Mein Herz rutscht mir in die Hose, als Harrys Stimme ihren Weg zu meinen Ohren findet, ich erst nach einigen Sekunden realisiere, dass er tatsächlich innerhalb von nicht einmal zehn Minuten hergekommen ist.

Jo geht es mindestens genauso. Er steht immer noch mit geöffnetem Mund an der selben Stelle, bis sich ein leichtes Grinsen auf seinen Zügen bildet. Eines dieser Ich-hab-es-dir-gesagt-Grinsen, das er nur zu oft hat.

Wieder klopft es. „Ich sperre mich jetzt im Bad ein. Bekomm das auf die Reihe", flüstert er und verschwindet auch schon wieder, lässt mich somit alleine da. Er zieht buchstäblich eine böse Rauchwolke hinter sich her.

„Mach bitte die Tür auf", werde ich ein weiteres Mal durch Harrys Bitte dazu gebracht, mich zur Tür zu wenden.

Unschlüssig beiße ich mir auf die Unterlippe, rappele mich letztendlich aber auf und schlurfe überfordert zur Tür.

Ich weiß, dass er weiß, dass ich da bin, also macht es wenig Sinn, so zu tun, als täte ich das nicht. Mindestens genauso gut weiß ich, dass wenn ich die Tür nicht öffne, Jo es tun wird. Es wundert mich, dass er Harry plötzlich zu mögen scheint, mich praktisch dazu drängt mich weiterhin mit ihm zu treffen. Sein Abgang ins Badezimmer war schon ziemlich eindeutig. Wenn ich jetzt Harry die Tür nicht öffne, wird Jo einige Zeit nicht mit mir sprechen wollen.

Unsicher greife ich nach den Schlüsseln, sperre die Tür auf und beiße mir fest auf die Unterlippe. Erst dann wage ich es die einzige Barriere zwischen Harry und mir zu beseitigen.

Inked. (h.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt