Anstatt irgendetwas daraufhin zu entgegnen, stelle ich mich auf die Zehenspitzen und drücke ihm einen leichten Kuss auf den Mundwinkel. Als ich mich wieder auf meine normale Größe herabsinken lasse, schaue ich ihn weiterhin unschlüssig an.
Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern kann, oder soll. Das einzige was mich stört ist, dass er glaubt, dass ich anscheinend nur dazu fähig bin, mich einem Menschen anzuvertrauen.
"Warum glaubst du das?", frage ich daher und lehne mich wieder an die Küchentheke hinter mir, lasse dabei meine Hand auf seinem Oberarm liegen.
Er macht einen Schritt auf mich zu, sodass ich wieder wie gerade eben zwischen ihm und Theke gefangen bin. "Weil es wahr ist." Sein Atem prallt auf meine Unterlippe, da sein Kopf zu mir gesenkt ist und ich kann nicht anders, als bei diesem Gefühl leicht zu zucken.
"Ich-", beginne ich, weiß aber nicht, was ich darauf antworten soll und schaue mit geröteten Wangen zu Boden. Ich habe keinen Grund mich für meine Freundschaft mit Jo zu rechtfertigen, denke ich mir. Gerade will ich mehr sagen, irgendetwas anfügen, als Harry überraschenderweise seine Worte unwichtig macht: "Aber ich werde nehmen was ich kriegen kann."
Sofort senkt er wieder seinen Kopf zu meinem und fängt an mich wieder zu küssen. Fast automatisch legen meine Arme sich um seinen Nacken und sicheren somit mein Stehen.
Harry küsst mich nun von vorne herein so intensiv wie eben erst nach einiger Zeit, lässt dabei keine Gelegenheit aus, mich mit einer neuen Bewegung wieder zu überraschen und somit auch wieder einmal zu überfordern.
Nach kürzester Zeit brummt er in den Kuss hinein, woraufhin mir von der Vibration motiviert ein tiefer Seufzer entfährt, der meine Wangen schlagartig wieder rot werden lässt, mich aber nicht daran hindert, ihn weiter zu küssen. Diese Schüchternheit habe ich Harry gegenüber inzwischen überwunden und bin dankbar dafür.
Wir küssen einander immer weiter, bis Harry anfängt zu grinsen, dadurch nicht einmal mehr richtig weiter küssen kann. "Darf ich dich kitzeln?", fragt er mich neckisch und lässt sein Gesicht in meine Halsbeuge fallen, um diese ebenfalls zu küssen.
"Ich will nicht aus meiner Wohnung geworfen werden", atme ich laut aus und lasse meinen Kopf in den Nacken fallen, um ihm besseren Zugang zu gewähren. Ich grinse als ich sein Lächeln gegen meine Haut spüren kann und ziehe scharf die Luft ein, als er meine Haut reizt, indem er seine Zähne darüber streifen lässt.
"Das kann ich verstehen." Ein raues Lachen und ein sanfter Kuss auf meinen Hals. Harry hebt sein Gesicht wieder an und grinst wie ein Idiot.
"Kannst du heute hier bleiben?", frage ich leise und sehe ihn mit großen Augen an. Aus irgendeinem Grund habe ich das Bedürfnis, neben ihm einzuschlafen. Denn ob ich es mir eingestehen möchte oder nicht, kann ich neben ihm unheimlich gut schlafen und mag dieses Gefühl davon.
"Ich muss morgen früh weg, aber ja." Mit einem Lächeln küsst er mich ein weiteres Mal wieder sanft und nimmt mich an der Hand, um mich von der Küchenzeile wegzuziehen.
~
"Findest du es nicht komisch?", spreche ich meinen Gedankengang laut aus und schaue weiterhin schamlos auf seine Tattoos.
"Was?" Er dreht seinen Kopf zu mir und grinst.
"Dass ich diese Sachen gemalt habe", erkläre ich und schaue nun explizit auf die Motive, die von mir stammen.
"Warum sollte ich?" Harry runzelt seine Stirn, als hätte ich etwas gefragt, für das er kein Verständnis aufbringen kann.
"So etwas auf ewig bleibendes mit einer Person verbinden zu können stelle ich mir nicht so ... angenehm vor."
"Wenn es dich beruhigt", er rückt ein Stück näher an mich heran, sodass seine Beine unter der Decke, die wir uns wieder einmal teilen, meine berühren und er problemlos einen Arm um mich legen kann, "kann ich sagen, dass es zwei Lous für mich gibt."
Ich runzle meine Stirn.
"Einmal die, die dauernd ihre Stirn runzelt und gerade hier liegt", fängt er an aufzuzählen und drückt noch dazu einen Kuss auf meine Stirn, sodass ich diese entrunzle, "Dann noch die, die diese Bilder malt und ihr Talent vor allen in einem dieser großen Ordner versteckt." Er küsst ein weiteres Mal meine Wange.
"Lou 1 und Lou 2 kann ich wenn es sein muss, trennen. Ich kann die Bilder ansehen, ohne an dich zu denken und genauso gut dich ansehen, ohne an diese Bilder zu denken." Sein Finger streicht vorsichtig meinen Arm auf und ab.
Er dreht sich so, dass er seinen Arm um meinen Bauch legen kann und sein Gesicht in meinen Nacken drücken kann.
"Bis jetzt musste ich die beiden aber noch nicht trennen", flüstert er nur noch leise, bevor er ein paar kleine Küsse auf die Haut drückt, die meine Lider automatisch zufallen lassen.
"Schlaf gut Lou." Er grinst gegen meine Haut und schaltet im nächsten Moment die Nachttischlampe aus, die sich auf seiner Seite des Bettes befindet.
"Gute Nacht Harry."
~
Es ist als säße ich in diesem Raum und schreie aus Leibeskräften, doch trotzdem kann mich niemand hören.
Jeder einzelne sitzt nur auf sein eigenes Gespräch konzentriert auf seinem Platz und gibt einen Scheiß auf das, was um ihn herum passiert.
Genauso geht es meinen Eltern, die auf heile Familie machen wollen, und sich scheinbar angeregt mit meinen Geschwistern unterhalten.
Dabei bemerken sie noch nicht einmal, dass ich dieses dumme Kleid nicht einmal mehr verschließen kanm und bei jeder Bewegung, die nicht meine eigene ist, heftigst zusammenzucke.
Sie merken nicht einmal, dass ich mich kaum von der Stelle bewegen kann und genauso wenig, wie meine Augen verloren durch den ganzen Raum gleiten und nach einer Person suchen, die mir gerade als einzige noch helfen kann.
Ich weiß nicht einmal, warum ich wieder hereingekommen bin, geschweigedenn ruhig auf meinem Stuhl sitzen kann, doch es ist scheinbar das einzige, wozu ich gerade fähig bin. Mein Körper hat aufgegeben, gegen irgendetwas anzukämpfen. Der nur minder gesplitterte Nagellack an meinen Fingern ist Beweis genug dafür; irgendwann hat man keine Kraft mehr und lässt es einfach geschehen.
Ich schlucke und schließe meine Augen einen Moment, um meine Tränen auch weiterhin in Schacht zu halten, doch das erste was ich sehe ist diese Kameralinse, die direkt vor meinem Gesicht aufnimmt. Sofort reiße ich meine Augen wieder auf und schaue erneut flüchtig durch den Raum, um den Braunhaarigen desinteressiert an einem der Tische sitzen zu sehen.
Mit Glück kann ich sagen, dass er sofort aufschaut und eine Grimasse an mich richten möchte, es dann aber sein lässt als er sogar quer durch den Raum die Angst und Verzweiflung in meinen Augen sehen kann.
Im selben Moment noch rückt er seinen Stuhl über den gedielten Boden und steht auf, geht geradewegs in meine Richtung.
"Lou."
"Bring mich hier raus Jo", flehe ich ihn an und beiße mir meine Lippe blutig. Jo nickt und wartet, dass ich aufstehe, merkt aber schnell, dass ich dazu nicht fähig bin.
Er gestaltet es absichtlich unauffällig, wie er mich von meinem Stuhl anhebt, um dann einen Arm um meine Taille zu legen, sodass er mich oben halten kann.
Meine Eltern verlieren kein Wort oder geben nur ein bisschen ihres Interesses ab, als das geschieht.
Die unsäglichen Schmerzen während des Gehens lassen mich meine Finger in Jos Rippen drücken.
"Alles wird gut Lou, wir gehen vor die Tür", versichert er mir vollkommen überfordert von der Situation und hat mich innerhalb kürzester Zeit schon nach draußen gebracht.
Das einzige, was ich dort tun kann, ist mich ängstlich in seine Arme zu flüchten und ihn fester denn je zu umarmen.
*Ein wenig aus der Vergangenheit.*
DU LIEST GERADE
Inked. (h.s.)
FanfictionDie Kunststudentin Lou ist der Inbegriff von einem Tollpatsch und bezeichnet sich selbst gerne als einen der seltsamsten Menschen der Welt; Harry ist CEO eines großen Konzerns und entflieht seinem stressigen Arbeitsalltag im Tattoo-Studio. Man könnt...