E P I L O G

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 "Du musst keine Angst haben." Harry sieht mich versichernd an und drückt einmal kurz meine Hand.

"Habe ich aber - verdammt viel", erinnere ich ihn und drücke meine Stirn in das Leder der Liege, lasse dabei fast seine Hand los.

"Es tut nicht so weh, wie du denkst", versucht er mich zu überzeugen und rollt mit seinem Stuhl auf die höhe meines Kopfes. Er streicht mir vorsichtig eine braune Strähne aus dem Gesicht, um meine Schläfe einen Moment zu küssen.

Den Schritt habe ich schon getan, jetzt fehlt nur noch ein anderer, um mit dieser ganzen Sache abzuschließen. Dabei würde ich mir lieber hundert Mal meine Haare wieder Braun färben, als nur eine Minute auf dieser Liege auf mein bitteres Ende zu warten.

"Das sagst du nur so", grummele ich und wäge ab, ob ich jetzt noch aufspringen und weglaufen kann. Kann ich nicht.

Ich muss diesen Mist durchziehen.

Gerade will Harry etwas sagen, als die Tür zufällt und eine sich Handschuhe überziehende Betty auf mich zu kommt. "Bereit?", fragt meine ehemalige Arbeitskollegin mich und ich nicke, breche aber fast Harrys Handgelenk vor Angst.

"Das geht ganz schnell, es sind ja nur drei Wörter", erinnert sie mich amüsiert und nimmt auf ihrem Stuhl Platz, öffnet eine der Schubladen, um erneut Desinfektionsspray herauszunehmen und auf meine freie Haut zu sprühen.

"Ich will es einfach nur hinter mir haben." Ich beiße mir fest auf die Unterlippe und lege meine Wange so auf die Liege, dass ich meinen Freund und nicht die Tätowiererin ansehe. Mein Blick fällt automatisch auf die etlichen Motive, die quer über seine Arme verteilt sind und ich frage mich, ob dieser Mann insgeheim ein ernstes Problem hat. Ich war noch nie in meinem ganzen Leben einem solchen Druck wie gerade jetzt ausgesetzt und er hat es sich fast zu einer Art Hobby gemacht, sich des Öfteren Schmerzen zufügen zu lassen.

"Okay." Betty lacht leise und ich verdrehe meine Augen. Ich habe in einer verdammten Folterkammer gearbeitet, gut dass ich jetzt nichts mehr damit zu tun habe.

"Bereit?", erkundigt sie sich noch ein letztes Mal und ich sehe an dem gespannten Gesichtsausdruck von Harry, dass er gerade mit allem rechnet. "Ja." Ich nicke und kneife sofort die Augen zu, als ich das Surren höre. Erst einige Momente später folgt das Gefühl auf meiner Haut, das mich fast komplett zusammenzucken lässt.

Ich öffne vorsichtig meine Augen, um zu sehen, wie Harry Betty einige Sekunden interessiert dabei zusieht, wie sie mir die Farbe unter die Haut sticht. Irgendwie verblasst das unangenehme Gefühl auch so langsam und gerade als ich mich fast daran gewöhnt habe, schaltet Betty die Tätowiermaschine auch schon wieder aus, um mit einem Stück Papiertuch darüber zu streichen und die überschüssige Farbe wegzunehmen.

"Das war es schon", erklärt sie und mein immer noch auf Harry gerichteter Blick erfasst sein amüsiertes Grinsen, das von seinen Grübchen gekrönt wird.

"Oh Gott", antworte ich erleichtert und behalte weiterhin Harrys Hand in meiner, streiche lediglich nur sanft darüber, statt sie zu zerquetschen.

"Du willst es sicher sehen", stellt Betty fest und rollt schon wieder zu dem kleinen Schrank, um eine Art Handspiegel zu nehmen. Sie hält mir ihre Hand hin, um aufzustehen und ich folge ihr mit einem Brennen auf der Haut zu dem großen Standspiegel.

"Hier." Sie hält den Handspiegel hinter mich und ich ziehe meine Hose ein Stück weiter nach unten, um mir das Motiv genauer ansehen zu können.

'Fuck Wrangler Inc.'

Ich schmunzle leicht und kann durch das Spiegelbild sehen, dass Harry und Betty es mir gleich tun.

Ich glaube keiner hätte damit gerechnet, dass ich es wirklich durchziehe.

Inked. (h.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt