Ohne Vergangenheit kann kein Mensch existieren [KAPITEL 6]

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"Hier rein.", kommandierte der Soldat und zeigte auf die Tür, welche zum Raum führte, von dem aus ich Barnes das erste Mal gesehen hatte. Da war er allerdings bewusstlos ...

Der Soldat schloss wie an diesem Tag auch wieder die Tür, nachdem ich eingetreten war. Selbst Doktor Zola saß auf dem selben Stuhl wie vor mehreren Tagen. Es war eine gruselige Atmosphäre. Das einzige was noch fehlte war, dass er mir wieder sagte ich solle durchs Spiegelfenster sehen.

"Doktor Zola?", fragte ich, nachdem ich mich auf den Stuhl gesetzt hatte, auf welchen er gedeutet hatte. Ich mochte diesen Raum nicht. Er strahlte Kälte aus. Andererseits strahlte jeder Raum und Gang hier Kälte aus, also war es eigentlich nichts neues für mich.

"Ich brache Ihre Meinung als Barnes' Trainerin.", fing er an zu reden. Verwirrt blinzelte ich, doch nachdem mir die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde, schluckte ich schwer und riss meine Augen auf. Er wollte mit mir über Barnes Zukunft sprechen. Ich sollte dafür verantwortlich sein, was sie mit ihm machen würden.

"Meine Frage ist, ob er bereit für eine Löschung ist, Agent.", nun war ich noch mehr verwirrt als zuvor. Löschung? Was sollte das sein? Löschung im Sinne von Auslöschung? Wollten sie ihn umbringen? Brachte er ihnen doch nichts?

"Ich verstehe nicht ...", sprach ich zögernd die Worte aus, die mir auf der Zunge lagen. Ich hatte immer noch Angst vor Zola und wollte seine Geduld nicht auf die Probe stellen, aber ich wollte auch nicht über Barnes Zukunft entscheiden, wenn ich nicht wusste um was es ging.

"Löschung seiner Erinnerungen.", antwortete er mir und lehnte sich zurück. "Sie können es auch als Gehirnwäsche bezeichnen, wenn Sie denn so wollen.", fügte er noch hinzu als meine zweifelnde Mine nicht verschwand, doch nun verfinsterte sie sich.

"Was würde ihm erhalten bleiben?", wollte ich wissen und zog meine Augenbrauen zusammen. "Wenn er alles vergessen sollte, dann kann ich ihn nicht mehr wirklich effizient trainieren. Er wäre wieder ein totaler Anfänger.", meine Arme vor meiner Brust verschränkend starrte ich in Zolas kalte Augen. Sie waren gefüllt mit kompletter Dunkelheit.

"Natürlich bleibt ihm einiges erhalten. Kampferfahrung, alle normalen Dinge, die ein Mensch zum Überleben braucht ...", er machte eine wegwerfende Handbewegung und blickte zur Seite. "Er wird allerdings alles über seine Vergangenheit vergessen. Er wird danach nicht mehr James Buchanan Barnes sein."

Ich überlegte kurz. Ein Mensch ohne Vergangenheit war kein Mensch. Ich konnte ihm das nicht antun, noch nicht. Hydra würde sich nämlich nicht ewig aufhalten lassen, aber zuvor musste ich noch so viel wie möglich von ihn in Erfahrung bringen, aber ohne, dass er verdacht schöpft, was auf ihm zukam ...

"Ich denke nicht, dass er schon dafür bereit ist, Doktor Zola. Ich würde ihn zuvor noch gerne etwas härter trainieren, damit ich sicher sein kann, dass er es auch ... schaffen wird.", begann ich Zola von meinen Gedankengänge zu überzeugen, auch wenn ich andere Gründe nannte als die, die mir wichtiger waren, aber diese würde er einfach ignorieren. Doch als ich seinen zweifelnden Gesichtsausdruck bemerkte überlegte ich, was ich noch sagen könnte.

"Wäre es nicht eine Schande, wenn er unter euren Fingern wegsterben würde? Ich kann nämlich sagen, dass er Ihnen wichtig ist, sehr sogar.", provozierend sah ich ihn an. Auch wenn es noch so grausam klang ... ich schien ihn dadurch überzeugt zu haben, denn er nickte, wenn auch mit düsterer Mine.

"Gut. Sie haben eine Woche. Dann wird seine Löschung in Gang gesetzt werden.", legte er fest, stand auf und verließ den Raum.

Eine Weile blieb ich noch sitzen, ließ mir das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen, ehe ich mit einem Ruck aufstand und ebenfalls den Raum verließ. Der Hydra-Soldat, der vor diesem stationiert war, sah mich überrascht an, als ich an ihm vorbei lief und folgte mir nach einigen Sekunden mit schnellen Schritten.

"Bleiben Sie stehen!", rief er aufgebracht, weshalb ich meinen Kopf zu ihn wandte. "Ich weiß selbst wo mein 'Zimmer' ist.", blaffte ich zurück und ging ohne ein weiteres Wort und Zeit zu verschwenden weiter. Hinter mir hörte ich, wie der Soldat genervt aufseufzte und seine Schritte nochmals beschleunigte.

Vor der Tür zu meiner Raumhälfte blieb ich stehen und wartete, dass er mir auf machen würde, da ich ja keinen Schlüssel hatte, doch er stand einfach da und sah mich perplex an. "Was?! Soll ich die Tür eintreten oder was?", keifte ich mit meinen Nerven langsam am Ende. Der Hydra-Agent zuckte zusammen und öffnete mit zittrigen Händen die Tür, durch welche ich eintrat und welche er dann sofort wieder schloss.

Mein Blick wanderte sofort zu Barnes Zimmerhälfte, in der er mit einem Lappen, den er sich unter die Nase hielt, um das Blut aufzufangen, welches aber inzwischen aufgehört hatte zu fließen, auf seiner Pritsche saß. Ich bedeute ihn mit einer Kopfbewegung herzukommen. Zuerst blickte er mich nur düster an, doch dann rollte er mit den Augen und stand auf. Den Lappen schmiss er in das kleine Waschbecken.

"Tut mir Leid. Das mit deiner Nase meine ich.", murmelte ich und setzt mich auf den Boden, ebenso wie er. Er zuckte zu Antwort nur mit den Schultern. "Mir tut das mit deiner Schläfe leid.", erwiderte er und versuchte einen Blick darauf zu werfen, doch ich ließ meine Haare davor fallen.

"Nicht so schlimm.", meinte ich und sah zu Boden. Das war knapp ... an meine Schläfe hatte ich gar nicht mehr gedacht. "... weißt du, das was ich vorher sagen wollte ...", ich seufzte auf. Es war schwer als gedacht. Wie sollte ich an ihn herankommen? An seine Vergangenheit?

"Ich darf hier kein Erbarmen zeigen, James.", flüsterte ich, sodass die Mikrofone wieder nichts aufzeichnen konnten. "Wenn ich es tue werde nämlich nicht nur ich bestraft ...", ich löste meinem Blick wieder vom Boden und starrte in seine blauen Augen. Auch wenn Schmerz darin zu finden war, erkannte ich auch Verständnis in ihnen.

Es blieb eine Weile still zwischen uns. Keiner wollte wieder anfangen zu sprechen, bis ich schließlich erneut das Wort ergriff, um hier voranzukommen.

"Also, James Buchanan Barnes. Was ist Ihre Geschichte?"

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt