Der Funke [KAPITEL 46]

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Die Aufzugfahrt und der Weg bis zum Trainingsraum verliefen beide schweigsam. Diese Zeit habe ich sofort genutzt, um meine innere Ruhe zu stärken und alle anderen, ablenkenden Gedanken und Emotionen aus meinem Kopf zu verbannen. Geordneter als zuvor stand ich vor der Tür zum Trainingsraum, an der zwei Soldaten positioniert waren. Es waren die beiden, die am Tag zuvor Barnes begleitet hatten. Wenn sie da waren, würde Barnes vermutlich schon auf mich warten.
Jon und die anderen beiden Männer begrüßten sich gegenseitig mit kurz angebundenen Worten, während ich den Türgriff in die Hand nahm und diesen langsam hinunter drückte. Die Tür schwang lautlos auf und ich trat in den großen Raum. Arian stand auf seinem gestrigen Platz, neben ihm war Barnes. Der Schwarzhaarige sah auf, als ich den Raum betrat, und legte wieder dieses eiskalte Grinsen auf seine Lippen. Der Braunhaarige hingegen blieb ohne auch nur eine einzige Regung zuzulassen wie versteinert auf seinem Platz stehen.

Arian kam auf mich zu, legte mir beim Vorbeigehen eine Hand auf die Schulter, hielt kurz inne und sprach: "Viel Glück."
Ich drehte mich von ihm weg, sodass seine Hand von meiner Schulter rutschte. In mir begann erneut die Wut zu kochen, aber ich schluckte sie sofort wieder hinunter und konzentrierte mich auf meine Atmung, um Ruhe zu bewahren. Der Schwarzhaarige verzog keine Miene.
"Die zwei Soldaten bewachen den Raum und greifen bei Vorfällen ein", Arian nickte grinsend hinter sich, dann drehte er sich schließlich um. Die Tür schloss sich mit einem leisen Knall und ich war alleine, alleine mit Barnes. Ich wandte mich ihm allerdings noch nicht zu. Überlegte mir zuerst einmal einen Plan für das Training. Wirklich viele Gedanken dazu hatte ich mir gestern und heute nicht mehr gemacht. Aus irgendeinem Grund hatte ich mich nicht dazu bringen können dies zu tun. Eigentlich wusste ich auch was für ein Grund es war, doch ...

Nachdem ich mir schließlich einen groben Plan zurechtgelegt hatte, atmete ich mehrere Male tief durch, erst dann drehte ich mich zu Barnes um. Dieser stand noch genauso da wie zuvor. Seine Augen bohrten sich auf eine unangenehme Weise in die meinen. Zaghaft, wenn ich mir dies auch nicht ansehen ließ, bewegte ich mich auf ihn zu, denn als erstes wollte ich nochmal den direkten Nahkampf mit ihm wagen. Falls ich das Gefühl bekommen würde, der Kampf wäre zu unkontrolliert, wäre für die übrige Zeit boxen oder Krafttraining vorgesehenen. Ich wollte seine Aggression nicht noch einmal erfahren, oder jedenfalls nicht zwei Tage hintereinander, denn so wie es scheint, war dies die einzige Möglichkeit zu Barnes, und damit meinte ich den Soldaten, den ich kennenlernen durfte und nicht das Monster, welches Hydra kreiert hatte, durchzubrechen.
Wie auch immer, um zu verhindern erneut so etwas zu erleben wie am Vortag, war es wohl am besten den Nahkampf nicht bis zum Schluss aufzuheben, auch wenn ich dies gerne getan hätte.

Mit einem gewissen Abstand blieb ich vor Barnes stehen, welcher noch immer nicht irgendeine Gesichtsregung oder eine Bewegung zugelassen hatte. Fast könnte man meinen, dass er eine Statue wäre, würden seine Augen nicht jede meiner Regungen verfolgen, wie es ein Raubtier mit seiner Beute tat. Dies schien er oft zu machen, oder jedenfalls in letzter Zeit. Augenblicklich fragte ich mich, was er alles aufgrund dieses Blicks wahrnahm. Denn ein wenig erinnerte er mich mit diesem Ausdruck in seinen Augen an mich selbst, wenn ich andere zu durchschauen versuchte. Sah er womöglich gerade meine Schwachstellen? Eigentlich sollte dies unmöglich sein, doch ich habe ihm vor bereits so langer Zeit versucht genau das beizubringen. Damals hatte er eine Schwachstelle entdeckt, die ich ihn erkennen ließ, und eine andere, bei der er mich überrascht hatte. Seitdem ist allerdings schon eine Weile vergangen, in der ich diese Stelle weiterhin zu vertuschen lernte. Unauffällig schielte ich auf meinen rechten Arm.
Aber den Blick wirklich geübt habe ich mit ihm nicht, aufgrund des Zeitmangels blieb mir nichts anderes übrig, da der Fokus auf seinen körperlichen Stärken gelegen hatte. Er sollte schließlich die Löschung überstehen, so Zolas Vorgaben.
Ich wünschte Barnes würde wieder mit mir sprechen. Ich wollte ihn fragen, was er sah. Hatte er es sich letztlich selbst beigebracht? Genug Potenzial hatte er bewiesen.
Noch viel mehr Fragen schwirrten mir im Kopf herum, allerdings schien es so, als würde Barnes nicht wirklich auf mich reagieren. Er hatte gestern überhaupt nie das Wort erhoben. Aber vielleicht sollte ich es trotzdem probieren? Mehr als keine Antwort konnte nicht passieren. Hoffentlich.

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt