Schuldstimmen [KAPITEL 52]

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Die verschiedensten Emotionen prasselten auf mich ein, nach Arians kleiner Ansprache. Aufgrund seines Grinsens konnten die nächsten Minuten nur ein Albtraum werden. Dennoch richtete ich mich auf, wandte mich den Männern ganz zu und sah sie nicht mehr nur von der Seite aus an. Meine Finger waren angespannt, wollten sich zu Fäusten ballen, doch ich zwang mich dazu sie offen zu halten. Warum ausgerechnet jetzt? Kurz vor einem weiteren Zusammenbruch meinerseits, der noch immer in einer Ecke auf den perfekten Moment wartete, um erneut zu zuschlagen. So verletzlich darf ich einfach nicht gesehen werden. Nicht schon wieder. Dennoch geschah es immer wieder. Besuch klang auf einmal sehr bedrohlich.

Der Schwarzhaarige beobachtete mich und meine Reaktionen kühl und berechnend. Wusste er was in mir gerade vorging? Eigentlich darf mir das nicht passieren, doch durch die vorherigen Sekunden schien meine Wand zu bröckeln, Stein um Stein. Verzweifelt versuchtet ich sie neu aufzubauen, doch die Steine fielen zu schnell, sodass ich sie nicht alle rechtzeitig fangen konnte, bevor sie im Abgrund verschwanden.

Arian trat zur Seite, immer noch mit seinem grässlichen Grinsen im Gesicht. Seine beiden Begleiter taten es ihm gleich, wodurch eine weitere Person zum Vorschein kam. Doch da stand kein kleiner, bösartiger Mann mit runden Brillengläsern und maßgeschneidertem Anzug. Es war nicht Zola, so wie ich es vermutet hätte, sondern ein Mann mit länger gewachsenen, braunen Haaren und nach vorne gesunkener Statur, wodurch er kleiner wirkte, als er in Wahrheit war. Es war eine mir nur allzu vertraute Gestalt. Es war Barnes.

Mein Atem spitzte sich zu, mein Körper versteifte sich und machte sich bereit zur Abwehr, ohne dass ich dagegenwirken konnte.

Die beiden namenlosen Soldaten schuppsten den Zusammengesunkenen nach vorne, sodass er fast in mein Zimmer stolperte. Träge hob er den Kopf und sah zurück zu den Hydraagenten, von denen zwei bereits wieder verschwunden waren. Nur Arian war noch da, er hielt den Türgriff in der Hand und blickte ein letztes Mal wissend in meine Augen.

"Wir holen ihn später", waren die einzigen Worte, die er noch an mich gewandt sprach, dann schloss er die Tür, an der mein Blick für einige Momente hängen blieb, mit einem lauten Knall, der mich zusammenzucken ließ. Mein aufgewühltes Ich musste sich erst noch ein wenig beruhigen bevor es mit Barnes konfrontiert werden sollte, doch dazu wurde mir die Möglichkeit genommen, als der Braunhaarige einen Schritt näher kam. Mein Blick schnellte zu ihm, meine Hände ballten sich zu Fäusten und fast hätte ich sie auch erhoben, wäre da nicht sein verletzter Blick gewesen. Ich hielt inne und betrachtete den Mann vor mir, dem es an allem fehlte, was den Mann beim Training so furchterregend machte. Seine gerade, kalte Haltung. Sein emotionsloser Blick. Diese Wut im all seinen Bewegungen.

Vor mir stand jemand, der am Ende, ohne Hoffnung war. Gebrochen und schwach. Seine Haltung war zusammengesunken. Seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren, hatten nicht einmal mehr Emotionslosigkeit in ihnen nur Schmerz. Seine Bewegungen schienen fast schon willkürlich und unsortiert. Vor mir stand kein tötendes Monster, wenngleich seine Wunden vom Training noch immer gut sichtbar waren, vor mir war ein gebrochener Mann, der alles verloren zu haben schien ... wegen mir. Mein Blick wurde erneut glasig.

"Es tut mir so Leid", seine Stimme war rau und ungebändigt, so als hätte er sie bereits eine Weile nicht mehr richtig benutzt. Sie klang ebenso gebrochen wie er aussah. Wut und Trauer drohten mich zu überfluten, ebenso wie ihn, nach seinen stürmischen Augen zu urteilen. Sachte schüttelte ich mit dem Kopf, entspannte meine Hände, die nutzlos an meinen Armen herabhingen. "Es ist nicht-", begann ich wurde allerdings von Barnes unterbrochen, der mit neuer Energie zornig sein Gesicht anspannte, während sich dieses Mal seine Hände zu Fäusten ballten.

"Nein, hör auf. Ich kann mich nicht mehr kontrollieren, ich verletzte dich, ich ... du-", er hielt inne, blickte verächtlich auf seinen Metallarm hinab, dann veränderte sich seine Mimik. Er sah nun traurig aus, enttäuscht. Langsam sah er auf, starrte in meine Augen, die ich noch immer zu verstecken versuchte. Der Ausdruck in seinen schockierte mich. "Du hast Angst vor mir."

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt