Die Mission [KAPITEL 13]

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Siebter Tag:

Es war der Tag meiner ersten Einzelmission. Kein Team, kein Aufpasser, nur ich ganz allein. Ich und meine Nervosität, die ich aber tief in mir versteckt hielt. Ich würde nicht versagen, denn wie schwer konnte es schon sein einen entlaufenen Wissenschaftler ausfindig zu machen und anschließend auszuschalten? Es war ja nicht meine absolut erste Mission … aber meine erste ganz auf mich allein gestellte.

Als ich meine Augen öffnete leuchtete nur eine einzige Lampe, die in der Mitte meines Raumes an der Decke befestigt war. Ihr dämmriges Licht flackerte in unregelmäßigen Abständen, während das Tropfen des kaputten Wasserhahns laut in der Stille, in welcher der Raum lag, von den Wänden widerhallte. Ich richtete mich langsam auf und sah zu Barnes' noch schlafender Gestalt. In der fast vollkommenen Dunkelheit konnte ich nur sehr schwach erkennen, wie sich seine Brust langsam hob und senkte. Wenigstens er konnte noch ruhig schlafen …

Mein Blick wanderte weiter bis er an der schweren Metalltür hingenblieb. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie mich abholen kommen? Wahrscheinlich war es noch mitten in der Nacht und ich könnte noch einige Stunden schlafen, doch mein Kopf begann nun ebenfalls wacher zu werden. Die verschiedensten Gedanken bezüglich dem was mir bevorstand schossen mir durch den Kopf, hinderten mich daran mich einfach wieder hin zu legen und die Augen erneut zu schließen.

Zolas Worte vom Vortag kamen mir in den Sinn und halten wieder und wieder in meinem Kopf nach. Die Mission war doch, wie er es gesagt hatte, simpel. Warum also machte ich mir solche … Sorgen?

'Weil etwas schiefgehen wird!', warnte mich eine Stimme in meinem Kopf, doch ich versuchte sie zu ignorieren, denn würde etwas schiefgehen, wird Zola wohl keine Gnade walten lassen. Und wenn ich es mir einredete, dann würde ganz sicher etwas unvorhergesehenes passieren …

Langsam und leise, um Barnes nicht zu wecken, schlug ich die dünne Decke von mir und setzte mich mit überkreuzten Beinen und meinen Rücken an die kühle Wand gelehnt hin. Meine Augen schlossen sich fast schon automatisch, während mein Atem ruhiger und zugleich langsamer wurde. Mit der Hoffnung, dass all meine Befürchtungen verschwinden würden, begann ich zu meditieren. Es war als wäre mein Kopf binnen weniger Augenblicke wie leer gefegt. Das Einzige, auf was ich mich konzentrierte, war meine Atmung und die Kälte, sowie die Geräusche, des Raumes, in welchen ich mich befand. Ich atmete ein, zählte zwei Wassertropfen und ein Knacken der kaputten Lampe, ehe ich ausatmete. Und dies wiederholte ich, wieder und wieder.

In diesem Zustand hätte ein Tag vergehen können, ohne dass sich meine Konzentration verringern würde. Jedenfalls nicht durch mich selbst, aber durch den Einfluss meiner Umgebung. Denn als die Tür zu meiner Raumhälfte leicht quietschend aufging, öffneten sich ruckartig meine Augen und suchten nach den Eindringlingen. Zwei Hydrasoldaten standen in der Tür und bedeuteten mir, ihnen zu folgen. Bedächtig stand ich auf und verließ den kleinen Raum. Das Letzte, was mir ins Auge fiel, ehe die Tür hinter mir geschlossen wurde, war Barnes erhobener Kopf und sein Blick, der auf mir lag.

Schweigend brachten mich die beiden Agenten in einen kleinen Raum, welcher mein Ankleidezimmer für Missionen war. Es befand sich nur ein Spind, ein kleiner, runder Holztisch und eine nicht sonderlich breite Bank in diesem Zimmer, zusammen mit einem bereits etwas kaputten Spiegel an der Wand neben der Tür, welche von den Hydra-Agenten geschlossen wurde, nachdem ich eingetreten war. Kurze Zeit blieb ich in der Mitte des Raumes stehen, holte ein paar Mal tief Luft, ehe ich den grauen Spind öffnete, der fast schon etwas grünlich im Licht der beidem Deckenlampen aussah. In diesem hing ein schwarzer Ganzkörperanzug, ein dicker, brauner Mantel und am Boden standen schwarze, schwere Schuhe und ein kleiner Jutebeutel mit allerlei Dingen darin. Binnen weniger Momente war ich auch schon umgezogen und betrachtete mein blasses Gesicht einige Zeit lang im milchigen Spiegel.

Meine graublauen Augen waren matt und tiefe Augenringe hatten sich, wegen der Aufregung der letzten Tage und der deswegigen Schlaflosigkeit, unter ihnen gebildet. Ein paar Strähnen meiner glatten, schwarzen Haare hingen mir bereits bis etwas über die Schultern, weshalb ich kurzentschlossen eine Schere aus dem Beutel krammte und sie wieder etwas kürzte. Ohne meinem Endergebnis wirklich viel Aufmerksamkeit mehr zu schenken, räumte ich die Schere wieder in den Spind und widmte mich anschließend lieber den Akten, welche auf dem kleinen Tisch lagen.

'WILHELM BASEL' stand in schwarzen Großbuchstaben auf der nicht sonderlich vollen Akte. Als ich sie vom Tisch nahm fielen einige Blätter heraus, die nun um den Tisch herum auf den Boden lagen. Langsam legte ich den bräunlichen Umschlag auf der Tischkante ab und kniete mich hin, um die ganzen anderen Blätter zu betrachten. Es stand meist nicht sonderlich fiel darauf. Nur etwas zu seinen Ergebnissen als Wissenschaftler und solch weiterer Kram, der allerdings für meine Mission nicht sonderlich interessant war. Doch ein Blatt erregte meine Aufmerksamkeit. Ich streckte meine linke Hand danach aus und hielt es mir anschließend vor das Gesicht. Es war ein Bild von meiner Zielperson.

Wilhelm Basel hatte zottelige Haare, wobei ihm die meisten auf diesem Foto im Gesicht hingen. Er hatte keinen Bart, aber dennoch stellte ich ihn mir zur vorsichtshalber mit einem vor, schließlich wusste ich nicht wie lange er schon auf der Flucht war und als Flüchtling hat man nicht wirklich viel Zeit und Nerven um sich um sein Äußeres zu kümmern. Ich sprach da aus Erfahrung …

Aufeinmam rutschte ein weiteres Blatt aus Basels Akte heraus und blieb direkt vor meinen Füßen liegen. Ich faltete das Bild und verstaute es in einer der Taschen meines Anzugs, ehe ich meine volle Aufmerksamkeit auf das neue Blatt richtete.

'Wilhelm Basel, Hydra Wissenschaftler seid 1934. Auf der Flucht seid ungefähr zwei Monaten …' waren die ersten beiden Sätze, die auf dem Blatt standen. Basel war also schon seit längerem auf der Flucht, aber warum beauftragte mich Zola erst jetzt damit, wenn es doch, wie er es gestern gesagt hatte, so wichtig war? Vielleicht haben sie ihn zuerst selbst gejagt, aber dann verloren … und jetzt sollte ich ihren 'Fehler' wieder ausbügeln …

Ich las das Blatt zu Ende, aber wirklich viele Informationen standen hier auch nicht. Nichts über seine Vergangenheit, seine Motive zur Flucht, nichts. Das einzige, was noch einigermaßen hilfreich war, war sein letzter Aufenthaltsort, ehe Hydra ihn wohl aus den Augen verloren hatte. Aber auch dieser wurde nicht allzu genau beschrieben … anscheinend ist er von einem kleinen Dorf im nordwestlichen Teil Österreichs aus weitergewandert, aber anstelle die Straße zu nehmen wählte er den Weg durch einen Wald. Wunderbar … das könnte jetzt wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen werden …

Etwas genervt atmete ich aus, faltete auch dieses Blatt und verstaute es in der selben Tasche wie das Bild, ehe ich die anderen Blätter zusammensammelte und in meinen Spind legte. Wer weiß, vielleicht wären sie mal nützlich. Kaum hatte ich den graugrünen Spind geschlossen, öffnete sich auch schon die Tür. Die beiden Hydra-Agenten sahen mich mit ausdrucksloser Mine an und bedeuteten mir erneut mit einen kurzen Nicken Richtung Gang, dass es Zeit wurde zu gehen …

Noch einmal tief ein und aus atmend trat ich aus meinem Ankleidezimmer. Möge die Jagt beginnen …

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt