Kein Zurückhalten mehr [KAPITEL 40]

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Vor der Tür zum Trainingsraum einige Ebenen weiter unten blieben Jon und ich stehen. Bevor wir allerdings nach unten gegangen waren hatte ich noch meine normale Kleidung durch den schwarzen Kampfanzug ausgewechselt, den ich für Missionen trug. Warum genau ich das tat wusste ich nicht, aber durch ihn fühlte ich mich sofort stärker und sicherer. Das war natürlich nicht der Fall, dennoch schaffte ich es nicht diese Gefühle zu verhindern. Ich wollte mich vor etwas schützen, vor etwas, was ich nicht genau beschreiben konnte. Meinen Kopf schüttelnd, vertrieb ich diese Gedanken wieder und konzentrierte mich stattdessen auf Jon.

Der Blonde hatte noch immer das Tablett in der Hand, als er mir zunickte, ein müdes Lächeln auf den Lippen, sich anschließend umdrehte und ging. Ich sah ihm noch nach, bis er im Aufzug verschwand, dann wandte ich mich zur schweren Metalltür und öffnete diese. Mit hochgerecktem Kopf trat ich ein, schloss die Tür wieder und lief auf den Schwarzhaarigen zu, der in der Mitte des Raumes verharrte. Als er die Tür hörte drehte er sich mit einem undefinierbaren Ausdruck auf seinem Gesicht zu mir um. Unauffällig ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Wir waren alleine. Wo war Barnes? Mit angemessenem Abstand blieb ich vor dem schwarzhaarigen Soldaten stehen und nickte einmal höflich, auch wenn ich ihm am liebsten ins Gesicht schlagen wollte. Er jedenfalls nickte zurück.

"Wo ist Barnes?", fragte ich nach einigen weiteren Augenblicken des Schweigens. Sofort legte sich ein Grinsen auf das kalte Gesicht von Arian, welches allerdings ebenso kühl wie der Rest von ihm war. Ich versuchte seine Reaktion zu ignorieren.

"Keine Sorge", fing er an, während er auf mich herabsah, als spräche er mit einem kleinen Kind, "Er wird gleich da sein." Nach diesen Worten wandte er sich wieder von mir ab, was mir mehr als recht war. Mit ihm wollte ich mich bestimmt nicht unterhalten. Anstelle nun also zu reden, versank ich ein wenig in meinen Gedanken, welche um das kreisten, was Jon zuvor alles gesagt und nicht gesagt hatte. Er schien kein Neuling bei Hydra zu sein, aber allzu lang war er wahrscheinlich auch noch nicht dabei. Dafür hatte er sich aber in den Augen Hydras als würdig erwiesen, wenn er bereits jetzt einer der begabtesten Scharfschützen war. Womöglich hatte der Blonde bereits seine Erfahrungen gesammelt bevor er zu Hydra stieß. Ehemaliges Mitglied aus dem Militär wäre vorstellbar, aber er könnte genauso gut eine spezielle Ausbildung hinter sich haben, die von Hydra, oder einem Dritten ausgegangen war. Es könnte aber auch etwas anderes sein. Schließlich kannte ich nur den Aufpasser und nicht den Soldaten in ihm. Ich würde gerne einmal sehen, was er im Laufe eines Gefechts machen würde. Wie er handelt: spontan oder geplant. Was er macht, wenn es brenzlig wird. Oder wie er es aus einer nicht zu rettenden Situation schaffen würde. Wäre er teamfähig, oder ein Einzelgänger, wenn es hart auf hart kommt?

Ich wollte unbedingt mehr über ihn erfahren. Vielleicht konnte ich dann endlich feststellen, was an ihn mir so vertraut vorkam. Neben seinem Äußeren natürlich.

Aber das wichtigste, was ich herausfinden konnte, war etwas, was Jon nicht gesagt hatte. Wenn er wirklich so gut war wie er behauptete, musste ich für Hydra ein hohes Risiko darstellen. Warum sonst sollten sie einen ihrer Besten an mir verschwenden. Das wäre unsinnig. Diese Informationen ließ mein Ego doch tatsächlich ein wenig anschwellen. Vielleicht galt ich ja nun nicht mehr als ein Schwächling. Lieber eine Bedrohung als eine Belastung. Aber ich sollte vorsichtig sein, nicht dass ich noch eine zu große Gefahr für Hydra werde. Dann doch lieber ein Schwächling als eine Leiche. Aber warum würde mir Hydra einen Scharfschützen als Aufpasser einteilen? Wäre ein Nahkampfspezialist nicht mehr von Vorteil gewesen? Wobei ich auch hier wieder nicht wusste, wie viel von dem, was Jonas mir sagte, auch wirklich der Wahrheit entsprach. Zudem wusste ich auch noch nicht, wie es bei seinen Nahkampffähigkeiten aussah.

Ich wurde aus meinen Gedankengängen gerissen, als der Schwarzhaarige, der noch immer vor mir stand, unerwarteter Weise das Wort ergriff. Erschrocken war ich etwas zusammengezuckt und starrte nun in die eisigen Augen meines Gegenübers, welche teils von seinen Haaren versteckt waren.

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt