Nicht nur halb leer [KAPITEL 19]

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Abrupt öffneten sich meine Augen, als ich das Knacken von Ästen vernahm. Adrenalin wurde durch meinen Körper gepumpt, während mein Blick rasch von einer Seite zur anderen wanderte. Es war so dunkel, dass ich nichts um mich herum erkennen konnte. Kurz stieg Panik in mir hoch. Wo befand ich mich? Erschrocken riss ich meinen Kopf in die Höhe und stieß ihn mir an den Baumstämmen über mir. Zischend rieb ich mir über die schmerzende Stelle, während mir wieder in den Sinn kam, wo ich mich befand. Wie konnte ich es nur je vergessen.

Der Schmerz ließ langsam nach, dennoch blieb ich noch eine Weile in meinem Unterschlupf liegen. Vor Kälte und Adrenalin zitternd versteckte ich meine Hände in den Ärmeln des dicken Mantels. Stockender Atem kam über meine Lippen und bildete wahrscheinlich wieder kleine Atemwölkchen in der Luft. Erst als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und ich mir sicher war, dass sich mein Körper wieder beruhigt hatte, kroch ich vorsichtig aus meinen Versteck.

Mit steifen Gliedern richtete ich mich ächzend auf und streckte zuerst einmal meinen Rücken durch. Fluchend verengte ich meine Augen zu Schlitzen und suchte nach dem Motorrad, dass noch immer an der Stelle stand, an dem ich es zurückgelassen hatte. Es lag kein Schnee darauf.

Mein Blick wanderte weiter zum Himmel empor, an dem nun die Sterne und der Mond hell in all ihrer Pracht erstrahlten. Keine einzige graue Schneewolke war noch irgendwo zu erkennen. Der Himmel war klar. Erleichtert atmete ich aus und stapfte auf mein provisorisches Dach zu, welches vom kalten Wind, der bei mir eine Gänsehaut verursachte, sachte hin und her bewegt wurde. Ungeduldig riss ich die kratzige Wolldecke von den Ästen, wickelte sie erneut um meinen Arm und trat anschließend auf das Motorrad zu. Das Knirschen des Schnees unter meinen Füßen erschien im stillen Wald unheimlich laut. Gespenstisch und doch wunderschön wurden die schneebedeckten Bäume vom Licht des Mondes erleuchtet, doch mir blieb keine Zeit die Schönheit dieses Anblicks zu würdigen. Schließlich hatte ich noch immer einen entflohenen Wissenschaftler ausfindig zu machen.

Mit immer noch zitternden Gliedern krallte ich mich an den Griffen des Motorrads fest und schwang mich auf den schockgefrosteten Sitz, ein Bein gegen den rutschigen Boden gestemmt. Ich kramte den Schlüssel, den ich in dieselbe Manteltasche wie die Maske gesteckt hatte, hervor und startete den Motor des Gefährts. Augenblicklich erfüllte dessen Geräusch den gerade noch in Stille getauchten Wald, während der Scheinwerfer, wie auf einer Bühne seine Performer, einen Busch vor mir beleuchtete. Flink fischte ich nun die Maske aus dem dicken Mantel und befestigte sie mit zitternden Fingern an meinem Hinterkopf. Erst als dies geschafft und der Mantel wieder fest um meinen Körper geschnürt war, die Kapuze ließ ich dieses Mal unten, fuhr ich langsam los, suchte mit wachsamen Augen die Spuren Basels im Schnee und entdeckte dabei noch einige andere Abdrücke, die von den Tieren des Waldes stammten.

Der Fahrtwind wehte wieder durch meine Haare, zerrte an ihnen, stach in meinem Gesicht wie viele tausend Nadeln und ließ meine wahrscheinlich roten Ohren erzittern. Doch überraschender Weise war es nicht mehr so unangenehm wie zu Beginn meiner Mission. Die Kälte, die meinen kompletten Körper mit ihren eisigen Klauen umhüllte, hielt mich im hier und jetzt.

Mit starr nach vorne gerichteten Augen fuhr ich durch den verlassenen Wald. Mein Zeitgefühl hatte ich schon vor einer ganzen Weile verloren, dennoch war ich schockiert, als sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg durch die nackten, vom Eis gefrorenen Äste der Bäume bannten. Hatte ich wirklich fast die ganze Nacht geschlafen?

Wie von alleine wanderte mein Blick plötzlich auf meinen rechten Arm, um welchen die braune Decke gewickelt war. Fast zeitgleich spürte ich den Schmerz knapp über meinen Handgelenk pulsieren. Fieberhaft überlegte ich, wie lange es wohl noch dauern würde bis sich Hydra auf den Weg machen würde, um mich einzusammeln. Wieder kamen mir genau zwei Optionen in den Sinn: Entweder sie fingen mich so schnell wie möglich wieder ein, oder sie ließen mich, wie ein Raubtier seine Beute, noch etwas rennen, um mir Hoffnung zu machen. Doch anders wie zuvor lag die Entscheidung nun nicht mehr in meinen Händen. Egal für welche Strategie sich Hydra entscheiden sollte, ich musste mich beeilen. Meinen Blick nun wieder stur nach vorne gerichtet fuhr ich weiterhin Basels Spuren nach, versuchte die Geschwindigkeit des Motorrads zu steigern, entschied mich dann aber doch dagegen, als das Gefährt wieder etwas ins Rutschen kam.

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt