Jonas Wright [KAPITEL 33]

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Keiner hielt mich auf, als ich zum Aufzug rannte. Niemand wagte es mich anzufassen, als ich an ihnen vorbeikam. Dies beruhigte mich ein wenig.
Erleichtert atmete ich aus, sobald ich in der Sicherheit des Lifts stand, obgleich dessen Türen noch nicht geschlossen waren. Erschöpft und verwirrt ließ ich mich gegen eine der Wände fallen, die mich nur mühsam aufrecht hielt. Ich war zu erschöpft, um überhaupt einen Knopf zu drücken. Die Wut, die mich zuvor gepackt hatte verblasste ganz langsam wieder, versteckte sich in der dunkelsten Ecke in mir. Doch gleichzeitig verspürte ich eine Art Zorn, der aber auch keiner war, auf mich. Ich hatte mich schon wieder von meinen Emotionen leiten lassen und das war ganz und gar nicht gut. Konzentrierte man sich auf seine Gefühle und nicht auf das Wesentliche, in diesem Moment fielen einem Fehler erst viel zu spät auf. Und die könnten fatale Folgen mit sich ziehen.

Ruckartig öffnete ich meine Augen, als ich Schritte hörte. Panisch wanderte mein Blick zu dem Mann, der nun neben mir im Aufzug stand. Doch sobald ich sein Gesicht erblickte entspannte ich mich auch schon wieder.
Es war nur Jon.

Ohne ein Wort zu sagen drückte er auf den Knopf meiner Ebene. Die Lifttüren schlossen sich augenblicklich ohne einen Laut von sich zu geben. Ich löste mich von der Wand und stellte mich neben den Blonden in die Mitte des kleinen Kastens. Verstohlen sah ich ihn von der Seite an, versuchte irgendetwas hinter seiner Fassade zu erkennen, doch sein Gesicht zeigte keine Regung. Stumm und stramm stand er da, obgleich ich einen gewissen Schmerz in der Art wie er stand erkennen konnte. Anscheinend hatte ich ihn verletzt, als ich ihn zu Boden gerissen habe.
Die Hände hatte er hinter dem Rücken gefaltet. Seine Haare waren unordentlich, einige Strähnen hingen ihm ins Gesicht, doch es schien ihn nicht zu stören. Ich löste meinen Blick wieder von seiner Gestalt. Einige Sekunden blieb ich noch still, bis ich es schließlich nicht mehr ertrug: "Tut mir Leid."
Meinen Kopf senkend konnte ich ihm nicht in die Augen sehen. In diesem Moment hatte ich einfach nur Angst vor den Konsequenzen. Und wenn Jon es vielleicht nicht melden würde, gäbe es bestimmt einige der noch immer in der verwüsteten Kantine sitzenden Soldaten, die es stattdessen machen würden. Wahrscheinlich gäbe es viele vor Wut schäumende Männer, die dies nur allzu gern erledigen würden.

Ich konnte den Blonden neben mir tief einatmen und anschließend seufzen hören. Das Rascheln von Stoff war zu vernehmen, er musste seine steife Position verlassen haben. Als ich den Kopf ein klein wenig hob konnte ich diese Vermutung bestätigen. Er stand nun eingesunkener da, die Arme an den Seiten hängen lassend. Er strich sich seine Haare zurück, ehe er mich ansah. Seine mattgrünen Augen strahlten eine seltsame Müdigkeit aus.

"Es war nicht Ihre Schuld", fing er an und schüttelte nebenbei den Kopf, "Es ist mein Job gewesen dies zu verhindern, doch ich habe es nicht geschafft." Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen. In diesem Augenblick konnte ich nicht anders, als zu bemerken, dass ich ihm glaubte und, was viel wichtiger war, dass ich anfing ihm zu vertrauen. Ihm, den Soldaten, der mich beaufsichtigte und den ich erst einige Tage kannte. Wie konnte das sein? Er war bestimmt nicht so freundlich, wie er es in den letzten Tagen vorgab zu sein. Wahrscheinlich war es nur auf Befehl. Ein weiterer Teil einer Bestrafung, die schon viel früher begonnen hatte, als die Mission die ich antreten musste. Ich musste damit aufhören, hatte meine Lektion dazu schon viele Jahre zuvor gelernt. Ich schüttelte meinen Kopf, war dies jetzt nicht mein größtes Problem. Mein Blick, der zuvor weggewandert war, traf wieder auf den Blonden, welcher sich abgewandt hatte.

"Woher sollten Sie es auch wissen?", verwundert zog ich eine Augenbraue in die Höhe. Ich hatte es ja nicht einmal selbst geahnt, woher sollte dann Jon davon wissen? Außer er wusste von dem, was Arian gesehen hatte. Doch dies schien nicht der Fall zu sein, noch nicht. Wobei ich nicht sagen konnte, ob Arian es überhaupt sagen würde. Vielleicht wollte er mich damit auch irgendwie erpressen.

Jon schüttelte erneut mit dem Kopf, sodass seine zuvor zurückgestrichenen Strähnen wieder in sein Gesicht fielen. Doch anstelle etwas auf meine Frage zu erwidern trat er aus dem Aufzug heraus auf den Gang, da sich genau in diesem Moment die Türen geöffnet hatten. Gehorsam folgte ich ihm und lief Hände ringend neben ihn den Gang entlang. Es war nicht seine Schuld, warum also gab er sich die Schuld, an dem, was passiert war? In gewisser Weise erinnerte Jon mich gerade an Barnes. Auch er hatte sich die Schuld für etwas gegeben, was er nicht beeinflussen hatte können. Es schien schon fast bizarr, dass ich die gleiche Situation an zwei Tagen hintereinander erlebte, das selbe Dilemma: die Schuldfrage. Doch wie immer gab es nichts zu sagen, um den Mann neben mir diese von den Schultern zu nehmen. Er hielt fest an diesem Argument, dass er es erahnen und verhindern hätte sollen, obwohl er dies nie hätte schaffen können. Irgendwie konnte ich das Gespräch jetzt nicht ruhen lassen. Und auch wenn es hoffnungslos schien, wollte ich versuchen Jon zu überzeugen, dass er nichts hätte machen können.

"Ich hatte mich nicht unter Kontrolle, Sir", schwer atmete ich ein und aus, "Alles was zuvor geschehen ist, ist alleine meine Schuld und deshalb werde auch ich für die Konsequenzen gerade stehen." Dass ich vor den genannten Konsequenzen Angst hatte verschwieg ich. Doch es musste sehr offensichtlich gewesen sein, denn Jon lächelte mich Mut machend an, ehe sich seine Miene wieder verdunkelte.
"Sie werden nicht für meinen Fehler gerade stehen, auch wenn ich nicht leugnen kann, dass sie selbst ebenfalls einen begangenen haben", etwas überrascht zog ich beide Augenbrauen in die Höhe. Dass er es so direkt formulieren würde hätte ich nun auch wieder nicht gedacht. Doch es war kein Witz oder so etwas, es war sein totaler Ernst. Ohne ein weiteres Wort zu sagen liefen wir weiterhin den Gang entlang, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Vor der Tür zu meinem Zimmer blieben wir stehen, doch keiner wagte es diese zu öffnen oder zu gehen. Stumm standen wir uns gegenüber und starrten in die Augen unseres Gegenübers. Seine grünen Augen waren geprägt von Sorge, schienen matt und fast leblos. Das meine wahrscheinlich nicht besser aussahen konnte ich nur erahnen. Sekunden, wenn nicht sogar Minuten, sahen wir uns einfach nur an, bis sich Jon schließlich aus seiner Starre befreite und mir die Tür öffnete. Noch immer wie erstarrt ließ ich meinen Blick in den Raum wandern, bevor er wieder auf Jon traf. Langsam und vorsichtig setzte ich mich in Bewegung, ergriff die Türklinke so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten. Der Blonde war dabei sich abzuwenden, als ich meinen Mund öffnete: "Sie haben sich mir selbst noch nicht vorgestellt." Jon hielt inne. Ich kannte zwar den Namen, bei dem ihn die Männer in der Kantine gerufen haben, doch ich wollte es aus einem unbestimmten Grund selbst gesagt bekommen. Der blonde Soldat lächelte verlegen, stellte sich gerade hin, ehe er sich kurz verbeugte.
"Jonas Wright, zu Ihren Diensten."

Auch ich lächelte kurz angebunden, ehe ich einen schnellen Knicks vollführte. "Die Freude ist ganz meinerseits."




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Hey!
Ich hoffe euch hat das heutige Kapitel gefallen und ich wünsche euch ein frohes, neues Jahr!
Hier geht es zum Geburtstags/Neujahresspecial: https://www.wattpad.com/story/133694804-how-to-live-with-three-bigger-souls-geburtstags (Wenn der Link nicht geht einfach auf meinem Profil nachsehen)

Ab jetzt wird es leider wieder nur alle zwei Wochen ein Kapitel geben. Zudem möchte ich lieber am Samstag die Kapitel hochladen, da ich nach den Ferien am Mittwoch absofort lange Schule habe und es mir dann alles zu stressig wird. Das nächste also am 13.01.18.
Dann bis in zwei Wochen!
LG, Magicrow

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt