Mit stumpfen, fast schon toten Blick starrte ich gegen die Wand vor mir. Meine Haare hingen mir etwas vor der Stirn, doch mir fehlten der Wille und die Energie um sie wegzustreichen, ebenso wie das Verlangen.
Am Rande meines Sichtfeldes konnte ich noch verschwommen einen Schrank links und einen Tisch rechts an der Metallmauer erkennen. Doch diese Informationen schienen nicht weiter verarbeitet und verwendet zu werden.
Ich war eine leere Hülle. Eine Hülle, die in einem Loch gefangen war, dass so tief- zu tief war, um eigenständig hinaus klettern zu können.
Ein Mann im weißen Kittel stand mit verschränkten Armen und etwas Abstand vor mir, musterte mich abschätzend. Ein zweiter, es war Sebastian, nahm Blutproben, maß meine Temperatur und sah sich meine Pupillen an. Ich ließ ihn einfach machen. Ich bemerkte ja nicht einmal wirklich das kleine Licht, dass direkt in mein Auge schien, als Sebastian dieses untersuchte.
Wie ich erneut im Experimentraum gelandet war konnte ich nicht erklären. Wahrscheinlich haben mich Soldaten hergezerrt, denn selbst bin ich ganz bestimmt nicht gegangen. Vielleicht bin ich bewusstlos gewesen. Vielleicht auch einfach nur betäubt vom Schrecken, den ich selbst verursacht hatte.Sebastian machte den Mund auf. Sprach er mit mir? Er zog eine Augenbraue hoch, dann drehte er sich zum anderen Mann im Kittel. Sie unterhielten sich, doch es kam kein Ton bei meinen Ohren an. Es war vollkommen still, nur die stürmische See und den wütende Wind in meinem Inneren nahm ich wirklich wahr. Vorwurfsvoll, verächtlich, vernichtend. Ich hatte keine Chance gegen die Wellen, die an mir zerrten, mich an meinen nassen, schweren Klamotten in die Tiefe zogen. Innerlich war ich vollkommen panisch, äußerlich vollkommen kalt. Ich war erschöpft, da ich trotz der aussichtslosen Situation versuchte gegen die Wasserwogen anzukämpfen. Mein Blick verschwamm immer mehr. Ich sah es nicht einmal kommen, als ein scharfer Schmerz zuerst durch meine Wange und anschließend durch mein ganzes Gesicht schoss. Mein Kopf wirbelte zur Seite, meine Haare flogen wie ein Kranz um mich, meine Augen waren aufgerissen. Der Schlag schien mich aus dem Loch, in dem ich gesessen war, hinausgezogen zu haben, denn Eindrücke prasselten auf mich ein, die mein müdes Gehirn nicht alle auf einmal verarbeiten konnte. Ich war überfordert.
Ich saß in einem Experimentraum, nein, in dem Raum, in welchen ich zuvor schon war. Wie war ich hergekommen? War ich schon wieder bewusstlos gewesen? Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Aber ich konnte mich nicht daran erinnern aufgewacht zu sein.
Was taten Sebastian und sein Vorgesetzter? Wollten sie mir nochmal das Serum verabreichen? Hatte ich für heute nicht genug gelitten? Ich hatte einen Mann umgebracht ... einfach so.Nach einigen Sekunden, in denen ich einfach nur schwer atmend nach Kontrolle suchte und all meine rasenden, verwirrenden Gedanken zu verscheuchen versuchte, sah ich langsam mit emotionslosen Blick auf. Sebastian stand nun weiter hinten und der andere, größere Kittelträger war nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Seine ohnehin schon schmalen Augen wirkten noch kleiner, aufgrund seiner zusammengekniffenen buschigen Augenbrauen. Erneut stieg mir der stärkere Geruch von Chemikalien und Tod in die Nase. Mein Blick wanderte rasch hin und her, suchte nach irgendeinem Anhaltspunkt, den ich nicht erkannte. Erst als der Mann vor mir, der sich mit seinen Armen auf der Liege abstützte und mich somit in einem Käfig festhielt, um mir besser in die Augen sehen zu können, den Mund öffnete fokussierte ich mich auf ihn. Dieses Mal konnte ich auch verstehen was er sagte.
"Reißen Sie sich zusammen! Sie sind kein Kind mehr, Sie sind Hydraagent und -soldat. Hier gibt es keine Zeit für Ihre kindischen Zankereien!"Meine Augen zu Schlitzen verengt starrte ich ihm ebenso steinkalt entgegen. Kindische Zankereien? Das war es wie ich mich verhielt? Ich hatte einen Mann einfach umgebracht und ich wurde dafür mit einem Kind verglichen? Der Mann war zwar bestimmt kein glorreicher, weißer Ritter gewesen, aber dennoch hatte ich nicht das Recht gehabt ihn von seinem Ross zu zerren. Ich wollte nicht und doch hatte ich das Bedürfnis verspürt es zu tun. Hatte das Serum mein Selbst blockiert oder mein wahres Ich hervorgeholt? War es mir bestimmt ein kaltblütiger Marionettenmörder zu sein? Versteckte ich mich vor mir selbst? War das alles Teil des Loches meiner Erinnerungen und Gedanken?
Ich spürte die Panik meine Kehle umgreifen. Mein Atem wurde flach. Etwas kroch näher an meinen Schalter, an meinen Schutzwall. Es wollte sich erneut befreien, wollte dem Mann vor mir ebenso wie dem Soldaten zuvor eine Kugel zwischen die Rippen jagen. Es- Ich wollte ihn bluten sehen. Nach Luft schnappend auf dem Boden liegend, sich fragend ob es das war, ob das sein Ende wäre. Und dann würde ich ihn von der Schwelle zurückreißen. Solange bis er es sich wünschte, den letzten Schritt zu machen und somit die Stufen hinabzufallen. Meine Finger zuckten begierig, mein Kopf war leicht schräg gelegt. Oh, wie ich ihn Schmerzen zufügen wollte.
Das Einzige, was mich zurückhielt war Sebastian, der zitternd nach einem Funkgerät tastete. Als sich unsere Blicke kreuzten, als ich die Furcht in seinen Augen sah hielt ich inne. Mein Körper war plötzlich wieder ganz still. Ich konnte das zornige Funkeln aus meinen Iriden schwinden spüren. Ein eisiger Griff legte sich um mein Herz und ein unangenehmer Schauer um den Rest meines Körpers. Das Serum steckte noch immer in mir. Die Wirkung lag noch in meinen Adern, Knochen, Gedanken. Fast hätte ich es erneut getan.
Meine Zähne fest aufeinander gepresst, wandte ich mich wieder an den namenlosen Kittelträger.
"Ich möchte nun auf mein Zimmer", es war ein eisiger Unterton, der meinem Gesagten einen gewissen Befehlston verlieh. Für einige weitere Augenblicke blieb er wie er war. Wir starrten beide in die Augen unseres Gegenübers, ohne zu blinzeln, ohne etwas zu sagen, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. Dann senkte der Mann seinen Blick endlich, seufzte einmal lautlos und wandte sich von mir ab. Er nickte Sebastian zu, der das Funkgerät in den Händen hielt, immer noch eine besorgte Miene auf dem Gesicht habend. Daraufhin hob der Blonde das Gerät an seinen Mund und sprach leise Worte hinein. Ein Knacken war zu vernehmen, Sebastian hielt sich das Funkgerät ans Ohr und nickte schließlich.
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How to become a Winter Soldier
Fanfiction//PAUSIERT// ||Jeder kennt die Geschichten, in denen der Winter Soldier eine Frau trainiert, doch was passiert, wenn eine Frau den Soldier trainiert?|| Hydra ist erbarmungslos. Es gibt keinen Platz für Schwächlinge. Gilt man aber als ein solcher, m...