Ich stand bestimmt noch viele Minuten fassungslos und mit geöffnetem Mund vor der geschlossenen Tür. Brannte sie mit meinem Blick nieder. Erst als meine Beine langsam taub wurden und ich befürchtete gleich umzukippen bewegte ich mich wie in Trance mit wackeligen Beinen auf mein Bett zu. Dort ließ ich mich einfach blindlings darauf fallen, blieb kurz schwer atmend auf dem Bauch liegen, ehe ich mich auf den Rücken drehte, Beine an der Kante vom Bett runter hängend. Die Arme weit von mir gestreckt starrte ich an die Decke, die nur unbeeindruckt zurück glänzte. Meine Brust hob und senkte sich stark, als ich begierig die stickige Luft einzog. Was ist gerade eigentlich passiert? Es ist alles so schnell geschehen, dass ich die ganzen Informationen noch nicht mal verarbeiten hatte können.Jon hatte gerade mir das leere Tablett abgenommen.
Zola ist herein geplatzt, zusammen mit Arian.Jonas ist daraufhin verschwunden, hatte sich noch retten können.
Zolas Rede schwankte plötzlich von Strafprozess auf Wunschfrage um.
Und nun durfte ich Barnes wieder trainieren.
Ob das nicht mehr ein Fehler war würde sich noch herausstellen.
Hatte er doch tatsächlich nach meiner Meinung gefragt ...
Diese Tatsache verwunderte mich noch immer. Wäre er zu einem anderen Entschluss gekommen falls ich mit "Nein" geantwortet hätte? Oder wollte er mich dann dazu zwingen? Dann hätte meine Meinung, das ganze darum herum gar keine Bedeutung gehabt. Doch dies könnte ich Zola nur allzu sehr zutrauen. Dass er es bei mir mit solchen Psychospielen versucht, wäre nicht das erste Mal gewesen. Eines der grausamsten Dinge, die man machen konnte war nun mal einem die Möglichkeit einer Meinung zu geben, nur um diese kurz darauf zunichte und unbedeutend zu machen. Wer fühlte sich dabei nicht wertlos, allein, unwichtig?
Alles, nur um sie zu brechen.
Plötzlich wurde die Tür ohne Vorwarnung erneut aufgerissen. Erschrocken setzte ich mich auf, befürchtend, dass Zola zurückgekommen war, um mich noch mehr zu quälen. Doch im Türrahmen stand eine große, drahtige Gestalt und nicht Zolas kleine Person. Sorge stand auf dem Gesicht des Mannes geschrieben und wurde von jeder seiner Bewegungen wiedergespiegelt, als er eintrat und anschließend die Tür schnell hinter sich schloss, so als hätte er es fast vergessen. Mein Blick war verschwommen, womöglich von den Tränen, die hochgestiegen waren, als ich an Hydras Qualen zurückdachte, von dem Gefühl wertlos zu sein, sodass ich nicht wirklich erkennen konnte, wer sich da auf mich zu bewegte. Seine Schritte schienen überlegt gesetzt, grazile ging er mit geraden Schultern voran. Selbst als er sich vor mich auf den Boden kniete wirkte er so königlich und edel. Es war beeindruckend und zugleich beneidenswert. Das einzige, was nicht so recht ins Bild passen wollte war sein Zögern, als er seine Hand austreckte und vorsichtig versuchte meine Tränen weg zu wischen. Doch anscheinend kamen immer mehr nach, da sich mein Blick nicht klärte. Ich konnte noch immer nichts erkennen. Dieser ganze emotionale Stressschlug mich einfach immer wieder zu Boden. Dabei war es doch mein Job, meine Verpflichtung stark und emotionslos zu sein. Ich durfte nicht noch mehr wie der Schwächling wirken, den alle in mir sahen, sonst würden sie mich entsorgen. Zola würde sich wahrscheinlich mit Vergnügen die schlimmstmöglichen Qualen für mich ausdenken.
Das Gefühl, dass mir etwas oder jemand die Kehle zu schnürte, schwoll immer weiter an, soweit bis ich meinte schwarze Punkte an den Rändern meiner Sicht sehen zu können. Die Stimme in meinem Kopf begann mich auszulachen, mich und die Tatsache wie erbärmlich diese ganze Situation war. Die Idee, dass Zolas Frage nach meiner Meinung schlussendlich doch keine Bedeutung gehabt hatte, reichte aus, um bei mir das Fass zum Überlaufen zu bringen. Es war, wie bereits gesagt, erbärmlich. Doch dass mich dann noch jemand in diesen geschwächten Zustand sah brachte mich zum Brodeln. Allerdings schaffte es dieses Feuer nicht gegen die unendliche Trauer, diesen Schmerz, anzukämpfen. Wurde es doch durch das Meer meiner Tränen erstickt.
Der Mann vor mir sagte irgendetwas, doch seine Worte versanken im Nichts, wurden von den schwarzen Sturmfluten verschluckt. Ich schaffte und wollte mich einfach nicht auf sein Gerede konzentrieren, stattdessen versuchte ich mich anders abzulenken, studierte sein Aussehen, um ihn vielleicht doch noch erkennen zu können.
Seine Haare leuchteten wie flüssiges Gold, so grell und stark, dennoch schmerzte es nicht in den Augen. Durch die Tränen konnte ich scharfe Gesichtszüge erahnen. Etwas an ihm kam mir so schmerzlich vertraut vor. War es die Wärme, die von ihm ausging? Dieses Gefühl der Geborgenheit?
"Finegann?", meine Stimme zitterte so sehr, dass das Wort wie ein Blatt im Wind davon getragen wurde. Ob die Gestalt vor mir überhaupt verstanden hatte, was ich gesagt habe wagte ich zu bezweifeln. Dennoch blieb dieses Fünkchen Hoffnung zurück. Ohne dass ich etwas dagegen machen hätte können, löste ich mich von der harten Matratze und warf mich in die Arme meines Gegenübers, der einen überraschten Laut von sich gab. Meine Arme um seinen Oberkörper geschlungen und den Kopf in seiner Halskuhle vergruben atmete ich begierig seinen Duft ein. Auch dieser kam mir vertraut vor, allerdings nicht mehr schmerzlich. Vorsichtig legte er nun auch seine Arme um mich, offensichtlich überrascht und ein wenig überfordert mit der bizarren Situation. Ganz langsam versiegten die Tränen, ließen mich wieder klarer sehen als ich die Augen aufschlug. Doch auch als ich die Uniform von Hydra erkannte ließ ich nicht von der Person ab, war es mir in diesem Augenblick doch tatsächlich egal, dass ich Schwäche zeigte. Suchte stattdessen weiter nach dieser Sicherheit und Geborgenheit, die ich noch nach so vielen Jahren begehrte.
Der Mann gab einen beruhigenden Laut, ein Brummen von sich, strich mir zögerlich über den Rücken und murmelte etwas, das wie mein Name klang. Wirklich sicher war ich mir aber nicht, da noch immer hundert Stürme in meinem Inneren tobten, die meine Ohren betäubten, die sich aber auch langsam wieder beruhigten.
"Ravenna", sprach er erneut und nun konnte ich es auch endlich verstehen. Mein Körper verkrampfte sich leicht, meine Brust erzitterte, als ich noch von den Tränen und Schluchzern geprägt die Luft einzog. Meine Hände krallten sich in den Stoff an den Schultern des blonden Mannes. Plötzlich doch verunsichert von meinem Tun löste ich mich zaghaft von ihm. Hatte ich doch tatsächlich Schwäche vor einem Hydrasoldaten gezeigt. Die Erkenntnis meines Handelns traf mich auf einmal wie ein Schlag in die Magengegend.
Als ich meinen Blick hob, konnte ich nicht sagen ob dieser Gedanke nun gemildert oder verschlimmert wurde, denn vor mir saß Jonas, der mich noch immer mit seinen Händen an meinem Rücken festhielt. Ein besorgter Ausdruck hatte sich auf seine Gesichtszüge geschlichen, zusammen mit etwas Undefinierbaren. Vielleicht war es Verwirrung. Oder Erstaunen.
Egal was es war, ich konnte diesem Blick nicht standhalten. Ich wandte mich ziemlich auffällig und unsicher von ihm ab, war mir das ganze doch ziemlich peinlich. Mein Atem kam nur rasselnd über meine Lippen, als ich mir mit dem Handrücken die Spuren meiner Tränen davon wischte. Es war alles einfach zu viel. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich biss mir auf die Zunge, um ein erneutes Aufschluchzen zu unterdrücken."Entschuldige", murmelte ich, als ich mich zaghaft erhob, ab von seiner beruhigenden Wärme ließ. Jon sagte nichts dazu, richtete sich ebenfalls auf und strich sein Hemd zurecht. Ich hatte bereits die Hoffnung, dass er es einfach überspielen würde, mich in Ruhe lassen und es einfach vergessen würde, doch da lag ich wohl falsch.
"Was ist passiert?", fragte er, als ich mich erneut aufs Bett sinken ließ. Mein Körper wurde noch immer ab und an von Erschütterungen geplagt. Hatte es, hatte mich nicht in Kontrolle.
"Willst du davon erzählen?" Ich schüttelte heftig mit dem Kopf. Würde ich jetzt nochmal damit anfangen wusste ich nicht, ob ich mich zusammenreißen konnte. Das einzige, was ich wollte war zu vergessen. Warum konnte ich nicht einfach alles vergessen? All diese Schmerzen und die Schuldgefühle, die Zweifel. Ohne diese wäre alles so viel leichter ... doch ich vergaß sie nie ganz. Alles blieb fest verankert in meinen Erinnerungen zurück, alles bis auf diesen einen Teil, diesen einen Teil, den ich unbedingt erfahren wollte.
"Nein", krächzte ich immer noch den Kopf schüttelnd, sodass mir die Haare ins Gesicht flogen, "Nein, ich will nicht."
War es unhöflich von mir? Wahrscheinlich schon. Jonas kam herein mit keiner Ahnung was er vorfinden würde und dann überfiel ich ihn so rapide, wollte mich aber nicht erklären. Doch meine Motive, meine Emotionen und Gefühle gingen ihm -eigentlich überhaupt keinen- etwas an. Hatte Arian doch schon so viel mitbekommen.
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How to become a Winter Soldier
Fanfiction//PAUSIERT// ||Jeder kennt die Geschichten, in denen der Winter Soldier eine Frau trainiert, doch was passiert, wenn eine Frau den Soldier trainiert?|| Hydra ist erbarmungslos. Es gibt keinen Platz für Schwächlinge. Gilt man aber als ein solcher, m...