Einfach nur ... [KAPITEL 44]

80 8 0
                                    


Vielleicht hatte ich überreagiert. Eigentlich hatte ich sehr wahrscheinlich überreagiert. Doch Jons Aktion hat mich einfach zu überrascht und gleichzeitig wütend gemacht, auch auf mich selbst. Wie hatte ich jemals ihn in Jonas sehen können, meinen Finnegan?
Der Blonde jedenfalls war, nachdem ich ihn so aggressiv angefaucht hatte, aus meinem Zimmer geflohen. Wie ein geschlagener Hund war er mit hängenden Kopf und eiligen Schritten verschwunden. Er hatte nicht einmal das Tablett aus der Kantine mitgenommen, denn dieses lag noch immer auf meinem Bett nahe dem Nachttisch.
Ich saß währenddessen nach wie vor mit dem Rücken an die Wand gepresst am anderen Ende der Matratze. Mein Atem stotterte abgehackt über meine tauben Lippen. Meine Augen waren noch weit aufgerissen. Und mein ganzer Körper zitterte unaufhörlich. Tausende wirre Gedanken schwirrten mir im Kopf herum.
Dies war schlimmer als zu dem Zeitpunkt, bei dem Barnes mich geküsst hatte. Warum genau war schwer zu erklären, da ich selbst den Grund dafür nicht wusste. Vielleicht, weil mein Unterbewusstsein damals schon wusste, dass mir Barnes wichtig war? Bei Jon war das nicht der Fall, oder? Ihn konnte ich nicht leiden, bei Barnes verspürte ich etwas, eine Betroffenheit und Schuld, aber auch etwas anderes. Es war mir alles einfach zu kompliziert im Moment. Warum konnte es nicht einfach sein? Warum mussten immer solche Komplikationen meine Wege kreuzen? Warum hatte ich ausgerechnet bei Hydra landen müssen? Dies alles, dieses ganze Chaos wäre nie passiert, wäre ich nicht einmal kurz unaufmerksam gewesen. Hätte ich meine Instinkte nicht ignoriert.

Mein Gesicht in meinen Händen vergraben und den Kopf gegen die Wand stützend seufzte ich laut auf. Es war nur ein kurzer Moment, ein Wimpernschlag gewesen, in dem ich nicht aufgepasst hatte und wodurch ich nun bei Hydra verenden würde. Eigentlich hatte ich vor gehabt die kleine Stadt schon am Tag zuvor zu verlassen. Schließlich war der zweite Weltkrieg ausgebrochen und ich befand mich auf sehr gefährlichem Kriegsgebiet. Um genauer zu sein in Frankreich, und im Nachhinein auch viel zu nah an der deutschen Grenze. Doch ich hatte mich sicher gefühlt, habe deshalb zu lange dort verweilt ...

Als ich damals die Augen aufschlug war es aufgrund der Sirene, die schrill durch die Straßen tönte. Ich hatte zwar meinen Koffer schon gepackt, doch daran zu denken ihn mitzunehmen, dazu kam es überhaupt nicht mehr. Eine Bombe war in der Straße, in welcher ich mich befunden hatte eingeschlagen. Ich konnte mich noch erinnern, wie der Boden erzitterte und wie Schreie voller Schmerz und Angst über den ganzen Aufruhr zu hören waren, während ich am Fenster stand und die Verwüstung mit stumpfen Augen betrachtete. Meine innere Stimme hielt einen Monolog darüber, wie sehr es doch ganz allein meine Schuld war, und dass ich nun sehen konnte wie es weiterlaufen würde.

Währenddessen waren deutsche Soldaten durch die Tür der Herberge gelaufen, in welcher ich mich befunden hatte. Es gäbe kein Entkommen mehr durch den normalem Ausgang, weshalb ich kurzentschlossen Anlauf genommen und durch das Fenster gesprungen war. Das Glas schnitt in meine Haut, flog um mich herum, als ich meine Augen mit meinem Arm geschützt hatte. Es war zwar nur der erste Stock und daher kein allzu langer und gefährlicher Sturz gewesen, aber da ich im Chaos nicht die Zeit dazu gehabt hatte davor die Straße direkt unter dem Fenster zu mustern, bin ich auf einem Brocken des Hauses gegenüber der Herberge, welches durch eine Bombe zerstört worden war, gelandet. Ich konnte den Schmerz zwar nicht spüren, aber ich wusste sofort, dass mein Knie verdreht und dasselbe Bein mehrmals gebrochen war. Doch ich hatte keine Zeit mehr gehabt, weshalb ich mein Knie wieder in seine eigentliche Position zurückschob -was dessen Heilprozess zeitlich verringern sollte- und trotz schwerverletztem Bein losrannte. Ich war wie betäubt. Betäubt und panisch. Da ich mein gebrochenes Bein nicht schonte, heilten die Brüche nicht sofort, wurden immer wieder beim Zusammenwachsen unterbrochen. Dementsprechend kam ich nur langsam voran, viel zu schleppend, um eine wahre Chance gehabt zu haben. Zudem bremste mich auch das lange Kleid, welches ich an diesem Tag entschloss zu tragen, weiter ab. Es blieb an Steinen und vorherstehenden Rohren immer wieder hängen und erschwerte mir somit zusätzlich meine Flucht. Doch ich musste weiterrennen, einfach nur rennen.

Ich war nur knapp fünf Häuser weit gekommen, als sich eine Kugel durch meinen Oberkörper, knapp am Herz vorbei, bohrte. Aus dem Gleichgewicht gebracht taumelte ich und fiel zu Boden, hatte mich allerdings mit meinen Armen noch mehr oder weniger aufrechthalten können. Ein Soldat, ich vermutete es war der, der mich erschossen hatte, schubste mich auf meinen Rücken. Er hatte das Gewehr auf mein Gesicht gerichtet, als sich seine Augen plötzlich weiteten. Dann hatte er mir gegen den Kopf getreten und ich wurde Bewusstlos.
Jetzt im Nachhinein konnte ich sagen, dass er wahrscheinlich eine Wunde in meinem Gesicht gesehen haben muss, die sich in diesem Moment binnen weniger Augenblicke geheilt hatte. Jedenfalls bin ich das nächste Mal erst wieder aufgewacht, als ich nackt auf einen Seziertisch lag mit Doktoren um mich, die an mir herum experimentiert hatten. Ich war bei Hydra ...

Meinen Kopf energisch schüttelnd vertrieb ich die alten Bilder, rutschte zum Rand des Bettes und stand auf. Ohne einen weiteren Gedanken an das Vergangene zu verschwenden nahm ich das Tablett und donnerte es energisch an die Wand neben der Zimmertür. Falls Jon es doch noch wagen würde vorbeizukommen konnte er es schnell nehmen ohne mich groß zu belästigen. Jedenfalls war das meine Hoffnung. Ich konnte spüren wie erneut der Ärger in mir zu brodeln begann. Mit geballten Fäusten stand ich vor der Tür, starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Wäre der Blonde jetzt gekommen, ich glaube ich hätte ihm eine verpasst, ohne es verhindern hätte zu können. Aber zu seinem Glück kam er nicht genau in diesem Moment zurück. Meine Augen schließend, atmete ich mehrere Male tief ein und aus, bis sich meine Fäuste wieder entspannt hatten. Danach wandte ich mich schließlich von der Metalltür ab und ging auf die andere Zimmerseite zur Dusche, die mich hoffentlich ein wenig ablenken würde. Ich zog mich aus, legte meine Klamotten auf die kleine Kommode gegenüber dem Waschbecken. Die ganze Zeit über dachte ich daran, wie Jonas es gewagt hatte in meinen persönlichen Bereich einzudringen. Dies störte mich in diesem Moment mehr als die Tatsache, dass er mich geküsst und daher Gefühle für mich hatte. Vielleicht hatte er mich aber auch nur so geküsst ohne dieses Kribbeln in seinem Bauch. Vielleicht dachte ich in dieser Hinsicht zu altmodisch, obgleich ich nie ein Problem damit gehabt hatte, mich an meine Umgebung anzupassen. Vielleicht küsste man ja heutzutage aus einem anderen Grund.

Während ich in der Dusche stand starrte ich erneut ins Leere, vertrieb so alle Gedanken, die in meinem Kopf herumspucken wollten. Sobald ich das Wasser ab geschalten hatte, trocknete ich mich rasch ab und schlüpfte zurück in meine Klamotten. Ich wollte einfach nur noch meditieren. Dies war auch genau das, was ich tat. Ich setzte mich wie zuvor -bevor Jon mich unterbrochen hatte- auf die harte Matratze und schloss meine Augen. Rasselnd sog ich tief Luft in mich auf, legte meine Hände in meinen Schoß und versuchte alle meine wilden Gedanken zu vertreiben. Das Tropfen der noch nassen Dusche lullte mich in die Klänge des Raumes ein. Erleichtert atmete ich aus.
Einfach nur meditieren.
Einfach nur in der Ruhe versinken.
Einfach nur vergessen.








_______________________________________
Hey, Leute!
Danke für fast 4000 Aufrufe! Heftig.

Habt ihr alle schon den neusten Avengers Teil gesehen?
Ich hab bis jetzt gebraucht um mich zu erholen xD
Naja, egal.

Ich würde mich mal wieder auf Feedback von eurer Seite aus freuen.
Hab schon lange nichts mehr gehört :D

LG, Magicrow

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt