Neue Bekanntschaft [KAPITEL 21]

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Als erstes lag da dieser Geruch von Benzin in der Luft. Ein Geräusch war zu vernehmen, wie das Donnern eines weit entfernten Gewitters.
Ein lautes Quietschen, dann wieder Stille.
Etwas wurde aufgestoßen und fiel anschließend wieder zu. Eilige Schritte näherten sich mir durch den Schnee, dann geschah eine ganze Weile nichts.

"Miss?", drang eine gedämpfte Stimme an mein Ohr, aber, egal wie sehr ich es auch wollte, ich konnte nicht drauf antworten. Meine Glieder, mein kompletter Körper war von der Winterkälte ganz steif. Ich konnte nicht einmal meinen kleinen Finger rühren. Außerdem war mir, als ob meine Gedanken in einem Spinnennetz hingen, nur langsam und sehr zäh fügte sich alles nach und nach zusammen.

Erneut ertönte die fremde Stimme, die ich noch keinem Geschlecht zuordnen​ konnte. Etwas berührte, erst federleicht, dann etwas fester, meine Schulter, doch als ich mich noch immer nicht regte, gab die Person einen erschrockenen Ton von sich. Blitzschnell, dass mir fast schwindelig wurde, drehte mich der Fremde auf den Rücken und wischte den Schnee aus meinem Gesicht.

"Miss? Können sie mich hören, Miss?", die vermutlich Deutsch sprechende Stimme wurde zum Ende hin immer verzweifelter. Ein leises Grummeln von mir gebend versuchte ich angestrengt meine Augen zu öffnen. Gleisendes Licht blendete mich in dem Moment, in dem ich es schaffte meine Lider einen Spalt weit zu heben, doch irgendetwas stellte sich vor mein Blickfeld, sodass das Licht der Sonne, welches noch vom ganzen Schnee reflektiert wurde, nicht mehr allzu schlimm schmerzte. Vorsichtig öffnete ich meine Augen nun ganz und musterte die verschwommene Gestalt vor mir, die erst nach einigen Minuten klar zu erkennen war.

Ein Mann, vermutlich mittleren Alters, kniete neben mir im Schnee, ein erleichterter Ausdruck auf seinem kantigen Gesicht. Seine matten, braunen Augen wurden von einigen Falten umrandet, wodurch sie recht klein wirkten. Einige Sorgenfalten thronten auf seiner Stirn. Seine wohl einst vollständig braunen Haare wurden nun von vielen grauen Strähnen durchsetzt, die ihm teilweise im Gesicht hingen, da er sich etwas über mich gebeugt hatte, um wohl mein eingefrorenes Gesicht besser mustern zu können. Seine Mundwinkel waren dabei, wahrscheinlich auf Grund der Tatsache, dass ich noch am Leben war, etwas nach oben gezogen, seine ebenso grauen Augenbrauen allerdings waren zu einer einzigen, geraden Linie zusammengepresst, so als ob er angestrengt nachdenken würde. Von Hydra war der Mann ganz sicher nicht.

Er entfernte sich wieder etwas von mir, blickte zum Himmel empor und murmelte etwas mir unverständliches. Ich vermutete aber, dass es eine Art Dank war. Anschließend sah er wieder auf mich herab, immer noch einen erleichterten Gesichtsausdruck aufgesetzt.

"Geht es ihnen soweit gut?", fragte der Mann mich, nicht wissend was er machen sollte. Mit immer noch schmerzenden Gliedern und eingefrorenen Gelenken versuchte ich mich aufzurichten, blieb allerdings noch immer im Schnee sitzen. "Ja.", antwortete ich ihm mit kratziger Stimme, erinnerte mich aber dann sofort daran, dass er womöglich kein Englisch sprach und wiederholte es auf Deutsch.

"Sie sind wohl nicht von hier, was? Können sie mich verstehen?", bedrängte er mich mit Fragen, während ich versuchte nun ganz aufzustehen, weshalb ich nur nebensächlich nickte. Der Mann stand nun ebenfalls auf und stützte mich, als ich leicht strauchelte. Wäre ich nicht darauf angewiesen, da ich im Moment noch recht kraftlos war, hätte ich ihn wohl angeschrien, doch stattdessen presste ich meine Lippen aufeinander und blieb stumm. Der Fremde redete eine Zeit lang mit sich selbst, in der ich mich langsam wieder erholte, weshalb ich nicht wirklich aufpasste. Meinen Oberkörper mit meinen Armen umschlungen stand ich zitternd im Schnee, noch nicht ganz begreifend, was nun eigentlich passiert war.

"Das ist wirklich großes Glück gewesen, dass ich gerade vorbeigekommen bin. Sie hätten umkommen können in der Eiseskälte! Ist Ihnen das bewusst?", der Mann drückte mich auf den kalten Sitz meines Motorrades, um meine langsam regenerierten Kräfte zu schonen, während er weiterhin redete. Erleichtert atmete ich aus, trotz der Tatsache, dass ich dadurch Schwäche zeigte. Er bückte sich, griff nach der braunen Decke, die noch immer im Schnee lag, und legte sie anschließend um meine bebenden Schultern, nachdem er sie ausgeschüttelt hatte. Ich konnte meinen verwunderten Blick nicht verbergen, als er dies tat, denn ich verstand den Grund hinter seinem Handeln nicht. Was sollte es ihn auch schon groß interessieren, er hatte bestimmt viele eigene Sorgen, so viele Falten wie er auf der Stirn hatte.

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt