Tee ohne Gebäck [KAPITEL 38]

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Jonas war wie eine Klette gewesen, bis ich ihn schließlich doch irgendwann vertreiben konnte. Aber er würde heute noch einmal wegen dem Abendessen kommen, auch wenn ich im Moment darauf hätte verzichten können. Der Blonde hatte allerdings darauf bestanden und wenn ich dadurch endlich alleine sein konnte ging ich diese Bedingung trotz anfänglichem Zögern gerne ein. Mir war das zuvor Geschehene ziemlich peinlich, ich hatte Jon einfach nicht mehr länger ins Gesicht sehen können. Er schien zwar verletzt, dass ich mich ihm nicht anvertraut habe, doch da bildete er sich ein wenig zu viel ein. Ich kannte ihn erst wenige Wochen, und auch wenn er schon bereit dazu schien mir sein Leben anzuvertrauen, so war es ich ganz sicher nicht. Ich war mir schließlich noch immer nicht wirklich sicher ob nicht alles was er sagte, tat und machte gespielt war. Er war immer noch ein Teil von Hydra. Das durfte ich auf keinen Fall vergessen, trotz der Freundlichkeit und Geborgenheit, die er mir entgegen brach. Jeder der hier war, war hier nicht ohne Grund. Ob es Zwang war, der Wunsch sich zu beweisen oder einfach die pure Bosheit. Hydra fand die Verdorbenen, wie ein Magnet einen Nagel, und machte sie sich zu eigen.

Jedenfalls war der blonde Soldat endlich weg, sodass ich mich nun ganz auf mich und nur auf mich konzentrieren konnte. Verdammt, ich hatte doch gesagt, dass ich mich nicht von meinen Emotionen steuern lassen durfte. Ich wurde unberechenbar, hatte mich dann einfach nicht mehr unter Kontrolle und wirkte wie ein verzweifelter Idiot. Hoffentlich musste Jon nicht von dem, was passiert ist Bericht erstatten. Zola würde mich sofort häuten lassen. Schwäche zu zeigen war normalerweise nur ein einziger Ausrutscher. Ein einziger nur, da man danach wohl sehr selten noch am Leben war, um einen zweiten Fehler dieser Art zu begehen. Ein gewaltsamer Tod wäre für mich allerdings noch ziemlich gnädig, weshalb für mich dann eher Folter bevorstehen würde.

Ich seufzte lautstark auf. Meine Hände umfassten meinen Kopf, meine Ellenbogen ruhten auf meinen Knien, während ich mit gekrümmten Rücken auf dem harten, unbequemen Bett saß. Meine Haare standen zu allen Seiten ab, da ich zuvor die ganze Zeit durch diese gefahren bin. Ich spürte die Müdigkeit in meinem Gesicht, konnte mir nur zu gut vorstellen wie fertig ich aussehen musste, wollte diese These allerdings nicht unbedingt bestätigen. Wollte mich auch nicht bewegen müssen.

Zeit verstrich quälend langsam, während ich mich in meinem Selbstmitleid suhlte, sodass, als ich aufsah, erst eine halbe Stunde vergangen war, seitdem Jonas verschwunden war. Genervt seufzte ich auf und strich mir die wirren Haare aus dem Gesicht. Meinen Rücken durchstreckend bis er einmal kurz knackste, stand ich anschließend auf. Wie immer, wenn ich mich von mir selbst ablenken wollte, begann ich zu trainieren. Ich wärmte mich auf, machte einige Dehnübungen, lief danach einige Zeit lang auf der Stelle, ehe ich mit dem Nahkampftraining anfing. Schläge, Tritte, Abfolgen, die ich inzwischen in und auswendig kannte, sodass alles automatisch funktionierte. Es lief sogar so gut, dass ich am Ende des Tages meine imaginären Gegner zu Brei zusammengeschlagen hatte.

Mein Handtuch um meine Schulter gelegt wischte ich mir damit gerade den Schweiß von der Stirn, als es an der Tür klopfte. Doch dieses Mal wusste ich, wer dahinter stand, oder war mir dem zumindest ziemlich sicher. Langsam und unsicher wurde die Metalltür geöffnet, ehe ein blonder Schopf zu sehen war, der vorsichtig hinein blickte, so als wolle er erst sicherstellen wo ich mich befand. Genervt verdrehte ich meine Augen.
“Komm herein, Jonas“, keuchte ich, da ich vom Training noch immer recht außer Atem war. Angesprochener zuckte kurz ertappt zusammen, ehe er schließlich eintrat und die Tür hinter sich schloss, während ich mich wieder auf mein Bett zurück setzte. Mein Blick wanderte anschließend sofort auf das Essen, dass er mir wie immer auf einem Tablett brachte. So wie es aussah gab es heute irgendein Stück Fleisch mit Kartoffelbrei und anderem Gemüse. Eigentlich war es nichts besonderes, wäre da nicht noch die dampfende Tasse neben dem Teller. Meine Augen weiteten sich neugierig, ehe ich sie kritisch zusammenzog. Lächelnd kam der Blonde auf mich zu und reichte mir das Tablett, welches ich neben mir auf dem Bett abstellte, ehe ich mich vollkommen der Tasse widmete. Sie spendete eine tröstliche Wärme, die ich aber aufgrund meines eigenen aufgeheizten Körpers vom Training nicht wirklich wahrnahm. Prüfend roch ich kurz an dem Getränk, bevor ich die Tasse leicht schwenkte, um die Konsistenz erkennen zu können. Genauso flüssig wie Wasser. 

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt