Der achte Tag [KAPITEL 26]

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Dunkelheit umwob mich. Sie versenkte ihre kalten Fänge in meine Haut und zerrte mich immer weiter vom rettenden Licht weg, welches mitleidig auf mich herab sah. Meine verzweifelten Hilfeschreie wurden von einer nicht sichtbaren Hand unterdrückt und drangen nur schwer, wie Unterwasser an mein Ohr. Ein immer größer werdender Druck hatte sich auf meine Brust gelegt und verbannte jedes Restchen Luft aus meinen vor Sauerstoffmangel ächzenden Lungen, während ein nervtötendes Piepen meine Ohren erfüllte. Immer tiefer und tiefer schien ich in die Finsternis zu fallen. Über mir konnte ich noch schwach das Licht flackern sehen, doch egal wie sehr ich auch zum überirdisch wirkenden Leuchten fliehen wollte, schaffte ich es nicht auch nur die Hand danach auszustrecken, mein Körper war wie gelähmt. Meine Lungen brannten wie trockenes Gestrüpp im Hochsommer, als sie weiterhin nach Luft verlangten. Die Panik, die mich ergriffen hatte, schwillte immer weiter an, bildete einen Klos in meinem Hals, als ich meinen Mund zum Atmen öffnete, aber nur Wasser in diesen drang. Der Gedanke, dass ich mich tatsächlich Unterwasser befand, schockte mich zu meiner Überraschung nicht halb so sehr, wie ich es vermutet hätte. Dies könnte allerdings auch daran liegen, dass langsam aber sicher eine endgültige Müdigkeit meinen Körper erfüllte und meinen Geist immer mehr betäubte. Das bereits sehr schwach gewordene Licht verschwand völlig, als schwarze Flecken meine Sicht einzunehmen versuchten. Meinen Widerstand aufgebend, ließ ich meinen letzten rettenden Faden los und versank für immer in der dunklen Wassermenge.

Ruckartig riss ich meine Augen auf, als frische Luft in meine klagenden Lungen strömte. Hustend und verzweifelt nach Luft schnappend wanderten meine beiden Hände zu meiner Kehle, während sich mein Oberkörper kerzengerade im Bett aufrichtete. Meine Augen weit aufgerissen versuchte ich etwas in der Dunkelheit zu erkennen, die Panik in mir noch immer präsent. Schemanhaft konnte ich einige Ecken und Kanten ausfindig machen, doch aus den Puzzleteilen wollte sich einfach kein vollständiges Bild formen. Unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen bemerkte ich nur am Rande, dass sich mein Körper wie ferngesteuert aus dem Bett bewegte und zur abgegrenzten Zimmerhälfte torkelte, eine Hand noch immer an meinem Hals, während sich die Andere unsicher einen Weg durch die Finsternis ertastete. An der halben Wand lehnend konnte ich, langsam an die Dunkelheit gewöhnt, die deckellose Toilette erkennen und steuerte schwankend darauf zu. Kaum dass sich mein Körper über dieser positionierte hatte, musste ich dem Würgereiz auch schon nachgeben. Das wenige Essen, welches ich in den letzten Stunden zu mir genommen hatte, verließ ohne seinen Zweck jemals erfüllt zu haben, meinen Körper. Kraftlos betätigte ich mit zitternden Fingern die Spülung, ehe ich rückwärts an die Wand hinter mir kroch. Schwer atmend legte ich meinen Kopf an dieser ab, blieb eine ganze Weile so sitzen, ehe ich mir mit dem Ärmel meines Pullovers über den Mund wischte, um die Überreste zu beseitigen. Noch immer verspürte ich das stechende Gefühl in meiner Magendgegend, doch alles was ich hätte wiedergeben können befand sich schon im Abfluss.

Meinen Kopf in den Nacken legend und mit geschlossenen Augen, atmete ich hektisch ein und aus, doch das erbarmungslose Brennen in mir wollte nicht von mir ablassen. Warum ich dieses Gefühl verspürte wusste ich nicht, wobei ich vermutete, dass es etwas mit meinem Traum zu tun haben musste. Zwar schwirrten noch einige lose Fäden und Bilder in meinem Kopf umher, doch sobald ich mich auf diese zu konzentrieren versuchte, verschwanden sie auch schon im Nebel des Vergessens. Nur dieses Brennen blieb zurück.

Ächzend und halb blind versuchte ich am Boden krichend meinen Weg zurück zum Bett zu finden. Den Geschmack, den mein Erbrochenes in meinem Mund zurückgelassen hatte, ignorierte ich dabei vollkommen. Die Ketten der Müdigkeit und der Erschöpfung zerrten an mir, und alles was ich wollte war nochmals in den Tiefen des Schlafes abzutauchen. Doch dies war leichter gesagt als getan, denn nachdem ich mich wieder ins Bett gelegt habe, war ich auf einmal hell wach. Meine Gedanken kamen langsam in Fahrt, während mein Körper fast schon vor Müdigkeit schmerzte. Auf den Rücken liegend, meine Hände ineinander verschränkt auf meinem Bauch ruhend, starrte ich in der Finsternis hoch an die Decke. Angestrengt versuchte ich einen Grund für meine plötzliche Übelkeit zu finden, doch ich konnte mir keinen Reim daraus machen. Jedenfalls so lange nicht, bis mir wieder in den Sinn kam, dass etwas meinen Schutzwall gestört und mich geschwächt hatte. Allerdings spürte ich nichts mehr dergleichen. Die Wand, die meine Gedanken und Gefühle vor anderen versteckte, stand so stabil da wie zuvor. Was hatte mich gestört? Wer konnte für meine plötzliche Schwäche verantwortlich gewesen sein? Etwas musste ich übersehen haben. Irgendeinem Grund, einem Auslöser, den nur mein Unterbewusstsein verstanden oder bemerkt hatte …

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt